Instanzenzug:
Gründe
Zur Vorlagefrage
19Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob die Mehrwertsteuerrichtlinie und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens entgegenstehen, nach der der Erwerb von Gegenständen mit einem hohen Anteil an Gold oder anderen Edelmetallen durch ein Unternehmen von Privatpersonen einer von der Mehrwertsteuer verschiedenen indirekten Steuer auf Vermögensübertragungen unterliegt, wenn diese Gegenstände für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens bestimmt sind, das sie zur Verarbeitung und späteren Wiedereinführung in den Handel an Unternehmen der Goldbarren- und Edelmetallerzeugungsbranche weiterveräußert.
20Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie nach ihrem Art. 401 einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, Abgaben auf Versicherungsverträge, Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen, sofern die Erhebung dieser Steuern, Abgaben und Gebühren im Verkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht mit Formalitäten beim Grenzübertritt verbunden ist. Da das Unionsrecht demnach konkurrierende Abgabenregelungen zulässt, können solche Steuern auch dann erhoben werden, wenn dies zu einer Kumulierung mit der Mehrwertsteuer bei ein und demselben Umsatz führt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Caixa d'Estalvis i Pensions de Barcelona, C-139/12, EU:C:2014:174, Rn. 28, und vom , Viking Motors u. a., C-475/17, EU:C:2018:636, Rn. 26).
21Eine am Wortlaut orientierte Auslegung dieser Bestimmung lässt angesichts der in der Wendung „die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben“ enthaltenen negativen Voraussetzung den Schluss zu, dass die Beibehaltung oder Einführung von Steuern, Abgaben und Gebühren durch einen Mitgliedstaat nur unter der Bedingung zulässig ist, dass diese nicht einer Umsatzsteuer gleichkommen (Urteil vom , Viking Motors u. a., C-475/17, EU:C:2018:636, Rn. 27).
22Zwar ist der Begriff „Umsatzsteuer“ weder in Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie noch in einer anderen Bestimmung dieser Richtlinie definiert, es ist aber darauf hinzuweisen, dass dieser Artikel im Wesentlichen mit Art. 33 der Sechsten Richtlinie übereinstimmt (Urteil vom , Viking Motors u. a., C-475/17, EU:C:2018:636, Rn. 28).
23Im Rahmen der Rechtssachen, in denen der Beschluss vom , Renta (C-151/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:662), und das Urteil vom , Caixa d'Estalvis i Pensions de Barcelona (C-139/12, EU:C:2014:174), ergangen ist, hat der Gerichtshof zur Vereinbarkeit einer nationalen Regelung über eine Steuer auf entgeltliche Vermögensübertragungen, die ähnliche Merkmale wie die im Ausgangsverfahren fragliche Steuer aufwies, mit Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie Stellung genommen. Nach einem Hinweis auf die in seiner Rechtsprechung entwickelten vier wesentlichen Merkmale der Mehrwertsteuer – nämlich dass sie allgemein für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte gilt, dass sie ihrer Höhe nach proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält, festgesetzt wird, dass sie auf jeder Produktions- und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe ungeachtet der Zahl der zuvor bewirkten Umsätze erhoben wird und dass die auf den vorhergehenden Produktions- und Vertriebsstufen bereits entrichteten Beträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Mehrwertsteuer abgezogen werden, so dass sich diese Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird – hat er festgestellt, dass sich eine solche Steuer in einer Weise von der Mehrwertsteuer unterscheidet, dass sie nicht als Steuer mit dem Charakter einer Umsatzsteuer im Sinne von Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie eingestuft werden kann (Beschluss vom , Renta, C-151/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:662, Rn. 32 und 45, sowie Urteil vom , Caixa d'Estalvis i Pensions de Barcelona, C-139/12, EU:C:2014:174, Rn. 29).
