BAG Beschluss v. - 1 ABR 43/17

Vorlageanspruch des Betriebsrats bei Personalplanung

Gesetze: § 92 Abs 1 S 1 BetrVG, § 80 Abs 2 S 2 Halbs 1 BetrVG, § 92 Abs 2 BetrVG, § 92 Abs 3 BetrVG, § 80 Abs 1 Nr 2b BetrVG, § 80 Abs 1 Nr 8 BetrVG, § 90 Abs 1 Nr 3 BetrVG, § 138 ZPO, § 92a BetrVG

Instanzenzug: Az: 29 BV 311/15 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 2 TaBV 5/16 Beschluss

Gründe

1A. Die Beteiligten streiten über die Vorlage von Unterlagen.

2Die Arbeitgeberin ist ein Unternehmen der Automobilindustrie. In ihrem Betrieb „Zentrale“ mit ca. 14.000 Mitarbeitern ist der zu 1. beteiligte Betriebsrat gebildet. In diesem Betrieb gibt es unter der Vorstandsebene vier Hierarchieebenen. Die Ebene 1 bilden die E1-Leiter (Direktoren), die Ebene 2 die ca. 179 Bereichsleiter, die Ebene 3 die ca. 850 Abteilungsleiter und die Ebene 4 die ca. 2700 Teamleiter.

3Im Unternehmen ist der zu 3. beteiligte Gesamtbetriebsrat errichtet; er wird von der Arbeitgeberin in die unternehmensweite Personalplanung einbezogen.

4Die Arbeitgeberin ist kraft Mitgliedschaft im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. - Südwestmetall - an die Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg - ua. an den am eingeführten Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV) - gebunden. Die Einstufung der Arbeitnehmer in eine der 17 Entgeltgruppen des ERA-TV richtet sich nach bewerteten Arbeitsaufgaben, die im Anhang zum ERA-TV dokumentiert sind. Begleitend zur Einführung des ERA-TV schlossen die Arbeitgeberin und der Gesamtbetriebsrat mehrere Gesamtbetriebsvereinbarungen, ua. die am neu gefasste „Gesamtbetriebsvereinbarung zum Vergütungssystem in den Werken und Zentralbereichen der D AG“. Diese gilt für alle Beschäftigten in den Werken und Zentralbereichen der Arbeitgeberin mit Ausnahme der Führungskräfte der Ebenen 1 bis 4. In einer Protokollnotiz zu ihr ist niedergelegt, dass die Vergütungsentwicklung der Mitarbeiter zukünftig in einem ganzheitlichen Führungs- und Vergütungsprozess (gFVP) diskutiert werden soll. Hierbei handelt es sich um einen jährlichen vom Personalbereich der Arbeitgeberin gesteuerten Einkommensüberprüfungsprozess, dessen Ziel in erster Linie ist, die Vergütungsparameter für die Beschäftigten (tarifliches Grundentgelt, tarifliches Leistungsentgelt, übertarifliche Zulage und ggf. Belastungszulage) im Rahmen einer Einkommensüberprüfung anzupassen. Für die Durchführung des gFVP wird als Instrument zur Vergütungsplanung für Führungskräfte das IT-Tool ERAeCon verwendet.

5In diesem Zusammenhang spielen als „Steuerungsgrößen“ sogenannte Musterbetriebe und Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte eine Rolle. Ein Musterbetrieb ist ein virtueller und lediglich zu Planungszwecken geschaffener „perfekter, idealer Betrieb“, dem Standardaufgabenbeschreibungen oder - grundsätzlich auch standort- und betriebsübergreifend - Funktionsprofile (sog. Jobfamilien oder Fachketten) zugeordnet sind. Bei der Arbeitgeberin sind 40 bis 50 solcher Musterbetriebe gebildet. Die ausgehend von einem Musterbetrieb festgelegten Sollstrukturen werden im Planungsprozess der Arbeitgeberin - in der Regel auf der Ebene 2, bei großen Einheiten auf der Ebene 3 - auf die in ihren Standorten real existierenden Fachbereiche unter Berücksichtigung bereichsspezifischer Besonderheiten übertragen und Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte gebildet.

6Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Bildung der Entgeltgruppendurchschnitte und der hierzu durchgeführte Prozess seien Personalplanung, hinsichtlich derer er anhand von Unterlagen zu unterrichten sei. Grundsätzlich sei - auch aus unionsrechtlichen Gründen - die Unterrichtung einer Interessenvertretung der Arbeitnehmer über die Personalplanung sehr weit zu verstehen. Die Vorgesetzten der einzelnen Bereiche müssten sich an den Soll-Entgeltgruppendurchschnitten orientieren und entsprechende Veränderungen im Zusammenhang mit Einstellungen und Umstufungen vornehmen, wenn der Ist-Entgeltgruppendurchschnitt abweiche. Jedenfalls bestehe ein faktischer Handlungsdruck. Die Vorgaben der Arbeitgeberin hätten somit Einfluss auf die konkrete Personalplanung.

7Der Betriebsrat hat zuletzt - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - beantragt,

8Der in der Beschwerdeinstanz vom Landesarbeitsgericht als Beteiligter angehörte Gesamtbetriebsrat hat sich dem Vorbringen des Betriebsrats angeschlossen und im Übrigen geltend gemacht, die Vorlageansprüche stünden ihm gleichermaßen zu. Mit der Festlegung der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte seien Entscheidungen über Neueinstellungen, Versetzungen, Qualifizierungen und Höher- bzw. Rückgruppierungen verbunden, denn die jeweiligen Führungskräfte betrachteten die Soll-Werte nicht als unverbindliche Vorgaben. Es handele sich in der Sache um Personalkostenplanung.

9Der Gesamtbetriebsrat hat zuletzt beantragt,

10Die Arbeitgeberin hat beantragt, die Anträge des Betriebsrats und des Gesamtbetriebsrats abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, dem Betriebsrat stünde kein Anspruch auf Vorlage der Unterlagen zu den Musterbetrieben zu. Diese bezögen sich als Parameter allenfalls auf der Personalorganisation und der eigentlichen Personalplanung vorgelagerte Strukturen zur Steuerung der Wertigkeit einzelner Funktionsbereiche. Auch die Festlegung der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte stelle keine Personalplanung, sondern eine unverbindliche Analyse dar. Mit ihnen werde den Führungskräften eines Fachbereichs lediglich ein Anhaltspunkt gegeben, wie sie die einzelnen Aufgaben auf die Mitarbeiter verteilen können und ob sie sich mit der Ist-Wertigkeitsstruktur noch in der vorgegebenen Soll-Struktur befinden. Die Frage, ob und ggf. welche personellen Konsequenzen aus eventuellen Differenzen zwischen Soll- und Ist-Entgeltgruppendurchschnitt in einem Bereich gezogen werden, würde erst nachfolgend entschieden.

11Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht - unter ihrer Zurückweisung im Übrigen - dem Antrag zu 1. des Betriebsrats stattgegeben und die Anträge des Gesamtbetriebsrats abgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die vollumfängliche Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Betriebsrat mit seiner Rechtsbeschwerde an seinem zweiten Hauptbegehren und den hierzu gestellten Hilfsanträgen ebenso festhält wie der Gesamtbetriebsrat mit seiner Rechtsbeschwerde an seinen Anträgen.

12B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hat Erfolg, während die Rechtsbeschwerden des Betriebsrats und des Gesamtbetriebsrats erfolglos sind. Die zulässigen Hauptanträge des Betriebsrats und des Gesamtbetriebsrats sind unbegründet. Die vom Betriebsrat und vom Gesamtbetriebsrat hilfsweise angebrachten Begehren fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an.

13I. Die Anträge zu 1. und zu 2. des Betriebsrats sind zulässig, aber unbegründet.

141. Mit ihnen verfolgt der Betriebsrat zulässig angebrachte Begehren.

15a) Die Anträge sind auslegungsbedürftig.

