BAG Urteil v. - 9 AZR 881/16

Urlaubsabgeltung - Neubeginn der Verjährung

Gesetze: § 108 Abs 1 GewO, § 212 Abs 1 Nr 1 BGB, § 242 BGB, § 7 Abs 4 BUrlG

Instanzenzug: ArbG Frankfurt Az: 23 Ca 4933/15 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 6 Sa 12/16 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch um Abgeltung von 169,5 Arbeitstagen Urlaub aus den Jahren 2008 bis 2013.

2Die Beklagte beschäftigte den Kläger vom bis zum als Exportsachbearbeiter. Das Bruttomonatsentgelt des Klägers betrug zuletzt 2.650,00 Euro. Der Arbeitsvertrag der Parteien vom enthält ua. folgende Bestimmung:

3Die dem Kläger erteilten „Lohn-/Gehaltsabrechnungen“ (im Folgenden Entgeltabrechnungen) wiesen in den letzten Jahren unter „U ges VJ“ jeweils den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Beklagte dem Kläger in den Vorjahren nicht gewährt hatte. In der Entgeltabrechnung für den Monat Dezember 2014, die - wie alle übrigen - von einem externen Dienstleister unter Angabe des Namens und der Anschrift der Beklagten erstellt wurde, ist unter „U Rest VJ“ 169,5 angegeben.

4Der Kläger erklärte mit Schreiben vom die Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum .

5Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei infolge einer vertraglichen Absprache verpflichtet, den aus den Jahren 2008 bis 2013 stammenden Resturlaub im Umfang von 169,5 Arbeitstagen abzugelten. Er hat behauptet, der Geschäftsführer der Beklagten habe im Juli 2005 ihm gegenüber erklärt, sein Urlaub werde nicht verfallen. Im Übrigen berechtige eine langjährige Übung im Betrieb der Beklagten die Mitarbeiter, ihren Urlaub nach Ablauf des Kalenderjahres bzw. nach Ablauf des ihm folgenden Übertragungszeitraums zu nehmen. Schließlich handele die Beklagte treuwidrig, wenn sie sich ihm gegenüber auf einen Verfall des Urlaubs berufe.

6Der Kläger hat - soweit für die Revision von Bedeutung - beantragt,

7Die Beklagte, die die Einrede der Verjährung erhoben hat, hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, der Urlaub sei vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verfallen. Sie hat behauptet, ihr Geschäftsführer habe dem Kläger lediglich in Bezug auf ein einzelnes, konkretes Urlaubsjahr, nicht aber generell gestattet, seinen Urlaub zu einem späteren als dem in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichneten Zeitpunkt zu nehmen.

8Das Arbeitsgericht hat die Klage - soweit für die Revision von Bedeutung - abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht ihr insoweit stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Gründe

9Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der Begründung des Landesarbeitsgerichts durfte dem Kläger die Urlaubsabgeltung nicht zugesprochen werden. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht entscheiden, ob dem Kläger zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein Anspruch auf Urlaub im Umfang von 169,5 Arbeitstagen aus den Jahren 2008 bis 2013 zustand, den die Beklagte mit einem Bruttobetrag iHv. 20.731,15 Euro abzugelten hat. Das angefochtene Urteil war deshalb aufzuheben und die Sache nach § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

10I. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerhaft angenommen, die Parteien hätten eine Vereinbarung geschlossen, die den Kläger berechtige, seinen Urlaub außerhalb der in § 8 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags bezeichneten Frist zu nehmen.

111. Das Landesarbeitsgericht hat dem Kläger den erhobenen Abgeltungsanspruch mit der Begründung zuerkannt, die Parteien seien konkludent übereingekommen, der Urlaub, den er im Laufe des Urlaubsjahres nicht in Anspruch nehme, werde fortlaufend auf das Folgejahr übertragen. Das Ausweisen der aufaddierten Urlaubstage in den Entgeltabrechnungen lasse auf einen entsprechenden Vertragswillen der Beklagten schließen. Aufgrund dieser Vereinbarung sei es der Beklagten im Übrigen verwehrt, sich auf die Unwirksamkeit der Vereinbarung zu berufen.

