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BSG Beschluss v. - B 3 KR 19/13 B

Krankenversicherung - Hilfsmittelversorgung - Rollstuhlfahrer - elektrische Brems- und Schiebehilfe - körperlich eingeschränkte Leistungsfähigkeit der konkreten Schiebeperson (hier: der Eltern) - qualitative Erweiterung der persönlichen Freiraums - Erhaltung einer möglichst selbständigen Lebensführung

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 4 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 1, § 33 SGB 1, § 33 Abs 1 S 1 SGB 5, § 9 Abs 1 SGB 9, § 31 Abs 3 SGB 9

Instanzenzug: SG Dresden Az: S 25 KR 175/11 Urteilvorgehend Sächsisches Landessozialgericht Az: L 1 KR 149/12 Urteil

Gründe

1I. Der 1958 geborene Kläger leidet an einem apallischen Syndrom. Er lebt in einer Facheinrichtung für Intensivpflege der Beigeladenen, ist der Pflegestufe III zugeordnet und nicht in der Lage, seinen 30 kg schweren Multifunktionsrollstuhl selbstständig zu nutzen. Die Mutter des Klägers - seine Betreuerin - ist selbst auf einen Rollstuhl angewiesen, sein 1936 geborener Vater kann den Rollstuhl samt Kläger (zusammen fast 100 kg schwer) nach ärztlichem Attest nicht mehr sicher im Außenbereich bewegen. Den Antrag auf Gewährung einer elektrischen Brems- und Schiebehilfe lehnte die Beklagte ab, weil die Bediensteten des Beigeladenen den Schiebedienst verrichten müssten oder aber die Beigeladene derartige Hilfen vorrätig halten müsse. SG und LSG haben die Beklagte zur Gewährung des begehrten Hilfsmittels verurteilt, weil die Beigeladene hierfür nicht zuständig sei und es zudem auf die konkrete - hier: die Eltern des Klägers - und nicht auf eine durchschnittliche Schiebeperson ankomme; da die Eltern den Rollstuhl im Außenbereich nicht mehr sicher bewegen könnten, müsse die Beklagte entsprechend einstehen ( und des ).

2Mit der Beschwerde wendet sich die Beklagte gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und beruft sich auf das Vorliegen von grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht in der durch die §§ 160 Abs 2, 160a Abs 2 SGG normierten Form begründet worden ist. Sie ist deshalb ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§§ 160a Abs 4 S 1, 169 S 1 bis 3 SGG).

41. Die Beklagte macht geltend, die angegriffene Entscheidung betreffe eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, die grundsätzliche Rechtsfrage klar zu formulieren und aufzuzeigen, dass sie über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung besitzt (BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 und BSG SozR 1500 § 160a Nr 39) und dass sie klärungsbedürftig sowie klärungsfähig ist (BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sie also im Falle der Revisionszulassung entscheidungserheblich wäre (BSG SozR 1500 § 160a Nr 54). In der Regel fehlt es an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn diese höchstrichterlich bereits entschieden ist (BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8) oder sich ihre Beantwortung eindeutig aus dem Gesetz ergibt (Krasney-Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, IX. Kap RdNr 65 f mwN). Diese Erfordernisse betreffen die gesetzliche Form iS des § 169 S 1 SGG (so schon BVerfG SozR 1500 § 160a Nr 48). Deren Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

6Diese Entscheidung ist zwar zum Anspruch einer blinden und gehbehinderten Krankenversicherten auf Ausstattung mit einem zweisitzigen Elektrorollstuhl ergangen, wenn die zur Verfügung stehende Hilfsperson selbst gehbehindert ist. Die dort niedergelegten Grundsätze sind aber auch für den vorliegenden Fall beachtlich, denn hier geht es ebenfalls um die "Qualität" einer Hilfeleistung. Deshalb hätte die Beklagte dazu Stellung nehmen und darlegen müssen, welche Bedeutung dieses frühere Urteil des Senats hinsichtlich der hier streitigen Rechtsfrage besitzt und welche Aspekte gleichwohl noch klärungsbedürftig sind. Dies ist nicht geschehen; die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass der damaligen Entscheidung in Rechtsprechung und/oder Literatur in nennenswerter Weise widersprochen worden ist oder neue Gesichtspunkte aufgetaucht sind, die eine erneute revisionsgerichtliche Klärung rechtfertigen könnten.

72. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2013:131113BB3KR1913B0

Fundstelle(n):
PAAAH-25354