Einkommensteuer | Kein Verbrauch des ermäßigten Steuersatzes des § 34 Abs. 3 EStG (FG)
Ein Verbrauch liegt bei einer nur einmal zu gewährenden Steuerermäßigung nach § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG bei fehlendem Veräußerungsgewinn und folglich fehlendem Wahlrecht trotz fehlerhafter Gewährung der Ermäßigung durch das Finanzamt ohne Antrag der Kläger nicht vor (; Revision anhängig, BFH-Az. VIII R 2/19).
Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte im Sinne des Absatzes 2 Nummer 1 enthalten, so kann auf Antrag abweichend von Absatz 1 die auf den Teil dieser außerordentlichen Einkünfte, der den Betrag von insgesamt 5 Millionen Euro nicht übersteigt, entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz bemessen werden, wenn der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr vollendet hat oder wenn er im sozialversicherungsrechtlichen Sinne dauernd berufsunfähig ist, § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG.
Sachverhalt: Der Kläger schied zum aus einer Gemeinschaftspraxis aus und erzielte einen nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG begünstigten Veräußerungsgewinn von gut 1 Mio €. Zum war bereits C aus der Gemeinschaftspraxis ausgeschieden. In 2006 erhielt die Gemeinschaftspraxis eine Sonderzahlung der Kassenärztlichen Vereinigung in Höhe von rund 80.000 €, die unter § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG fiel. Diese wurde in der Feststellungserklärung der Gemeinschaftspraxis entsprechend erklärt. Der Feststellungsbescheid erging am erklärungsgemäß und stellte für den Kläger den Betrag von runf 40.000 € als "tarifbegünstigte Einkünfte i.S.d. § 24 Nr. 1 und 3 EStG bzw. § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 EStG" fest.
In der ESt-Erklärung 2006 erklärte der Kläger u.a. bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit in der Zeile 52 unter „Sonstiges“ einen begünstigten Gewinn nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 bis 5 EStG von 40.000 €. Eintragungen in den Zeilen 44 bis 51, in denen Angaben zu Veräußerungsgewinnen zu erklären sind, wurden nicht vorgenommen, insbesondere wurde weder der Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG (Zeile 44) noch die Gewährung des ermäßigten Steuersatzes (Zeile 46) beantragt.
Fehlerhaft ging das Finanzamt bei der Auswertung der Mitteilung über die anteiligen Einkünfte von einem anteiligen „Veräußerungsgewinn“ aus, wies ihn im ESt-Bescheid 2006 bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit gesondert aus und gewährte (ohne entsprechenden Antrag des Klägers) den ermäßigten Steuersatz gemäß § 34 Abs. 3 EStG. Diese Fehler waren erkennbar. Der steuerliche Vorteil betrug rund 8.000 €. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am erließ das Finanzamt den ESt-Bescheid 2016, ohne die Ermäßigung aufgrund des § 34 Abs. 3 Satz 4 EStG zu berücksichtigen, weil diese bereits 2006 verbraucht gewesen sei. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt:
Der ermäßigte Steuersatz nach § 34 Abs. 3 EStG ist durch die vom Finanzamt fehlerhafte Gewährung in 2006 nicht verbraucht.
Der BFH hat zwar entschieden, dass eine antragsgebundene Steuervergünstigung, die dem Steuerpflichtigen nur einmal gewährt werden kann, für die Zukunft auch dann "verbraucht" ist, wenn die Vergünstigung vom Finanzamt zu Unrecht gewährt worden ist, insbesondere ein erforderlicher Antrag vom Steuerpflichtigen nicht gestellt worden ist ( zu § 34 Abs. 3 EStG, s. hierzu StuB 4/2016 S. 159) und der Steuerpflichtige das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (, BStBl II 2009, 963 zu § 16 Abs. 4 EStG).
Entscheidend ist dem BFH zufolge allein, dass sich die Vergünstigung auf die frühere Steuerfestsetzung ausgewirkt hat und sie dort nicht mehr rückgängig gemacht werden kann ().
Wenn der Steuerpflichtige sich die Möglichkeit vorbehalten will, die Vergünstigung in einem späteren Jahr in Anspruch zu nehmen, muss er die Steuerfestsetzung anfechten, in der ihm die Vergünstigung zu Unrecht gewährt worden ist.
Das FG geht davon aus, dass auch angesichts dieser Entscheidungen im Streitfall nicht von einem Objektverbrauch auszugehen ist, weil in 2006 kein Veräußerungsgewinn erzielt, folglich kein "verbrauchsfähiges Objekt" vorgelegen hat und der Kläger kein Steuerpflichtiger im Sinne des § 34 Abs. 3 Satz 1 EStG gewesen war.
Er hatte damit kein Wahlrecht nach § 34 Abs. 3 EStG (wie es auch in § 34 Abs. 3 Satz 5 EStG für den Fall mehrerer Veräußerungsgewinne in einem Jahr explizit ausgeführt wird) und hatte dieses auch nicht "unberechtigt" beantragt.
Das FG hat die Revision zum BFH zugelassen, dort ist das Verfahren inzwischen unter dem Az. VIII R 2/19 anhängig.
Quelle: Schleswig-Holsteinisches FG, Newsletter II 2019 (il)
Fundstelle(n):
NWB RAAAH-23473