BSG Beschluss v. - B 11 AL 30/16 B

Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - Aufhebung der Entscheidung über die Auferlegung von Mutwillenskosten

Gesetze: § 160a Abs 4 S 1 SGG, § 192 Abs 1 S 1 Nr 2 SGG

Instanzenzug: Az: S 35 AL 1224/14 Gerichtsbescheidvorgehend Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Az: L 18 AL 97/15 Urteil

Gründe

1I. Die Beklagte wandte sich im Ausgangsverfahren mit zwei getrennten Klagen einerseits gegen den Bewilligungsbescheid vom sowie andererseits gegen den gesondert erlassenen Sperrzeitbescheid vom . SG und LSG sahen die zweite (wegen Sperrzeit) erhobene Klage als unzulässig an (zuletzt ). Bewilligungsbescheid und Sperrzeitbescheid bildeten eine rechtliche Einheit, sodass mit der zuerst erhobenen Klage die Sache insgesamt rechtshängig geworden sei. Die zeitlich später erhobene Klage sei wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig.

3Die Klägerin rügt zudem das Vorliegen eines Verfahrensmangels, auf dem das angefochtene Urteil beruhen könne. Das LSG habe ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, indem es eine Prozessentscheidung getroffen und sich nicht materiell mit ihrer Klage auseinandergesetzt habe. Schließlich habe das LSG ihr in dem Urteil Missbrauchskosten auferlegt. Sie beantragt, die Entscheidung des LSG insoweit aufzuheben.

4II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG).

5Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre konkrete Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung (BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 12, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

6Die Klägerin hat nicht in der gebotenen Weise aufgezeigt, dass die von ihr aufgeworfenen Fragen klärungsbedürftig sind. Sie hatte zwar höchstrichterliche Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen dargestellt () und behauptet, diese beantworteten ihre Fragen nicht. Die Klägerin hat sich aber nicht in der gebotenen Weise mit dieser Rechtsprechung auseinandergesetzt. Dazu hätte sie sich mit den dortigen Ausführungen (BSG aaO Juris RdNr 14) beschäftigen müssen, wonach Bewilligungs- und Sperrzeitbescheid sowie die Entscheidung über die Minderung der Anspruchsdauer einheitliche Regelungen darstellten, die ggf insgesamt Gegenstand eines Rechtsstreits würden. Auch hat das BSG diese Auffassung in weiteren Entscheidungen vertieft ( B 7a/7 AL 48/04 R - juris RdNr 12; - SozR 4-4300 § 144 Nr 21; - BSGE 111, 1 ff), mit denen sich die Klägerin nicht befasst hat. Nachdem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt ist, dass Bewilligungsbescheid (mit der Ablehnung der Bewilligung für den Sperrzeitzeitraum), der Sperrzeitbescheid und ggf der Bescheid über die Minderung der Anspruchsdauer eine Einheit bilden, hätte sie darlegen müssen, weshalb die aufgeworfenen Fragen nicht beantwortet sind bzw sich neu stellen. Hieran fehlt es.

7Auch der von der Klägerin gerügte Verfahrensfehler ist nicht formgerecht gerügt worden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die diesen (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 34, 36). Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, dass also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 36).

8Dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegen könnte, wird schon nicht hinreichend deutlich. Das LSG hat sich ausdrücklich mit der Problematik auseinandergesetzt, ob, nachdem die Klage wegen des Bewilligungsbescheids anhängig geworden ist, diese auch den Bescheid über den Eintritt einer Sperrzeit als einheitliche Regelung erfasse, oder ob eine weitere Klage wegen des Sperrzeitbescheids erhoben werden kann. Das LSG ist dann aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - zu dem Ergebnis gelangt, die zeitlich später erhobene Klage sei unzulässig. Das Vorbringen der Klägerin ist vom LSG gehört und gewürdigt worden. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet demgegenüber nicht, dass das Gericht der von ihm wahrgenommenen Rechtsauffassung der Klägerin folgen müsste.

9Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

10Der Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über Mutwillenskosten ist unzulässig. Er ist entsprechend § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG ebenfalls zu verwerfen, weil die Kostenentscheidung eines Urteils im Falle der Verhängung von sog Mutwillenskosten kein selbständiger Teil des Streitstoffs und daher nicht abtrennbar ist (vgl zB BSG SozR 4-1500 § 192 Nr 1; - Juris). Da die Beschwerde zu verwerfen war, kann der Kostenausspruch des LSG nicht (isoliert) geändert werden.

11Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2016:100716BB11AL3016B0

Fundstelle(n):
JAAAH-25411