EuGH Urteil v. - C-46/17

Gründe

Zu den Vorlagefragen

Zur dritten Frage

19Mit seiner dritten Frage, die als Erstes zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Bestimmung entgegenstehen, die wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, bei Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer befristet erteilten Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht.

20Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“ im Sinne der Richtlinie, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe geben darf, zu denen das Alter gehört.

21Eine unmittelbare Diskriminierung liegt nach der Richtlinie 2000/78 vor, wenn eine Person wegen ihres Alters in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde (Art. 2 Abs. 2 Buchst. a), und eine mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen eines bestimmten Alters gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (Art. 2 Abs. 2 Buchst. b).

22Mithin ist zu prüfen, ob ein Arbeitnehmer wie Herr John im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78 wegen seines Alters in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person bzw. ob die streitige Bestimmung die Altersgruppe, der Herr John angehört, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie in besonderer Weise benachteiligen kann.

23Die Richtlinie 2000/78 berührt nach ihrem 14. Erwägungsgrund nicht die einzelstaatlichen Bestimmungen über die Festsetzung der Altersgrenzen für den Eintritt in den Ruhestand. Zudem sollen Regelaltersgrenzen nach Auffassung der Europäischen Kommission der im Alter typischerweise abnehmenden Leistungsfähigkeit von Arbeitnehmern Rechnung tragen und auf den Wunsch und das Bedürfnis älterer Arbeitnehmer Rücksicht nehmen, ihre Zeit frei zu gestalten.

24Der Gerichtshof hat entschieden, dass die automatische Beendigung der Arbeitsverträge von Beschäftigten, die die das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, seit Langem Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich ist. Dieser Mechanismus beruht auf einem Ausgleich zwischen politischen, wirtschaftlichen, sozialen, demografischen und/oder haushaltsbezogenen Erwägungen und hängt von der Entscheidung ab, die Lebensarbeitszeit der Arbeitnehmer zu verlängern oder, im Gegenteil, deren früheren Eintritt in den Ruhestand vorzusehen (Urteil vom , Rosenbladt, C-45/09, EU:C:2010:601, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

25Zu einer Bestimmung, die mit § 44 des Tarifvertrags vergleichbar ist, hat der Gerichtshof in seinem Urteil vom , Rosenbladt (C-45/09, EU:C:2010:601), entschieden, dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist, wenn der weite Ermessensspielraum berücksichtigt wird, der den Mitgliedstaaten und den Sozialpartnern auf dem Gebiet der Sozial- und Beschäftigungspolitik zusteht.

26Im Ausgangsverfahren geht es aber nicht um § 44 des Tarifvertrags, nach dem das Arbeitsverhältnis grundsätzlich automatisch mit Ablauf des Schulhalbjahrs endet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreicht hat, sondern um eine Bestimmung, die es den Arbeitsvertragsparteien ermöglicht, die damit festgelegte Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinauszuschieben, und zwar, wie es in der dritten Frage heißt, ohne weitere Voraussetzungen, zeitlich unbegrenzt und gegebenenfalls mehrfach.

27Zur Frage etwaiger ungünstiger oder nachteiliger Auswirkungen der streitigen Bestimmung macht die deutsche Regierung geltend, sie betreffe nicht die vorgesehene Altersgrenze für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses als solche, sondern die Möglichkeit, die Beendigung der Arbeitsverhältnisse im gegenseitigen Einvernehmen hinauszuschieben. Das Hinausschieben biete Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erreicht hätten, eine weitere Handlungsmöglichkeit, um die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mitzugestalten.

28Der nationale Gesetzgeber habe mit dem Erlass der streitigen Bestimmung das Ziel verfolgt, im Einklang mit den Wünschen der Sozialpartner eine flexible und rechtssichere Möglichkeit zu schaffen, ein Arbeitsverhältnis im Bedarfsfall und unter bestimmten Bedingungen über den Zeitpunkt des Erreichens der Regelaltersgrenze hinaus fortzuführen.

29Diese Auslegung wird nicht durch die Ausführungen des vorlegenden Gerichts entkräftet, wonach die streitige Bestimmung als Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsvertrags bei Erreichen der Regelaltersgrenze angesehen werden kann. Denn anders als jüngere Arbeitnehmer kann ein Arbeitnehmer, der die Regelaltersgrenze erreicht, zwischen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses und dem völligen Ausscheiden aus dem Berufsleben wählen.