122. Die Begründung des Landesarbeitsgerichts enthält revisible Rechtsfehler.

13a) Die vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen tragen nicht die Annahme, die Beklagte habe im Wege einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung das für Urlaubsansprüche geltende Fristenregime zugunsten des Klägers abändern wollen.

14aa) Der Senat konnte offenlassen, ob es sich bei den Entgeltabrechnungen um typische oder atypische Erklärungen der Beklagten handelt. Ihre Auslegung durch das Landesarbeitsgericht hält auch einer eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Den Entgeltabrechnungen ist nicht zu entnehmen, dass sich die Beklagte dem Kläger gegenüber rechtsgeschäftlich binden wollte.

15bb) Selbst wenn man zugunsten des Klägers unterstellt, die Beklagte müsse sich nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung zur Rechtsscheinvollmacht entwickelt hat (vgl. im Einzelnen  - Rn. 45, BAGE 158, 214), das Verhalten des von ihr mit der Abrechnung der Entgelt- und Urlaubsansprüche betrauten externen Dienstleisters als eigenes zurechnen lassen, fehlt es an einer Willenserklärung der Beklagten, die darauf gerichtet wäre, das im Streitfall maßgebliche Fristenregime abzuändern. Dies gilt sowohl für die gesetzliche Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG als auch für die arbeitsvertragliche Vereinbarung unter § 8 Abs. 2 Satz 3 des Arbeitsvertrags. Die an den Kläger gerichtete Mitteilung, er habe Anspruch auf 169,5 Arbeitstage Urlaub, ist eine Wissenserklärung, die als solche das für Urlaubsansprüche geltende Fristenregime nicht abzuändern vermochte.

16(1) Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als Willenserklärung oder lediglich als Wissenserklärung zu verstehen ist, ist durch Auslegung zu ermitteln. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Vor allem sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen. Diese Grundsätze sind auch anzuwenden bei der Frage, ob ein bestimmtes willentliches Verhalten als Willens- oder bloße Wissenserklärung anzusehen ist (vgl.  - Rn. 17). Eine Entgeltabrechnung stellt regelmäßig lediglich eine Wissens-, nicht aber eine rechtsgestaltende Willenserklärung dar (vgl.  - Rn. 29, BAGE 159, 351). Dies gilt auch für Urlaubsansprüche, die der Arbeitgeber in einer Entgeltabrechnung ausweist. In aller Regel teilt der Arbeitgeber in der Entgeltabrechnung, zu deren Erteilung er unter den in § 108 Abs. 1 GewO genannten Voraussetzungen verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer lediglich die Höhe des Entgelts und den Umfang sonstiger Ansprüche, etwa von Urlaubsansprüchen, mit. Der Mitteilung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen kommt aber regelmäßig nicht der Bedeutungsgehalt zu, der Arbeitgeber wolle den ausgewiesenen Urlaub auch dann gewähren, wenn er ihn nicht schuldet (vgl.  - zu I 4 b bb der Gründe, BAGE 54, 242; so auch  - zu II 2 der Gründe;  - zu II 5 der Gründe;  - zu I 1 b bb der Gründe;  - zu I der Gründe).

17(2) Soweit die Entgeltabrechnungen, die der Kläger in den letzten Jahren erhielt, Urlaubstage ausweisen, handelt es sich um Wissenserklärungen, die als solche die ansonsten bestehende Rechtslage nicht zu ändern vermochten. Besondere Umstände, die nach den oben dargestellten Grundsätzen ausnahmsweise auf einen Geschäftswillen schließen lassen, hat das Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch haben die Parteien solche vorgetragen.

18b) Das Landesarbeitsgericht durfte der Klage auch nicht mit der Begründung stattgeben, es sei der Beklagten nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf einen Verfall des Urlaubs zu berufen.