16aa) Nach ihrem inhaltlichen Verständnis begehrt der Betriebsrat mit dem Antrag zu 1. das Zurverfügungstellen von Unterlagen zum Abgleichergebnis der (virtuellen) Mustereinheiten mit den (tatsächlichen) Bereichen im Betrieb „Zentrale“. Das Verlangen bezieht sich auf alle Unterlagen über die oder zu den konkret festgelegten Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitten. Der Antrag zu 2. meint demgegenüber die spezifischen Unterlagen zu den Mustereinheiten und zu deren Bildung. Für dieses Verständnis beider Anträge spricht, dass der Betriebsrat zur Begründung seiner Begehren sowie vor allem zur Begründung seiner Beschwerde gegen die antragsabweisende erstinstanzliche Entscheidung betont hat, er werde - aus seiner Sicht zu Unrecht - darüber im Unklaren gelassen, welchen Umfang die „Soll- und Ist-Entgeltgruppendurchschnitte in den einzelnen Bereichen haben“ (Antrag zu 1.) und „wie sich die Musterbetriebe zusammensetzen“ (Antrag zu 2.).

17bb) Mit beiden Anträgen erstrebt der Betriebsrat im Übrigen die „Vorlage“ von Unterlagen, deren Art und Weise er im Antrag zu 1. als „Zurverfügungstellung“ - also eine zeitweise Überlassung - angibt, und beim Antrag zu 2. hilfsweise als „Einsichtsgewährung“ näher konkretisiert. Auch die Zeitpunkte der begehrten Vorlage werden - zum einen auf „jährlich“ bezogen und zum anderen mit Bezug zum Datum der Durchführung der Umsetzungskonferenzen „Führung und Vergütung“, was beim Antrag zu 2. wiederum in ein Haupt- und Hilfsverhältnis gesetzt wird - näher benannt.

18b) In dieser Auslegung begegnen den Hauptanträgen keine Zulässigkeitsbedenken. Sie sind insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.

192. Beide Anträge sind unbegründet. Dem Betriebsrat steht kein Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Vorlage der streitgegenständlichen Unterlagen zu.

20a) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die Unterlagen zur Eruierung und Bildung von Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitten (Antrag zu 1.), die ihrerseits ua. auf musterbetriebsbezogenen Kennzahlen beruhen (Antrag zu 2.), sind keine Unterlagen der Personalplanung iSv. § 92 Abs. 1 BetrVG.

21aa) Nach § 92 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die Personalplanung, insbesondere über den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf, anhand von Unterlagen rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Der Unterrichtungsgegenstand „Personalplanung“ ist - darauf deutet schon der Wortlaut von § 92 Abs. 1 BetrVG („insbesondere“) hin - auf ein nicht zu enges Verständnis angelegt. Er umfasst jede Planung, die sich auf den gegenwärtigen und künftigen Personalbedarf in quantitativer und qualitativer Hinsicht und dessen Deckung in zeitlicher und örtlicher Hinsicht, also auf den abstrakten Einsatz der personellen Kapazität im weitesten Sinn, bezieht, und betrifft daher Kategorien wie die Personalbedarfsplanung, die Personaldeckungsplanung, die Personalentwicklungsplanung und die Personaleinsatzplanung (vgl.  - Rn. 13 mwN; ebenso Fitting 29. Aufl. § 92 Rn. 9; HaKo-BetrVG/Schulze-Doll 5. Aufl. § 92 Rn. 8). Ob auch die - im betriebswirtschaftlichen Sinn zur Personalplanung gerechnete (vgl. zB Wagner/Seisreiner Praxishandbuch Personalmanagement 1. Aufl. S. 27) - Personalkostenplanung dazu zählt, ist umstritten (dafür Fitting § 92 Rn. 20; DKKW-Homburg 16. Aufl. § 92 Rn. 33; Fischer/Reihsner Betriebliche Personalpolitik S. 112; Rumpff/Boewer Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten 3. Aufl. Teil E Rn. 27; dagegen Raab GK-BetrVG 11. Aufl. § 92 Rn. 19; H/W/G/N/R/H-Rose 10. Aufl. § 92 Rn. 67; Hetzel Die Beteiligung des Betriebsrats an der Personalplanung Diss. 1975 S. 104 ff.; diff. Richardi/Thüsing BetrVG 16. Aufl. § 92 Rn. 15). Im allgemeinen Sinn meint „Planung“ jedenfalls den Prozess des Festlegens von Zielen und des Formulierens von Methoden, Strategien und Vorgehensweisen, um diese zu erreichen.