24Der Gerichtshof hat in diesem Zusammenhang insbesondere festgestellt, dass eine solche Steuer nicht alle sich auf Gegenstände oder Dienstleistungen beziehende Geschäfte in allgemeiner Weise belastet und dass sie nicht im Rahmen eines Produktions- und Vertriebsprozesses erhoben wird, bei dem vorgesehen ist, dass auf jeder Stufe die auf den vorhergehenden Stufen dieses Prozesses bereits entrichteten Beträge abgezogen werden können (vgl. in diesem Sinne Beschluss vom , Renta, C-151/08, nicht veröffentlicht, EU:C:2008:662, Rn. 41 und 43).
25Die dem Gerichtshof vorliegenden Akten enthalten nichts, was die Feststellung zuließe, dass diese Frage im Rahmen der vorliegenden Vorlage zur Vorabentscheidung anders zu beurteilen wäre. Somit ist davon auszugehen, dass sich die Erwägungen zu Art. 33 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie, die der Gerichtshof in den Entscheidungen angestellt hat, die in den Rn. 23 und 24 des vorliegenden Urteils angeführt sind, im Rahmen der vorliegenden Rechtssache auf Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie übertragen lassen.
26Daraus folgt, dass eine Steuer wie die des Ausgangsverfahrens im Sinne von Art. 401 der Mehrwertsteuerrichtlinie nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat.
27Das vorlegende Gericht meint außerdem, dass es den Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuer beeinträchtigen könne, wenn sowohl die im Ausgangsverfahren fragliche Steuer als auch das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gälten.
28Zu diesem in den Erwägungsgründen 4 und 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie enthaltenen Grundsatz ist festzustellen, dass, um Ergebnisse zu vermeiden, die im Widerspruch zu dem mit dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem verfolgten Ziel stehen, das darin besteht, für ein und denselben Umsatz ohne Rücksicht darauf, in welchem Mitgliedstaat er getätigt wird, gleiche Besteuerungsbedingungen zu schaffen, jeder Vergleich der Merkmale einer Steuer wie der des Ausgangsverfahrens mit den Merkmalen der Mehrwertsteuer im Licht dieses Ziels vorzunehmen ist. Dabei ist besonderes Augenmerk auf das Erfordernis zu legen, dass die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems jederzeit gewährleistet sein muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Viking Motors u. a., C-475/17, EU:C:2018:636, Rn. 41).
29Wie die Europäische Kommission zu Recht hervorgehoben hat, schreibt der Grundsatz der steuerlichen Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuer diese Neutralität jedoch nur im Rahmen des mit der Mehrwertsteuerrichtlinie geschaffenen harmonisierten Systems vor. Da es sich im vorliegenden Fall um eine im Rahmen dieser Richtlinie nicht harmonisierte Steuer handelt, kann kein Verstoß gegen die Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems vorliegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Metropol Spielstätten, C-440/12, EU:C:2013:687, Rn. 57).
30Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Mehrwertsteuerrichtlinie und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens nicht entgegenstehen, nach der der Erwerb von Gegenständen mit einem hohen Anteil an Gold oder anderen Edelmetallen durch ein Unternehmen von Privatpersonen einer von der Mehrwertsteuer verschiedenen indirekten Steuer auf Vermögensübertragungen unterliegt, wenn diese Gegenstände für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens bestimmt sind, das sie zur Verarbeitung und späteren Wiedereinführung in den Handel an Unternehmen der Goldbarren- und Edelmetallerzeugungsbranche weiterveräußert.
Kosten
31Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Sechste Kammer) für Recht erkannt:
Die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und der Grundsatz der steuerlichen Neutralität sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der des Ausgangsverfahrens nicht entgegenstehen, nach der der Erwerb von Gegenständen mit einem hohen Anteil an Gold oder anderen Edelmetallen durch ein Unternehmen von Privatpersonen einer von der Mehrwertsteuer verschiedenen indirekten Steuer auf Vermögensübertragungen unterliegt, wenn diese Gegenstände für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmens bestimmt sind, das sie zur Verarbeitung und späteren Wiedereinführung in den Handel an Unternehmen der Goldbarren- und Edelmetallerzeugungsbranche weiterveräußert.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
RAAAH-27238