BSG Urteil v. - B 12 KR 23/10 R

Anforderungen an die Revisionsbegründung - Durchsicht und Prüfung des angefochtenen Urteils durch den Revisionsführer

Gesetze: § 164 Abs 2 S 1 SGG, § 164 Abs 2 S 3 SGG

Instanzenzug: SG Konstanz Az: S 2 KR 947/06 Urteil

Tatbestand

1Die Beteiligten streiten ua darüber, ob bzw inwieweit der Kläger aus den Kapitalzahlungen zweier Lebensversicherungen, die als Direktversicherungen abgeschlossen wurden, Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung zu entrichten hat.

2Der 1942 geborene Kläger bezieht seit dem eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und ist deshalb in der gesetzlichen Kranken- und in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert. Zum wurden ihm aus zwei als Direktversicherungen abgeschlossenen Lebensversicherungen einmalige Kapitalleistungen in Höhe von 2124,89 Euro und 30 571,92 Euro ausgezahlt.

3Mit Bescheiden vom 17.6. und setzte die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) die aus diesen Kapitalleistungen ab zu entrichtenden monatlichen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge fest, indem sie jeweils 1/120 der Kapitalleistungen als beitragspflichtigen monatlichen Zahlbetrag der Versorgungsbezüge berücksichtigte. Der Kläger erhob gegen beide Bescheide Widerspruch und wies ua darauf hin, dass er am aus dem Beschäftigungsverhältnis ausgeschieden sei und die Lebensversicherungen anschließend privat fortgesetzt habe. In einem Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger erneut ihre den Bescheiden zugrunde liegende Rechtsauffassung mit und wies ihn darauf hin, dass seinen Widersprüchen keine aufschiebende Wirkung zukomme. Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch. Mit Widerspruchsbescheid vom wies die Beklagte die Widersprüche zurück.

4Mit Beschluss vom (S 2 KR 2754/05 ER) hat das SG einen Antrag des Klägers auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Beitragsfestsetzung abgelehnt. Der hiergegen eingelegten Beschwerde hat das SG nicht abgeholfen (S 2 KR 468/06 ER-B). Das LSG hat sie mit Beschluss vom (L 5 KR 1148/06 ER-B) zurückgewiesen.

5Mit Urteil vom hat das SG die zwischenzeitlich erhobene Klage abgewiesen und zur Begründung vor allem auf die im einstweiligen Rechtsschutz ergangenen Beschlüsse vom und Bezug genommen. Mit Beschluss vom , dem Kläger zugestellt am , hat das SG die Sprungrevision nachträglich zugelassen. Dem Antrag auf Zulassung der Sprungrevision war vorsorglich eine Berufungsschrift des Klägers beigefügt.

6Der Kläger, der nunmehr erstmals anwaltlich vertreten ist, hat Sprungrevision eingelegt und sein Rechtsmittel mit einem am beim BSG eingegangenen Schriftsatz vom begründet. Darin und in einem späteren Schriftsatz vom trägt er ua vor, dass die Versicherungsnehmereigenschaft zum geändert worden sei.

8Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

9Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

10Der Senat hat den Kläger unter dem und darauf hingewiesen, dass Bedenken bestehen, ob die Revision zulässig ist, und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Gründe

11Die Revision des Klägers ist unzulässig. Er hat sein Rechtsmittel nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Weise begründet.

12Gemäß § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG ist die Revision fristgerecht und unter Einhaltung bestimmter Mindesterfordernisse zu begründen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen bezeichnen, die den Mangel ergeben. In der Revisionsbegründung muss nach ständiger Rechtsprechung (vgl stellvertretend 4a RJ 61/86 - NZA 1987, 716; Urteil vom - 4/11a RA 56/87 - SozSich 1989, 190; Urteil vom - 14a/6 RKa 17/90 - SozR 3-2500 § 106 Nr 12 S 65; Urteil vom - 14a RKa 6/92 - SozR 3-5555 § 15 Nr 1 S 2; Beschluss vom - B 2 U 34/01 R - SozR 3-1500 § 164 Nr 12 S 22; jeweils mwN) sorgfältig sowie nach Umfang und Zweck zweifelsfrei dargelegt werden, weshalb eine Vorschrift des materiellen Rechts von der Vorinstanz nicht oder nicht richtig angewandt worden ist (vgl auch schon - SozR 1500 § 164 Nr 12 S 17). Es ist darzulegen, dass und weshalb die Rechtsansicht der Vorinstanz nicht geteilt wird. Dabei darf die Revisionsbegründung nicht nur die eigene Meinung wiedergeben, sondern muss sich - zumindest kurz - mit den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auseinandersetzen sowie erkennen lassen, dass sich der Revisionsführer mit der angefochtenen Entscheidung befasst hat und inwieweit er bei der Auslegung der dort angewandten Rechtsvorschriften anderer Auffassung ist. Die Revisionsbegründung soll im Interesse der Entlastung des Revisionsgerichts sicherstellen, dass der Revisionsführer das angefochtene Urteil im Hinblick auf einen Erfolg des Rechtsmittels überprüft und hierzu die Rechtslage genau durchdacht hat (vgl hierzu Urteil des Senats vom - B 12 KR 1/05 R - USK 2005-27, mwN). Sie muss somit erkennen lassen, dass der Prozessbevollmächtigte den Prozessstoff selbst geprüft und durchgearbeitet hat (vgl zB - BSGE 7, 35, 39; ferner - für die Begründung im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde - Beschluss vom - 7 BAr 86/91 - SozR 3-1500 § 166 Nr 4 mwN). - Diesen Anforderungen genügt die Revisionsbegründung in dem bis zum Ablauf der Begründungsfrist am eingegangenen Schriftsatz des Klägers vom nicht.