30Dem steht nicht entgegen, dass die Parteien des Arbeitsvertrags das Ende des Arbeitsverhältnisses mehrfach hinausschieben können, und zwar ohne weitere Voraussetzungen und zeitlich unbegrenzt. Diese Aspekte sind vielmehr geeignet, den günstigen oder vorteilhaften Charakter der fraglichen Bestimmung zu bestätigen, da sie Modalitäten für die Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses darstellen, zu der es jedenfalls nur mit Zustimmung beider Vertragsparteien kommen kann, die erfolgen muss, solange das Arbeitsverhältnis noch besteht.

31Diese Bedingungen sind grundsätzlich geeignet, es einem Arbeitnehmer sowie seinem Arbeitgeber zu ermöglichen, das Arbeitsverhältnis nur dann fortzusetzen, wenn sie diese Option im Kontext einer Weiterbeschäftigung nach dem Erreichen der Regelaltersgrenze für vorteilhaft erachten. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich im Übrigen, dass Herr John vor dem vorlegenden Gericht dagegen vorgegangen ist, dass sein Arbeitgeber seinen Antrag, das Ende seiner Beschäftigung ein zweites Mal hinauszuschieben, abgelehnt hat.

32Unter solchen Umständen kann eine derartige Bestimmung nicht als Benachteiligung von Personen, die das Rentenalter erreicht haben, gegenüber Personen, die dieses Alter noch nicht erreicht haben, im Sinne von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 angesehen werden.

33Somit ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, bei Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer befristet erteilten Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht.

Zur ersten und zur zweiten Frage

34Mit seiner ersten und seiner zweiten Frage, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung entgegensteht, die es wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat.

35Die deutsche Regierung macht geltend, der Ausgangsrechtsstreit falle nicht in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung. Ein Arbeitsvertrag sei nicht als „befristet“ anzusehen, weil das Arbeitsverhältnis ende, wenn der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze erreiche. Durch einen solchen Vertrag werde keine kurzzeitige Beschäftigung begründet, denn zwischen seinem Abschluss und dem Erreichen der Regelaltersgrenze liege mitunter ein Zeitraum von mehreren Jahrzehnten. Außerdem sei Voraussetzung für das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsvertrags durch die Parteien, dass das bereits bestehende Arbeitsverhältnis nahtlos weitergeführt werde. Das Hinausschieben könne deshalb nicht als Abschluss eines neuen, befristeten Arbeitsvertrags angesehen werden.

36Das vorlegende Gericht führt hierzu aus, da auf den Arbeitsvertrag, um den es im Ausgangsverfahren gehe, § 44 Nr. 4 des Tarifvertrags Anwendung finde, wonach das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Schulhalbjahrs ende, in dem der Arbeitnehmer das gesetzlich festgelegte Alter für den Bezug einer Altersrente erreicht habe, sei er befristet.

37Nach dem Wortlaut von Paragraf 2 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung ist ihr Anwendungsbereich weit gefasst und erstreckt sich allgemein auf „befristet beschäftigte Arbeitnehmer mit einem Arbeitsvertrag oder -verhältnis gemäß der gesetzlich, tarifvertraglich oder nach den Gepflogenheiten in jedem Mitgliedstaat geltenden Definition“. Für die Definition der Arbeitsverträge und -verhältnisse, die in den Anwendungsbereich der Rahmenvereinbarung fallen, sind aber weder die Rahmenvereinbarung noch das Unionsrecht maßgebend, sondern die nationalen Rechtsvorschriften und/oder Gepflogenheiten (Urteil vom , Sibilio, C-157/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:148, Rn. 42).

38Der Gerichtshof kann dem innerstaatlichen Gericht jedoch im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen justiziellen Zusammenarbeit anhand der Akten Gesichtspunkte für die Auslegung des Unionsrechts liefern, die diesem Gericht bei der Beurteilung der Wirkungen der Vorschriften des Unionsrechts dienlich sein könnten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , W u. a., C-621/15, EU:C:2017:484, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).

39Daher ist darauf hinzuweisen, dass die Rahmenvereinbarung auf der Prämisse beruht, dass unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses sind, und zugleich anerkennt, dass in bestimmten Branchen oder bei bestimmten Berufen und Tätigkeiten befristete Arbeitsverträge für die Beschäftigung charakteristisch sind.

