Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Versäumung der Einlegungsfrist - keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Organisationsverschulden des Rechtsanwalts - unübliche und schwierige Fristberechnung
Gesetze: § 67 Abs 1 SGG, § 160a Abs 1 S 2 SGG, § 224 Abs 1 S 2 ZPO
Instanzenzug: Az: S 10 (13) U 430/07 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 17 U 6/11 Urteil
Gründe
11. Das ist dem Beigeladenen zu 1. am zugestellt worden. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil ist durch den Beigeladenen zu 1. am eingelegt worden. Nach Hinweis auf eine mögliche Fristversäumnis (Verfügung vom ) hat der Beigeladene zu 1. mit Schriftsatz vom beantragt, ihm in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat dazu vorgetragen, die Frist zur Einlegung des Rechtsmittels sei auf den notiert worden, da der in Nordrhein-Westfalen, wo die Kanzlei des Prozessbevollmächtigten ihren Sitz habe, ein Feiertag sei. Die Frist sei allerdings durch eine langjährige und zuverlässige Rechtsanwaltsfachangestellte unzutreffend notiert worden. Bei ihr sei es innerhalb einer zehnjährigen Tätigkeit nicht zur falschen Notierung einer "Notfrist" gekommen. Die Mitarbeiterin der Kanzlei hat an Eides statt versichert, dass sie die Frist notiert und übersehen habe, dass der beim Sitz des BSG kein Feiertag sei. Sie habe es auch unterlassen, der Bürovorsteherin der Kanzlei die Akte zur Fristenkontrolle vorzulegen.
22. Dem Beigeladenen zu 1. ist auf seinen Antrag keine Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren.
3Zwar ist eine Wiedereinsetzung in die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde grundsätzlich möglich (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 160a RdNr 7). Nach § 67 Abs 1 SGG setzt eine Wiedereinsetzung aber voraus, dass jemand ohne Verschulden gehindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, und er die Wiedereinsetzung beantragt. Nach § 67 Abs 2 Satz 2 SGG sind die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft zu machen.
4Vorliegend hat der Beigeladene zu 1. durch seinen Antrag und die zur Glaubhaftmachung vorgelegte eidesstattliche Versicherung nicht überwiegend wahrscheinlich gemacht, dass er ohne Verschulden gehindert war, die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 160a Abs 1 Satz 2 SGG) einzuhalten.
5Zwar darf ein Rechtsanwalt die Berechnung "üblicher und in seiner Praxis häufig vorkommender" Fristen (Routinefristen) qualifizierten Angestellten übertragen ( - SozR 4-1500 § 67 Nr 7). Für besonders wichtige Fristen im Rahmen des sozialgerichtlichen Verfahrens geht die Rechtsprechung aber davon aus, dass der Anwalt selbst die Fristberechnung übernehmen muss (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 67 RdNr 9). Dazu gehört auch die Frist zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde. Sie ist jedenfalls dann vom Rechtsanwalt selbst zu berechnen, wenn wegen des Auseinanderfallens des Bundeslandes, in dem die Kanzlei einerseits und das Gericht andererseits seinen Sitz hat, der Fall einer unüblichen und schwierigen Fristberechnung gegeben ist. Dass der Rechtsanwalt die entsprechende Fristberechnung vorgenommen habe, wird nicht behauptet. Es wird auch nicht wahrscheinlich gemacht, dass die Rechtsanwaltsfachangestellte über das Problem der Fristberechnung bei nicht bundeseinheitlichen Feiertagen unterrichtet gewesen sei. Selbst wenn die Angestellte bisher stets zuverlässig die Eintragung von Notfristen (vgl § 224 Abs 1 Satz 2 ZPO) vorgenommen hat, durfte daraus nicht der Schluss gezogen werden, sie sei auch geeignet und zuverlässig, schwierige und unübliche Fristen zu berechnen.
6Da nicht glaubhaft gemacht ist, dass der Beigeladene zu 1. ohne Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war, ist sein Antrag auf Wiedereinsetzung abzulehnen.
73. Die Beschwerde ist unzulässig.
8Nach § 160a Abs 1 Satz 2 SGG ist die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils einzulegen. Das Urteil wurde dem Beigeladenen zu 1. am zugestellt. Damit lief die Einlegungsfrist mit Ablauf des Donnerstag, d. ab. Zwar ist der in Nordrhein-Westfalen, wo der Prozessbevollmächtigte und der Beigeladene zu 1. ihren Sitz bzw Wohnsitz haben, ein gesetzlicher Feiertag. Maßgeblich ist aber, ob der Tag, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, und dort, wo es einzulegen ist, also nach dem für den Sitz des Gerichts maßgeblichen Recht, ein gesetzlicher Feiertag ist (§ 64 Abs 3 SGG; - SozR 3-1500 § 160a Nr 18). Da dies nicht der Fall ist, ist die Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristgerecht eingelegt worden.
9Da die Beschwerde unzulässig ist, ist sie ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 iVm § 169 SGG). Auf eine weitere Begründung wird verzichtet (§ 160a Abs 4 Satz 2 SGG).
10Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung der §§ 183, 193 SGG.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2012:111212BB2U33312B0
Fundstelle(n):
QAAAH-26236