22bb) Die in § 92 BetrVG geregelten Verpflichtungen des Arbeitgebers, aus denen entsprechende Ansprüche des Betriebsrats resultieren, sollen nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers sicherstellen, dass „der Betriebsrat bereits zu einem möglichst frühen Zeitpunkt über die personelle Situation des Betriebs und deren Entwicklung umfassend an Hand von Unterlagen unterrichtet wird und mit ihm die Maßnahmen sowie die Vorsorge zur Vermeidung von Härten für die Arbeitnehmer beraten werden“. Die Mitwirkung soll „bei den allgemeinen personellen Grundsatzentscheidungen, die die Grundlagen für personelle Einzelentscheidungen bilden, eingeräumt“ werden, weil „[h]iervon … eine bessere Objektivierung und bessere Durchschaubarkeit sowohl der allgemeinen Personalwirtschaft als auch der personellen Einzelentscheidungen erwartet werden“ kann (BT-Drs. VI/1786 S. 50). Der Beteiligungsgegenstand ist damit von dem bei konkreten personellen Einzelmaßnahmen abzugrenzen und bezieht sich - insofern auf einer abstrakteren und vom konkreten Arbeitnehmer „losgelösten“ Ebene - auf die Prozesse der gedanklichen Vorwegnahme künftigen Personalgeschehens (vgl. auch Fitting 29. Aufl. § 92 Rn. 17).

23cc) Eine von diesem Normverständnis abweichende - weitergehende - Interpretation des in § 92 BetrVG verwandten Begriffs Personalplanung folgt entgegen der Auffassung des Betriebsrats nicht aus unionsrechtlichen Erwägungen. Ungeachtet eines unionsrechtlichen Bezugspunktes bedingen die mit Art. 4 Abs. 2 Buchst. b und Buchst. c der Richtlinie 2002/14/EG vorgegebenen (Mindest-)Modalitäten und Inhalte der Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmer(-vertreter) kein grundsätzlich anderes und auf jegliche organisatorische Entscheidungen des Arbeitgebers bezogenes Unterrichtungsrecht des Betriebsrats.

24dd) Hiervon ausgehend betreffen die Unterlagen zur „Steuerung der betrieblichen Kennzahlen der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte“ (Antrag zu 1.) sowie zu den - gedanklichen - „Musterbetrieben“ (Antrag zu 2.) keine personalplanerischen Belange. Sie sind auch nicht der Personalkostenplanung zuzurechnen.

25(1) Nach den Feststellungen im angefochtenen Beschluss bestehen zum einen schon keine Anhaltspunkte dafür, dass es in der Folge des Festlegungsprozesses aufgrund der in Unterlagenform verlangten Kennzahlen - jenseits einer Verbindlichkeit der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte für die Führungskräfte - überhaupt zu personellen Planungen in Bezug auf einzelne oder mehrere Arbeitnehmer - etwa in Bezug auf ihre Qualifikation oder hinsichtlich grundentgeltrelevanter Umstufungen - oder auch nur zu Auswirkungen auf deren leistungsbezogene Vergütungsbestandteile kommt. Solange ein Arbeitgeber aber (nur) wissen will, ob überhaupt ein Handlungsbedarf - bezogen auf kollektiv-planerische Personalmaßnahmen - besteht, oder er (nur) ermittelt, welche Handlungsspielräume ihm diesbezüglich zur Verfügung stehen, erreichen weder seine Überlegungen noch die entsprechenden Ermittlungen das Stadium der Personal„planung“ (vgl. dazu  - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 66, 186). Die begehrten Unterlagen betreffen allenfalls Parameter, die ggf. noch vorzunehmende Planungen auslösen können.

