BSG Beschluss v. - B 6 KA 57/11 B

Vertragsärztliche Versorgung - Gemeinschaftspraxis - Verordnung von Sprechstundenbedarf in unzulässiger Weise - Wirtschaftlichkeitsprüfung - Anerkennung von Vertrauensschutz - Haftung für Verpflichtungen der Gemeinschaftspraxis

Gesetze: § 106 Abs 2 SGB 5, § 98 Abs 2 Nr 13a SGB 5, § 33 Abs 2 Ärzte-ZV, § 242 BGB

Instanzenzug: Az: S 9 KA 242/05 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 11 KA 49/09 Urteil

Gründe

1I. Im Streit stehen Sprechstundenbedarfs(SSB)-Regresse für die Quartale II/1997 bis III/1998.

2Der Kläger war im streitigen Zeitraum mit den Radiologen Dr. P., Sch. und Dr. D. in einer Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) vertragsärztlich tätig. Zum verzichtete der Kläger auf seine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung, blieb aber zunächst als Angestellter in der Gemeinschaftspraxis tätig. Diese - zuletzt aus den Mitgliedern Sch. und Dr. D. bestehend - wurde zum aufgelöst; Praxisnachfolger ist Dr. D. Mit zwei Bescheiden vom setzte der Prüfungsausschuss gegen die Gemeinschaftspraxis einen Regress in Höhe von 1 671 770,75 DM wegen unzulässiger SSB-Verordnungen und in Höhe von 61 152,93 DM wegen unwirtschaftlicher Verordnung von Volon A Ampullen in den Quartalen II/1997 bis IV/1997 sowie einen Regress in Höhe von 1 537 960,77 DM wegen unzulässiger SSB-Verordnungen in den Quartalen I/1998 bis III/1998 fest.

3Die hiergegen erhobenen Widersprüche blieben erfolglos (Bescheid des Beklagten vom ). Im nachfolgenden Gerichtsverfahren hat das SG die von den (ehemaligen) Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis getrennt geführten Verfahren verbunden und das Ruhen des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dem - die Quartale III/1995 bis IV/1996 betreffenden - Parallelverfahren angeordnet. Nach der für die Kläger erfolglosen Beendigung jenes Verfahrens ( - SozR 4-2500 § 106 Nr 6) hat das SG die Streitverfahren der ehemaligen Partner des Klägers (Sch. und Dr. D.) abgetrennt; das Verfahren ist durch einen Vergleich beendet worden, in dem sich Dr. D verpflichtet hat, einen Teilbetrag der Regressforderung (829 453,16 Euro von ursprünglich insgesamt 3 727 137,52 DM = 1 905 655,15 Euro) zu zahlen; die Regressforderung gegenüber den übrigen Gesamtschuldnern sollte hiervon unberührt bleiben. Dr. P. hat die von ihm erhobene Klage zurückgenommen. Die im Verfahren S 9 KA 242/05 verbliebene Klage des Klägers, mit der dieser insbesondere geltend gemacht hat, er könne sich wegen der im Jahr 2001 erfolgten grundlegenden Änderung der Rechtsprechung zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes berufen, ist erfolglos geblieben ( ).

4Das LSG hat ausgeführt, der angefochtene Bescheid des Beklagten sei ungeachtet einer Versäumnis der Antragsfrist rechtmäßig, da dies einer Durchführung und Entscheidung des Prüfverfahrens nicht entgegenstehe. Unerheblich sei auch, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses des angefochtenen Bescheides der Gemeinschaftspraxis nicht mehr angehört habe, da der Beklagte die an der Gemeinschaftspraxis beteiligten Ärzte in der Anschrift im Einzelnen namentlich aufgeführt und den Bescheid jedem von diesen gesondert zugestellt habe. Der Bescheid sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden, da die Gemeinschaftspraxis die beanstandeten Mittel zu Unrecht als SSB verordnet und abgerechnet habe. So seien koaxiale Interventionssets nach den Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen sowie der SSB-Vereinbarung nicht verordnungsfähig; die durch die Verordnung eines "Medrad CT Injector Systems" entstandenen Kosten seien mit der Vergütung/Gebühr für die ärztliche Leistung abgegolten und nicht mehr gesondert abrechenbar. Auch die übrigen Richtigstellungen seien zu Recht erfolgt. Ohne Bedeutung sei, dass der frühere Praxispartner Dr. P. seine Vertretungsbefugnis für die Gemeinschaftspraxis überschritten habe. Schließlich rechtfertige auch der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes keine andere Entscheidung. Die in der Rechtsprechung im Zusammenhang mit der rückwirkenden Korrektur von Honorarbescheiden im Hinblick auf den Vertrauensschutz aufgestellten Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Soweit der Kläger meine, dass das (BSGE 98, 89 = SozR 4-2500 § 85 Nr 31) im Anschluss an die Entscheidung des - BGHZ 154, 370) seine Rechtsprechung zur Rechtsfähigkeit der GbR geändert habe, lasse dies unberücksichtigt, dass es vorliegend - anders als in der BSG-Entscheidung - nicht um Altverbindlichkeiten gehe.

5Mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG) geltend.

6II. Die Beschwerde des Klägers hat keinen Erfolg.

7Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Vorbringen des Klägers, der Rechtssache komme grundsätzliche Bedeutung zu, den Darlegungsanforderungen des § 160a Abs 2 Satz 3 SGG entspricht. Denn die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet, da nicht alle Erfordernisse für die Revisionszulassung erfüllt sind. Diese setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BVerfG <Kammer>, SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14; s auch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 19 S 34 f; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 30 S 57 f mwN). Die Klärungsbedürftigkeit fehlt, falls die Rechtsfrage schon beantwortet ist, ebenso dann, wenn Rechtsprechung zu dieser Konstellation zwar noch nicht vorliegt, sich aber die Antwort auf die Rechtsfrage ohne Weiteres ergibt (zur Verneinung der Klärungsbedürftigkeit im Falle klarer Antwort s zB BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 S 6; BSG SozR 3-2500 § 75 Nr 8 S 34; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; vgl auch BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f), und schließlich auch dann, wenn kein vernünftiger Zweifel an der Richtigkeit der vom LSG dazu gegebenen Auslegung bestehen kann, weil sich die Beantwortung bereits ohne Weiteres aus der streitigen Norm selbst ergibt (vgl hierzu - juris RdNr 4).

11Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG in der bis zum geltenden und hier im Hinblick auf die Klageerhebung vor diesem Zeitpunkt noch maßgeblichen Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2011:141211BB6KA5711B0

Fundstelle(n):
KAAAH-25561