Ungerechtfertigte Annahme einer prozessualen Verwirkung des Klagerechts als Verfahrensmangel
Gesetze: Art 19 Abs 4 S 1 GG, § 78 Abs 1 Nr 1 VwGO, § 132 Abs 2 Nr 3 VwGO, § 133 Abs 3 S 3 VwGO, § 242 BGB
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein Az: 4 LB 42/17 Urteilvorgehend Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Az: 1 A 181/14 Urteil
Gründe
I
1Die Klägerin erlitt im Juli 2012 einen Reitunfall und musste wegen ihrer erlittenen Kopfverletzungen stationär im Krankenhaus behandelt werden. Sie wollte am nächsten Tag das Krankenhaus verlassen, obwohl der behandelnde Arzt wie auch der eingeschaltete Amtsarzt eine weitere stationäre Beobachtung wegen der Möglichkeit lebensbedrohlicher Komplikationen befürworteten. Wegen akuter Eigengefährdung fixierte der Stationsarzt auf Anraten des Amtsarztes die Klägerin mithilfe von zwei Polizeibeamten unter Anwendung von Gewalt auf ihrem Krankenbett und verabreichte ihr ein Medikament. Der Amtsarzt ordnete die vorläufige Unterbringung an. Das Amtsgericht K. ordnete im Beschlusswege am gleichen Tag ihre Unterbringung bis zum darauffolgenden Tag an. Auf die Beschwerde der Klägerin stellte das Landgericht K. die Rechtswidrigkeit dieses Beschlusses fest. Den weiteren Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der vorläufigen Unterbringung verwies das Landgericht an das Verwaltungsgericht, welches die Rechtswidrigkeit durch Urteil feststellte. Ein gegen die Polizeibeamten eingeleitetes Strafverfahren stellte die Staatsanwaltschaft im Juli 2014 ein.
2Im Anschluss daran hat die Klägerin im September 2014 Klage zum Verwaltungsgericht erhoben und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der von den Polizeibeamten angewendeten Gewalt, der Fesselung und der Zwangsmedikation begehrt. Das Verwaltungsgericht hat die für zulässig erachtete Klage als unbegründet abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage wegen Verwirkung des Klagerechts bereits als unzulässig abzuweisen sei. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie sämtliche Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 VwGO geltend macht.
II
3Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem angefochtenen Urteil ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Berufungsentscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Oberverwaltungsgericht. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (unter 1.) oder Divergenz (unter 2.) zuzulassen. Das angefochtene Urteil beruht aber auf einem Verfahrensmangel, der dessen Aufhebung und die Zurückverweisung rechtfertigt (unter 3.).
41. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass die Beschwerde eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung oder des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Auslegungsregeln eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. nur 6 B 43.14 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Ist eine Rechtsfrage bereits bundesgerichtlich beantwortet, kommt die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nur in Betracht, wenn die Beschwerde neue rechtliche Gesichtspunkte aufzeigt, die ein Überdenken der bisherigen Rechtsprechung erforderlich machen (stRspr, vgl. nur 6 B 55.17 - juris Rn. 4 m.w.N.).
5Die Klägerin hält folgende Fragen für grundsätzlich bedeutsam:
- "Ist es mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, wenn das Klagerecht auch in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, bei denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegeben[en] Instanz nicht erlangen kann, verwirkt werden [kann]?"
- "Ist es mit Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar, wenn das Klagerecht in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, bei denen sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegeben[en] Instanz nicht erlangen kann, auch dann verwirkt werden [kann], wenn der Hoheitsakt mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt wird?"
- "Ist es mit Art. 104 Abs. 2 GG vereinbar, wenn das Recht, die Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung durch einen Richter prüfen zu lassen, verwirken kann?"
- "Ist es mit Art. 5 Abs. 4 EMRK vereinbar, wenn das Recht, die Rechtmäßigkeit einer Freiheitsentziehung durch einen Richter prüfen zu lassen, verwirken kann?"