19aa) Aus § 242 BGB folgt ua. der Grundsatz des Verbots widersprüchlichen Verhaltens („venire contra factum proprium“). Das Verbot widersprüchlichen Verhaltens als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben bildet eine allen Rechten, Rechtslagen und Rechtsnormen immanente Inhaltsbegrenzung (vgl.  - Rn. 16 f. mwN, BAGE 130, 14). Erteilt der Arbeitgeber einem Arbeitnehmer eine Entgeltabrechnung, ist er in der Regel nicht gehindert, in einem Rechtsstreit, in dem der Arbeitnehmer auf abgerechnete Positionen Bezug nimmt, die Richtigkeit der Abrechnung in Abrede zu stellen (vgl.  - Rn. 23, BAGE 152, 315). Nur wenn besondere Umstände hinzutreten, ist die Annahme gerechtfertigt, der Arbeitgeber müsse sich an den Angaben in der Abrechnung festhalten lassen.

20bb) Die Würdigung der Tatsachengerichte, dass bei einer bestimmten Sachlage ein Verstoß gegen § 242 BGB vorliegt, ist in der Revisionsinstanz als Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs nur eingeschränkt überprüfbar. Die Kontrolle durch das Revisionsgericht beschränkt sich darauf, zu prüfen, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt hat, ob es sich bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die maßgebliche Rechtsnorm den Vorgaben von § 286 Abs. 1 ZPO entsprechend mit dem Prozessstoff umfassend auseinandergesetzt hat, seine Würdigung also vollständig und des Weiteren rechtlich möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Rechtssätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt ( - Rn. 37).

21cc) Das Landesarbeitsgericht hat - auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Überprüfung durch den Senat - keine besonderen Umstände festgestellt, die das Verhalten der Beklagten im Streitfall als treuwidrig erscheinen lassen. Der Hinweis des Klägers auf die ihm erteilten Entgeltabrechnungen ist in diesem Zusammenhang nicht erheblich. Der Umstand, dass die Entgeltabrechnungen eine bestimmte Anzahl von Urlaubstagen ausweisen, vermag für sich genommen den Treuwidrigkeitseinwand nicht zu begründen.

22II. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich weder aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO) noch ist die Sache zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

231. Der Klage ist nicht aus anderen Gründen stattzugeben (§ 561 ZPO). Soweit der Kläger geltend gemacht hat, es habe im Betrieb der Beklagten die Übung bestanden, dass der Urlaub der dort beschäftigten Arbeitnehmer an keine Verfallfristen gebunden gewesen sei, hat das Landesarbeitsgericht die tatbestandlichen Voraussetzungen, an die die Annahme einer betrieblichen Übung gebunden ist, weder festgestellt noch sind sie dem Vortrag der Parteien zu entnehmen.

24a) Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus einem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für das Entstehen eines Anspruchs ist, wie die Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen mussten und ob sie auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften. Ob dieser tatsächlich mit einem entsprechenden Verpflichtungswillen gehandelt hat, ist unerheblich. Die Beurteilung, ob eine betriebliche Übung entstanden ist und welchen Inhalt sie hat, unterliegt der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung (vgl.  - Rn. 15 f., BAGE 163, 301).

25b) Soweit der Kläger aus dem Umstand, dass die Entgeltabrechnungen ua. Urlaubsansprüche aus den Vorjahren ausweisen, darauf schließt, die Arbeitnehmer im Betrieb der Beklagten seien berechtigt gewesen, ihren Urlaub ohne Rücksicht auf etwaige Fristen zu nehmen, übersieht er, dass die Eintragungen auf den Entgeltabrechnungen allenfalls einer betrieblichen Handhabung hinsichtlich dieser Eintragungen entsprachen, nicht aber die betriebliche Übung einer tatsächlichen Urlaubsnahme begründeten. Der Kläger hat nicht vorgetragen, ob und gegebenenfalls welchen Arbeitnehmern die Beklagte daraufhin gestattete, Urlaub nach dem 31. März des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres zu nehmen.

262. Auf der Grundlage der vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen ist dem Senat eine Endentscheidung nicht möglich (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Klage ist nicht - auch nicht teilweise - abweisungsreif. Die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger verlangt, waren zu dem Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, nicht verjährt.