40Eines der Ziele der Rahmenvereinbarung besteht darin, den wiederholten Rückgriff auf befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse, der als Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer gesehen wird, einzudämmen, indem eine Reihe von Mindestschutzbestimmungen vorgesehen werden, die die Prekarisierung der Lage der Beschäftigten verhindern sollen (Urteil vom , Pérez López, C-16/15, EU:C:2016:679, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

41Feste Beschäftigungsverhältnisse stellen somit einen wichtigen Aspekt des Arbeitnehmerschutzes dar, während befristete Arbeitsverträge nur unter bestimmten Umständen den Bedürfnissen sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer entsprechen können (Urteil vom , Pérez López, C-16/15, EU:C:2016:679, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).

42Wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 24), ist aber die automatische Beendigung der Arbeitsverträge von Beschäftigten, die die das Alter und die Beitragszahlung betreffenden Voraussetzungen für den Bezug einer Altersrente erfüllen, seit Langem Teil des Arbeitsrechts zahlreicher Mitgliedstaaten und in den Beziehungen des Arbeitslebens weithin üblich.

43Außerdem kann, wie die deutsche Regierung hervorgehoben hat, ein Arbeitsvertrag wie der vorliegende, nach dem das Arbeitsverhältnis erst bei Erreichen der Regelaltersgrenze enden soll, mehrere Jahrzehnte Bestand haben.

44Das automatische Ende der Arbeitsverträge von Beschäftigten, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, bringt den Arbeitnehmer zudem der Sache nach in den Genuss eines festen Beschäftigungsverhältnisses. Denn ein Arbeitnehmer, der die Regelaltersgrenze für den Bezug einer Altersrente erreicht hat, befindet sich, wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, regelmäßig am Ende seines Berufslebens.

45Überdies erscheint es nicht ausgeschlossen, die in der streitigen Bestimmung vorgesehene Verschiebung als bloße vertragliche Verschiebung des ursprünglich vereinbarten Rentenalters aufzufassen.

46Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Angaben ist somit nicht ersichtlich, dass eine solche Bestimmung geeignet ist, den Abschluss aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu fördern, oder eine Quelle potenziellen Missbrauchs zulasten der Arbeitnehmer darstellt. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Regelaltersgrenzen systematisch zu einer Prekarisierung der Lage der betreffenden Arbeitnehmer im Sinne der Rahmenvereinbarung führen, sofern die Arbeitnehmer in den Genuss einer abschlagsfreien Rente kommen und insbesondere wenn eine Verlängerung des fraglichen Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber zulässig ist.

47Sollte das vorlegende Gericht ungeachtet der vorstehenden Erwägungen (Rn. 42 bis 46) zu der Auffassung gelangen, dass der Abschluss einer Vereinbarung wie der vom , mit der der Zeitpunkt der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses – wie es hier am begründet wurde und das beim Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze für den Bezug einer Altersrente automatisch enden sollte – hinausgeschoben wird, als Rückgriff auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse im Sinne von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung anzusehen ist, ist zu prüfen, ob diese Bestimmung einer nationalen Bestimmung wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegensteht, da sie es den Parteien eines Arbeitsvertrags ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat.

48Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung verpflichtet die Mitgliedstaaten in seiner Nr. 1 dazu, mindestens eine der dort aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, sofern ihr innerstaatliches Recht keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen enthält. Die hierfür in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a bis c der Rahmenvereinbarung aufgeführten drei Maßnahmen betreffen sachliche Gründe, die die Verlängerung befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse rechtfertigen, die insgesamt maximal zulässige Dauer aufeinanderfolgender Arbeitsverträge oder -verhältnisse und die zulässige Zahl ihrer Verlängerungen (Urteil vom , Martínez Andrés und Castrejana López, C-184/15 und C-197/15, EU:C:2016:680, Rn. 35 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49Das Unionsrecht sieht zwar eine Pflicht für die Mitgliedstaaten vor, präventive Maßnahmen zu erlassen, nennt aber keine spezifischen Sanktionen für den Fall, dass Missbräuche festgestellt wurden. In einem solchen Fall obliegt es den nationalen Stellen, Maßnahmen zu erlassen, die nicht nur verhältnismäßig, sondern auch effektiv und abschreckend genug sein müssen, um die volle Wirksamkeit der zur Durchführung der Rahmenvereinbarung erlassenen Normen sicherzustellen (Urteil vom , Martínez Andrés und Castrejana López, C-184/15 und C-197/15, EU:C:2016:680, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung).