- "Kann ein Klagerecht verwirken, wenn dadurch kein Rechtsfrieden zwischen den Parteien eintritt?"
6Nach Auffassung der Klägerin gebiete Art. 19 Abs. 4 GG bei tiefgreifenden Grundrechtseingriffen die Annahme eines Rechtsschutzinteresses. Insoweit sei noch nicht höchstrichterlich entschieden, ob das so begründete Klagerecht und damit der verfassungsrechtlich verbürgte Richtervorbehalt in Widerspruch hierzu verwirken könnten. Außerdem müsse der Betroffene wissen, ob es zur Wahrung seiner Rechte genüge, sich zunächst auf eine Rechtsschutzmöglichkeit zu beschränken, oder er in diesem Fall Gefahr laufe, ansonsten gegebene Rechtsschutzmöglichkeiten wegen Verwirkung zu verlieren. Dieses Vorbringen rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
7Gesetzlicher Anknüpfungspunkt für das Rechtsinstitut der Verwirkung ist der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Die Verwirkung ist eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes und gilt auch im öffentlichen Recht (stRspr, vgl. 2 C 23.95 - BVerwGE 102, 33 <36> m.w.N. und vom - 2 C 10.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 88 Rn. 18; Beschluss vom - 3 B 24.18 - VRS 134, 157 <159 f.>). Sie ist ein Hauptanwendungsfall des venire contra factum propium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens), wonach ein Recht nicht mehr ausgeübt werden darf, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen ( 3 C 115.71 - BVerwGE 44, 339 <343> und vom - 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 11 f.). Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass auch prozessuale Befugnisse im öffentlichen Recht - wie hier das Recht zur Klageerhebung - verwirkt werden können. Dies ist mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar (stRspr, vgl. - BVerfGE 32, 305 <308 f.>; 2 C 10.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 88 Rn. 18 ff.; Beschluss vom - 1 B 103.17 - juris Rn. 5). Maßgeblich für die Annahme der Verwirkung ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände (vgl. 2 C 10.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 88 Rn. 22). Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass am Maßstab dieser Rechtsprechung für die Beantwortung ihrer Fragen weiterer Klärungsbedarf besteht.
82. Eine die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen genügt nicht den Zulässigkeitsanforderungen (vgl. 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 Rn. 14). Dem trägt die Beschwerde nicht Rechnung.
9Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung den Rechtssatz aufgestellt, dass maßgeblich für die Verwirkung ist, dass die Klägerin unter Verhältnissen untätig geblieben ist, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrnehmung des Rechts unternommen zu werden pflegt, und dadurch eine Situation geschaffen wird, auf die der Beklagte vertrauen, sich einstellen und einrichten darf. Dies entspricht entgegen der Beschwerdebegründung der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, wonach der Verwirkungstatbestand gegeben ist, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (sog. Zeitmoment) und der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung des Rechts unternommen zu werden pflegt (sog. Umstandsmoment); erst dadurch wird eine Situation geschaffen, auf die ein Beteiligter vertrauen, sich einstellen und einrichten darf (sog. Vertrauensmoment; vgl. nur 2 C 10.17 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 88 Rn. 21 m.w.N.). Das Berufungsurteil schließt an die bundesverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung an, wonach die verspätete Geltendmachung des Rechts als Verstoß gegen Treu und Glauben als gegeben angesehen wird, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage), der Verpflichtete ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt werde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 3 B 57.99 - DVBl 2000, 560 <561>, vom - 8 B 23.16 - Buchholz 316 § 41 VwVfG Nr. 8 Rn. 14 und vom - 3 B 24.18 - VRS 134, 157 <159> jeweils m.w.N.).
10Die nach Auffassung der Klägerin ebenfalls vorliegende unzutreffende Annahme der Verwirkung durch das Berufungsgericht genügt nach den eingangs gemachten Ausführungen nicht den Zulassungsanforderungen wegen Divergenz.
113. Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt vor, weil das Berufungsgericht den Verwirkungstatbestand unzutreffend angenommen und aus diesem Grunde nicht zur Sache entschieden hat.
12a) Ein Verfahrensfehler kann darin liegen, dass ein Gericht - sei es auch nur zum Teil - durch Prozessurteil anstatt durch Sachurteil entscheidet. Die Annahme eines solchen Verfahrensfehlers setzt voraus, dass die Vorinstanz die den Verfahrensablauf betreffenden Vorschriften oder die Sachentscheidungsvoraussetzungen einer Klage unzutreffend handhabt und deshalb nicht zur Sache entscheidet. Die Entscheidung muss auf einer fehlerhaften Anwendung der prozessualen Vorschriften beruhen, z.B. einer Verkennung ihrer Begriffsinhalte und der zugrunde zu legenden Maßstäbe (stRspr, vgl. nur 6 B 14.17 - Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 111 Rn. 11 m.w.N.). So verhält es sich hier.
13Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen der Verwirkung des Klagerechts mit folgender Begründung angenommen: Aufgrund der Schwere des Eingriffs durch die Fixierung sei eine zeitnahe Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes zu erwarten gewesen. Der erledigte Eingriff verliere für den Betroffenen im Laufe der Zeit an Bedeutung, während das schutzwürdige Interesse der Behörde an einer abschließenden Klärung zunehme. Der Beklagte habe mit einer Klageerhebung über zwei Jahre nach dem Eingriff nicht rechnen müssen, zumal es sich um einen komplexen Sachverhalt handele, dessen Ermittlung wesentlich von dem Erinnerungsvermögen der Beteiligten abhänge. Angesichts dessen sei dem Beklagten die Rechtsverteidigung nach einem so langen Zeitraum nicht mehr zuzumuten. Die weiteren von der Klägerin eingeleiteten Verfahrensschritte stünden der Annahme der Verwirkung nicht entgegen, da die Klägerin immer wieder längere Zeit untätig geblieben und auch schon vom Landgericht auf eine mögliche Verwirkung hingewiesen worden sei. Der Beklagte habe im Hinblick auf dieses Verhalten darauf vertrauen dürfen, dass die Klägerin in Zukunft nicht weiter gerichtlich gegen die Gewaltanwendung vorgehen werde. Die unterbliebene Belehrung der Klägerin über die Möglichkeit der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes betreffend das Verhalten der Polizeibeamten stehe der Verwirkung nicht entgegen. Zum Zeitpunkt der Einstellung des Strafverfahrens gegen die Polizeibeamten sei das Klagerecht bereits verwirkt gewesen, weshalb die Begründung der Einstellungsverfügung für die Beurteilung des Verwirkungstatbestandes unerheblich sei.
14Diese Begründung trägt die Annahme der Verwirkung nicht. Das Berufungsgericht hat zwar nicht nur auf den reinen Zeitablauf abgestellt (vgl. zu einem derartigen Fall der unzutreffenden Annahme der Verwirkung: 8 C 15.04 - Buchholz 428 § 36 VermG Nr. 9 S. 11 f.). Allerdings fehlt es an besonderen Umständen, die die Erhebung der Klage erst zwei Jahre nach dem Eingriff als treuwidrig erscheinen lassen.
15Offenbleiben kann, ob der Beklagte darauf vertrauen durfte, dass die Klägerin wegen des polizeilichen Handelns keinen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz mehr in Anspruch nehmen werde. Hierfür könnte einerseits sprechen, dass die Stadt K. deren Unterbringung beim Amtsgericht beantragt hat und der Beklagte nicht Partei in den zivilgerichtlichen Verfahren gewesen ist. Andererseits hat die Klägerin zu erkennen gegeben, dass sie das Handeln der Polizeibeamten des Beklagten als rechtswidrig angesehen und deshalb Strafanzeige gestellt hat.