27a) Nach § 194 Abs. 1 BGB unterliegen Ansprüche der Verjährung. Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Die Verjährung beginnt erneut, wenn der Schuldner dem Gläubiger gegenüber den Anspruch durch Abschlagszahlung, Zinszahlung, Sicherheitsleistung oder in anderer Weise anerkennt (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB).

28b) Der Streitfall gibt dem Senat keine Veranlassung, darüber zu befinden, ob Urlaubsansprüche der Verjährung unterliegen (ablehnend  - zu II 4 der Gründe, BAGE 81, 328; so auch Leinemann/Linck Urlaubsrecht 2. Aufl. § 7 BUrlG Rn. 229; anders  - Rn. 27; Neumann in Neumann/Fenski/Kühn BUrlG 11. Aufl. § 13 Rn. 78). Selbst wenn man zugunsten der Beklagten davon ausginge, die Vorschriften der §§ 194 ff. BGB wären auf Urlaubsansprüche anzuwenden, griffe die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht durch. Zum Zeitpunkt, zu dem das Arbeitsverhältnis der Parteien endete, waren die aus den Jahren 2008 bis 2013 stammenden Urlaubsansprüche des Klägers nicht verjährt, weil die Verjährung am Tag nach der Erteilung einer jeden Entgeltabrechnung nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB jeweils neu in Lauf gesetzt wurde.

29aa) Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB) begann, die Verjährbarkeit der Ansprüche unterstellt, für die ältesten, aus dem Jahr 2008 stammenden Urlaubsansprüche mit dem Ende des Jahres 2008 (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Verjährung wäre damit mit dem Ablauf des eingetreten.

30bb) Die Beklagte hat die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger begehrt, jedoch vor Ablauf der Verjährungsfrist - nicht im rechtsgeschäftlichen, wohl aber im verjährungsrechtlichen Sinne nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB - anerkannt. Dadurch begann die Verjährungsfrist mit jeder dem Kläger erteilten Entgeltabrechnung neu zu laufen.

31(1) Als Anerkenntnis iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB, der als Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers ( - Rn. 7) den Neubeginn der Verjährungsfrist auslöst, kommt jedes - auch rein tatsächliches (vgl. zu § 208 BGB aF  - zu 3 c aa der Gründe, BAGE 43, 71) - Verhalten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer in Betracht, das darauf schließen lässt, der Arbeitgeber sei sich des Bestehens einer schuldrechtlichen Forderung bewusst (vgl. zu § 208 BGB aF  - zu I 3 der Gründe). Es bedarf weder einer Willenserklärung noch eines gesonderten Bindungswillens des Schuldners (vgl. zu § 208 BGB aF  - zu II 3 a der Gründe). Vielmehr reicht es aus, dass der Schuldner auf irgendeine Weise dem Gläubiger gegenüber schlüssig zum Ausdruck bringt, dass er den Anspruch anerkennt (vgl. zu § 208 BGB aF  - zu 3 c aa der Gründe, BAGE 43, 71 [„tatsächliches Eingeständnis der Schuld“]).

32(2) Ob eine Erklärung des Schuldners die Voraussetzungen eines verjährungsunterbrechenden Anerkenntnisses iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt, ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl.  - Rn. 15). Rechnet der Arbeitgeber Ansprüche gegenüber einem Arbeitnehmer ab, kann hierin - unabhängig davon, dass es im Regelfall an einer rechtsgeschäftlichen Erklärung fehlt - ein tatsächliches Anerkenntnis iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen (vgl.  - Rn. 24, BAGE 146, 123).

33(3) Handlungen eines Dritten, die sich der Arbeitgeber als eigene Handlung zurechnen lassen muss, stehen solchen des Arbeitgebers gleich (so für das Handeln eines Vertreters  - Rn. 18, BGHZ 169, 232). Dies gilt auch in den Fällen, in denen der Arbeitgeber den Rechtsschein setzt, er habe einem Dritten die Befugnis eingeräumt, in seinem Namen einen Anspruch iSd. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anzuerkennen.