13Die Revisionsbegründung lässt nicht erkennen, dass sie das Ergebnis einer solchen eigenständigen Überprüfung durch den Prozessbevollmächtigten des Klägers ist, für das dieser mit seiner Unterschrift die volle Verantwortung übernimmt. Die Revisionsbegründung entspricht fast unverändert der von dem seinerzeit anwaltlich noch nicht vertretenen Kläger gefertigten Klagebegründung vom , seiner dem SG vorsorglich überreichten Berufungsbegründung vom sowie seiner im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes verfassten Antragsbegründung vom und der Beschwerdebegründung vom . Der Prozessbevollmächtigte hat die Revisionsbegründung zwar mit einem Vorblatt versehen, das seinen Briefkopf trägt, und die letzte Seite unterschrieben. Gleichwohl spricht der mit den genannten Schriftsätzen des Klägers nahezu inhalts- und wortgleiche Text der Revisionsbegründung dafür, dass diese von dem Kläger selbst stammt und von dem Prozessbevollmächtigten ohne eigene Durchsicht und Prüfung des Prozessstoffs lediglich in der Absicht übernommen wurde, dem Kläger Gelegenheit zu geben, alle Prozessmöglichkeiten auszuschöpfen. An dieser Beurteilung ändert auch die unter VI. erstmals vorgenommene Zusammenfassung in der Gestalt eines Fragenkatalogs nichts. Mit der Weiterleitung der nicht weiter geprüften, vom Kläger entworfenen Revisionsbegründung in unveränderter Fassung hat der Prozessbevollmächtigte es dem Revisionsgericht überlassen, das zur ordnungsgemäßen Revisionsbegründung Erforderliche herauszusuchen, was indessen gerade nicht Sache des Revisionsgerichts, sondern des rechtskundigen Prozessbevollmächtigten ist (vgl aaO - S 10, mwN). Soweit es im Einzelfall denkbar ist, dass eine durch einen rechtskundigen Mandanten entworfene Begründung den Erfordernissen genügt, und es im Hinblick auf § 164 Abs 2 Satz 1 und 3 SGG unschädlich ist, wenn der Prozessbevollmächtigte einen solchen Entwurf nur unterzeichnet und die Revisionsbegründung einreicht (vgl aaO - S 10), liegt ein solcher Fall hier nicht vor, weil der Kläger nicht rechtskundig ist.

14Die Revisionsbegründung genügt aber auch inhaltlich den gestellten Anforderungen nicht. Zwar wird das angefochtene in der Begründung erwähnt und seine Aufhebung verlangt. Auch wird auf Seite 12 der Revisionsbegründung vorgetragen, dass das SG "in seiner Urteilsbegründung selbst aus(führt), dass es seine Entscheidung weiterhin für verfassungsgemäß hält, obgleich das Gericht selbst auf die noch ausstehende höchstrichterliche Entscheidung des Bundessozialgerichts unter (B 12 KR 36/06 R) verweist". Eine notwendige Auseinandersetzung mit den Entscheidungsgründen des vorinstanzlichen Urteils, und zwar nach den Kriterien, an denen sich auch die revisionsgerichtliche Überprüfung zu orientieren hat, liegt darin aber nicht. Zwar hat das SG dort seinerseits lediglich auf die im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlüsse vom und (des LSG) vom Bezug genommen. Im Hinblick darauf, dass die Rechtsausführungen des Klägers seit dem auf Erreichen einstweiligen Rechtsschutzes gerichteten Verfahren im Oktober 2005 nahezu unverändert sind, lässt sich aber nicht erkennen, dass er sich mit dem Beschluss des SG und vor allem dem Beschluss des LSG, der insoweit eigenständig begründet ist, befasst hat. Der Kläger hat in der Revisionsbegründung vielmehr lediglich seine eigene - abweichende - Meinung wiedergegeben.

15Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2011:300311UB12KR2310R0

Fundstelle(n):
RAAAH-27157