16Selbst wenn man zu Gunsten des Beklagten davon ausgeht, er habe tatsächlich darauf vertraut, dass die Klägerin ungeachtet des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Bezug auf die Gewaltanwendung der Polizeibeamten keinen verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen werde, so ist doch nicht erkennbar, dass ihm durch die verspätete Klageerhebung ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Der Senat teilt nicht die Einschätzung des Berufungsgerichts, die Komplexität des Sachverhalts und die verblassende Erinnerung der beteiligten Personen rechtfertigten einen solchen Nachteil auf Seiten des Beklagten. Es mag Fallgestaltungen geben, in denen aufgrund des Zeitablaufs die Aufklärung des tatsächlichen Geschehensablaufs beeinträchtigt sein kann und einem Beklagten dadurch bei seiner Rechtsverteidigung ein unzumutbarer Nachteil entsteht (vgl. 6 B 75.98 - juris Rn. 4). Dieser Fall ist hier aber nicht gegeben.
17Zum Zeitpunkt der Klageerhebung erwies sich der Geschehensablauf auch in Ansehung der Beteiligtenzahl weder als komplex noch war davon auszugehen, dass das verblassende Erinnerungsvermögen der Beteiligten der gebotenen Sachverhaltsaufklärung entgegenstehen konnte. Der entscheidungserhebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt der zivilgerichtlichen Verfahrensakten, aus den Verwaltungsvorgängen der Stadt K. und nicht zuletzt aus dem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsvorgang, der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auszugsweise vorgelegen hat. Konkrete Anhaltspunkte, die im für die Verwirkung maßgebenden Zeitpunkt der Klageerhebung für unzumutbare Aufklärungs- und Beweisschwierigkeiten zu Lasten des Beklagten sprechen, hat das Berufungsgericht weder festgestellt noch sind sie sonst ersichtlich. Die Annahme des verblassenden Erinnerungsvermögens genügt hierfür angesichts der Gesamtumstände, die bei der Prüfung des Verwirkungstatbestandes in den Blick zu nehmen sind, nicht.
18b) Der Senat macht im Interesse der Verfahrensbeschleunigung von der ihm nach § 133 Abs. 6 VwGO eröffneten Befugnis Gebrauch, das angefochtene Urteil aufzuheben, und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
19Von einer weiteren Begründung hinsichtlich der darüber hinaus geltend gemachten Verfahrensmängel sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Der Senat hält allerdings in Ansehung des Beschwerdevorbringens und des weiteren prozessualen Vorgehens der Klägerin den Hinweis für angezeigt, dass hier entgegen ihrer Auffassung nur ein gegen den Beklagten ergangenes und die Berufungsinstanz abschließendes Urteil vorliegt, auch wenn in der öffentlichen Sitzung des Berufungsgerichts vom nach der Niederschrift das Urteil zwischen der Klägerin und der Polizeidirektion K. verkündet worden ist. Hierbei handelt es sich nicht um ein von dem schriftlich abgefassten Urteil, in dem der Beklagte als Beteiligter aufgeführt ist, zu unterscheidendes Urteil. Die Klägerin übersieht, dass der Gesetzgeber der im Verwaltungsstreitverfahren oft nicht einfachen Feststellung des richtigen Beklagten dadurch Rechnung getragen hat, dass er dessen Bezeichnung in § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO erleichtert hat (vgl. 7 B 158.92 - Buchholz 310 § 91 VwGO Nr. 24). Vor diesem Hintergrund hat der Senat die weitere, erst mit Schriftsatz vom eingelegte und begründete Nichtzulassungsbeschwerde, die sich nach dem Willen der Klägerin gegen das in der öffentlichen Sitzung des Berufungsgerichts vom in der vorliegenden Streitsache zwischen ihr und der Polizeidirektion K. verkündete Urteil richten soll, in sachgerechter Auslegung des Rechtsschutzbegehrens zum hiesigen Verfahren genommen.
204. Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:180719B6B18.19.0
Fundstelle(n):
KAAAH-28675