50Es ist nicht Sache des Gerichtshofs, sich zur Auslegung des nationalen Rechts zu äußern; diese Aufgabe kommt allein den zuständigen nationalen Gerichten zu, die festzustellen haben, ob die Bestimmungen der anwendbaren nationalen Regelung die Voraussetzungen von Paragraf 5 der Rahmenvereinbarung erfüllen (Urteil vom , Fiamingo u. a., C-362/13, C-363/13 und C-407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 66, und Beschluss vom , León Medialdea, C-86/14, nicht veröffentlicht, EU:C:2014:2447, Rn. 48).

51Somit obliegt es dem vorlegenden Gericht, zu beurteilen, inwieweit die einschlägigen Bestimmungen des innerstaatlichen Rechts unter Berücksichtigung ihrer Anwendungsvoraussetzungen und ihrer tatsächlichen Anwendung eine Maßnahme bilden, die geeignet ist, den missbräuchlichen Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu verhindern und gegebenenfalls zu ahnden (Urteile vom , Marrosu und Sardino, C-53/04, EU:C:2006:517, Rn. 56, und vom , Fiamingo u. a., C-362/13, C-363/13 und C-407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 67 und die dort angeführte Rechtsprechung).

52Der Gerichtshof kann jedoch, wenn er im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens entscheidet, Klarstellungen vornehmen, um dem nationalen Gericht eine Richtschnur für seine Beurteilung zu geben (Urteile vom , Fiamingo u. a., C-362/13, C-363/13 und C-407/13, EU:C:2014:2044, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung, und vom , Mascolo u. a., C-22/13, C-61/13, C-63/13 und C-418/13, EU:C:2014:2401, Rn. 83).

53Im vorliegenden Fall ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Begriff „sachliche Gründe“ in Paragraf 5 Nr. 1 Buchst. a der Rahmenvereinbarung genau bezeichnete, konkrete Umstände gemeint sind, die eine bestimmte Tätigkeit kennzeichnen und daher in diesem speziellen Zusammenhang den Einsatz aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge rechtfertigen können. Diese Umstände können sich etwa aus der besonderen Art der Aufgaben, zu deren Erfüllung solche Verträge geschlossen worden sind, und deren Wesensmerkmalen oder gegebenenfalls aus der Verfolgung eines legitimen sozialpolitischen Ziels durch einen Mitgliedstaat ergeben (Urteil vom , Kücük, C-586/10, EU:C:2012:39, Rn. 27).

54Wie das vorlegende Gericht ausgeführt hat, unterscheidet sich ein Arbeitnehmer, der das Regelalter für den Bezug der gesetzlichen Altersrente erreicht, nicht nur hinsichtlich seiner sozialen Absicherung von anderen Arbeitnehmern, sondern auch dadurch, dass er sich regelmäßig am Ende seines Berufslebens befindet und damit im Hinblick auf die Befristung seines Vertrags nicht vor der Alternative steht, in den Genuss eines unbefristeten Vertrags zu kommen.

55Zudem kann die streitige Bestimmung, wie bereits ausgeführt (siehe oben, Rn. 29), als zulässige Ausnahme vom Grundsatz der automatischen Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Erreichen der Regelaltersgrenze angesehen werden.

56Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich überdies, dass das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach der streitigen Bestimmung voraussetzt, dass noch während des Bestehens des Arbeitsverhältnisses wirksam vereinbart wird, dass es nahtlos fortgesetzt wird und die übrigen Vertragsbedingungen in keiner Weise geändert werden. Durch diese Beschränkungen ist gewährleistet, dass der betreffende Arbeitnehmer zu den ursprünglichen Bedingungen weiterbeschäftigt wird und gleichzeitig seinen Anspruch auf eine Altersrente behält.

57Somit ist auf die erste und die zweite Frage zu antworten, dass Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die es wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat.

Kosten

58Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, bei Arbeitnehmern, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, das Hinausschieben des Zeitpunkts der Beendigung des Arbeitsverhältnisses von einer befristet erteilten Zustimmung des Arbeitgebers abhängig macht.

2. Paragraf 5 Nr. 1 der am geschlossenen Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Bestimmung nicht entgegensteht, die es wie die, um die es im Ausgangsverfahren geht, den Arbeitsvertragsparteien ohne weitere Voraussetzungen zeitlich unbegrenzt ermöglicht, die vereinbarte Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen der Regelaltersgrenze durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, gegebenenfalls auch mehrfach, hinauszuschieben, nur weil der Arbeitnehmer durch Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Altersrente hat.

Fundstelle(n):
EAAAH-29422