BGH Beschluss v. - 5 StR 301/18

Fortgesetzter schwerer sexueller Missbrauch eigener Kinder: Annahme einer Erhöhung des Unrechtsgehalts der Taten mangels Mitleids und wegen der Gefahr einer Übertragung von Geschlechtskrankheiten auf Grund ungeschützten Oral- und Analverkehrs; Beachtung des Doppelverwertungsverbotes bei der Strafzumessung

Gesetze: § 46 Abs 3 StGB, § 176 Abs 1 StGB vom , § 176 Abs 3 StGB vom , § 176a Abs 2 Nr 1 StGB vom

Instanzenzug: Az: 2 Ss 57/18

Gründe

1Das Landgericht hat den unbestraften Angeklagten wegen 63 zum Nachteil seiner Kinder begangener Sexualstraftaten sowie wegen Besitzes kinderpornographischer Schriften (Fall 65) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren und sechs Monaten verurteilt; es hat ferner die Sicherungsverwahrung sowie die Einziehung sichergestellter Tatmittel angeordnet. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

21. Der Senat hat den Schuldspruch dahingehend geändert, dass die in 55 Fällen erfolgte Verurteilung wegen tateinheitlich verwirklichten Herstellens kinderpornographischer Schriften aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift genannten Gründen entfällt. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils insofern keinen den Angeklagten benachteiligenden Rechtsfehler ergeben.

32. Hingegen hat der gesamte Rechtsfolgenausspruch einschließlich der ihm zugrundeliegenden Feststellungen (§ 353 Abs. 2 StPO) keinen Bestand. Insofern bedarf es – abgesehen von der Einziehungsentscheidung (d.) – neuer Verhandlung und Entscheidung.

4a) Die Strafzumessungserwägungen erweisen sich – eingedenk der nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfung – in mehrfacher Hinsicht als rechtsfehlerhaft.

5aa) Soweit das Landgericht den Unrechtsgehalt eines Großteils der abgeurteilten Taten dadurch als erhöht angesehen hat, dass der Angeklagte nicht etwa aus Mitleid mit den eigenen Kindern von der weiteren Tatausführung abgesehen hat, legt es ihm unter Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 46 Abs. 3 StGB) zur Last, die Taten überhaupt verübt zu haben (vgl. , NStZ-RR 2015, 71).

6bb) Im Hinblick darauf, dass die Oral- und Analverkehre jeweils ungeschützt erfolgten, hat das Landgericht in den 61 Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern die Gefahr der Übertragung von Geschlechtskrankheiten als schulderhöhend gewertet. Dieser Umstand ist jedoch nicht belegt. Denn das Landgericht hat nicht festgestellt, dass der – nach den Urteilsgründen seit mehr als 20 Jahren (abgesehen von den Taten) allein mit seiner Ehefrau sexuelle Kontakte pflegende – Angeklagte an einer derartigen Erkrankung litt.

7cc) Schließlich hat das Landgericht in 55 Fällen zu Unrecht straferhöhend berücksichtigt, der Angeklagte habe tateinheitlich den Tatbestand des § 184 Abs. 3 und 4 StGB aF bzw. des § 184b Abs. 1 Nr. 3 StGB verwirklicht.

8b) Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Rechtsfehler auch auf die Höhe der für die Tat 65 verhängten – für sich genommen angemessen erscheinenden – Einzelstrafe ausgewirkt haben. Er hebt daher sämtliche Einzelstrafen und die Gesamtstrafe auf.

9c) Der Wegfall sämtlicher Strafen zieht die Aufhebung der auf § 66 Abs. 2 StGB gestützten Anordnung der Sicherungsverwahrung nach sich.

10d) Der Senat hebt wegen des Wegfalls der Verurteilungen nach § 184b StGB auch die Anordnung der Einziehung diverser Datenträger nebst Zubehör auf. Sie geht zudem ins Leere, nachdem der Angeklagte auf die Rückgabe der bei ihm sichergestellten Speichermedien verzichtet hat (vgl. , NStZ 2018, 333).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:190718B5STR301.18.0

Fundstelle(n):
WAAAH-23869