34(4) Die Beklagte hat danach die Urlaubsansprüche, deren Abgeltung der Kläger im vorliegenden Verfahren verlangt, durch die ihr nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht zuzurechnende Erteilung der Entgeltabrechnungen iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB anerkannt. Damit begann die Verjährungsfrist für die in den Abrechnungen ausgewiesenen Urlaubsansprüche jeweils neu zu laufen.

35(a) Mit der Erteilung der Entgeltabrechnungen, die der Kläger seit dem Jahr 2008 erhielt, hat die Beklagte ihm gegenüber - rein tatsächlich - zum Ausdruck gebracht, dass Urlaubsansprüche dem Grunde nach und im dort bezeichneten Umfang entstanden sind und nicht erfüllt wurden. Sämtliche Abrechnungen wiesen in den letzten Jahren unter „U ges VJ“ den kumulierten Gesamturlaub aus, den die Beklagte dem Kläger in den Vorjahren nicht gewährt hatte.

36(b) Die Entgeltabrechnungen, die die Beklagte von einem externen Dienstleister unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift erstellen ließ, sind ihr - zumindest nach den Grundsätzen der Rechtsscheinvollmacht - als eigene Erklärung zuzurechnen. Mit der Beauftragung des Dienstleisters, das Entgelt und die Urlaubsansprüche der in ihrem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer unter Angabe ihres Namens und ihrer Anschrift abzurechnen, duldete es die Beklagte, dass der Dienstleister für sie wie ein Vertreter auftrat und damit bei den Arbeitnehmern den Rechtsschein erweckte, er sei bevollmächtigt, die Ansprüche iSv. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB als nicht erfüllt anzuerkennen (vgl. zu den Voraussetzungen der Duldungsvollmacht im Einzelnen  - Rn. 45, BAGE 158, 214).

37III. Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung der Sache die für die Entscheidung des Streitfalls erheblichen Tatsachen festzustellen haben. Dabei wird es Folgendes zu beachten haben:

381. Nach der neueren Rechtsprechung des Senats kann der Urlaub gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG in der Regel nur verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Kalenderjahres oder Übertragungszeitraums erlischt. Dies gebietet die richtlinienkonforme Auslegung des Bundesurlaubsgesetzes (vgl. im Einzelnen  - Rn. 16, 39 ff.). Das Landesarbeitsgericht wird nach der Zurückverweisung der Sache den Parteien diesbezüglich rechtliches Gehör zu gewähren und sodann aufzuklären haben, ob die Beklagte ihren Mitwirkungsobliegenheiten im Streitfall nachgekommen ist.

392. Sollte die Beklagte diesen Mitwirkungsobliegenheiten genügt haben, wäre das Landesarbeitsgericht gehalten aufzuklären, ob die Parteien - wie vom Kläger behauptet - im Jahr 2005 eine Vereinbarung bezüglich des Verfalls von Urlaub geschlossen haben und gegebenenfalls welchen konkreten Inhalt diese Absprache hat. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die grundrechtlich verbürgte Vertragsfreiheit den Parteien des Arbeitsvertrags zwar nicht erlaubt, gesetzlich zwingende Urlaubsbestimmungen abzubedingen oder zum Nachteil des Arbeitnehmers zu modifizieren (§ 13 Abs. 1 BUrlG). Das Gesetzesrecht des Bundesurlaubsgesetzes schließt aber nicht aus, dass die Parteien neben den bestehenden gesetzlichen Rechten vertragliche Ansprüche begründen. So steht es dem Arbeitgeber frei, mit dem Arbeitnehmer eine Vereinbarung zu treffen, die ihn verpflichtet, verfallenen Urlaub nachzugewähren. Gleiches gilt für eine Vereinbarung, die nicht die (Nach-)Gewährung verfallenen Urlaubs, sondern dessen Abgeltung vorsieht (vgl.  - Rn. 21).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:190319.U.9AZR881.16.0

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 1843 Nr. 32
NJW 2019 S. 10 Nr. 33
NJW 2019 S. 2640 Nr. 36
NWB-Eilnachricht Nr. 34/2019 S. 2481
StuB-Bilanzreport Nr. 18/2019 S. 728
SAAAH-23506