26(2) Zum anderen haben die Kennzahlenermittlungen und -ansätze der Arbeitgeberin weder einen personalplanerischen Kapazitätsbezug noch einen entsprechenden Ressourcen- oder Kostenbezug. Die streitbefangenen Unterlagen beziehen sich auf Parameter, die lediglich der Abbildung einer in Entgeltgruppen ausgedrückten Wertigkeit für einzelne Bereiche oder Funktionsprofile dienen. Mit diesen werden nicht personalwirtschaftliche Handlungsbedarfe eruiert, geplant oder vorstrukturiert, wenngleich durch die Steuerungsgröße des Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitts - worauf das Landesarbeitsgericht zutreffend verwiesen hat - ggf. faktisch konkrete personelle Einzelmaßnahmen gefördert oder auch verhindert werden. Ausgehend von dem Modell des virtuellen Musterbetriebs legt die Arbeitgeberin fest, welcher Bereich mit welcher - sich nach dem ERA-Tarifsystem in (Grund-)Entgeltgruppen ausdrückenden - Arbeitsaufgabenwertigkeit versehen ist; zum Teil erfolgt dabei auch eine Zusammenfassung zu sog. Jobfamilien. Das beinhaltet nach den insoweit nicht angegriffenen und den Senat damit bindenden (§ 559 Abs. 2 ZPO) Feststellungen des Landesarbeitsgerichts keine Ansätze zur Ermittlung eines quantifizierten oder qualifizierten Personalbedarfs oder zu Personalkosten. Das Beschwerdegericht hat vielmehr ausdrücklich festgestellt, dass den Musterbetrieben Standardaufgabenbeschreibungen oder Funktionsprofile zugewiesen sind. Die analytische Kennzahl des „Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitts“ ist daher - ggf. nach Anpassung aufgrund bereichsspezifischer Besonderheiten - Steuerungsansatz für die Bereichsleiter der Ebene 2 bezogen auf das Grundentgelt; auch bietet sie Orientierung für die durchschnittliche Wertigkeit eines bestimmten Bereichs oder bestimmter Funktionen bzw. Fachketten (Jobfamilien). Damit dient sie wie der gesamte gFVP dem Controlling der Grundentgelte, was die Wertstruktur und allenfalls Vorstufen von hieraus - nicht zwingend - folgenden planerischen Dispositionen zu Personalmengen, Personalqualifizierungen oder Personalkosten betrifft.

27b) Die mit den Hauptanträgen verfolgten Vorlageverlangen sind nicht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 iVm. § 92 Abs. 2 BetrVG begründet.

28aa) Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und ihm nach Satz 2 Halbs. 1 der Bestimmung auf Verlangen die dazu erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Hieraus folgt ein entsprechender Anspruch des Betriebsrats, soweit die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist. Anspruchsvoraussetzung ist damit zum einen, dass überhaupt eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist, und zum anderen, dass im Einzelfall die begehrte Information zur Wahrnehmung dieser Aufgabe erforderlich ist. Dies hat der Betriebsrat darzulegen. Erst anhand dieser Angaben können der Arbeitgeber und im Streitfall die Gerichte für Arbeitssachen prüfen, ob die Voraussetzungen der Vorlagepflicht vorliegen ( - Rn. 34, BAGE 139, 25).

29bb) Nach diesen Grundsätzen bestehen die mit den Anträgen zu 1. und zu 2. geltend gemachten Vorlageansprüche nicht. Es kann dabei zu Gunsten des Betriebsrats unterstellt werden, dass er seine Begehren auf sein Vorschlagsrecht nach § 92 Abs. 2 BetrVG zu stützen vermag. Er hat aber nicht dargetan, dass die „Unterlagen zur Steuerung der betrieblichen Kennzahlen der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitte“ und zu den „Musterbetrieben“ für die Erledigung dieser Aufgabe erforderlich sind.

30(1) Nach § 92 Abs. 2 BetrVG kann der Betriebsrat dem Arbeitgeber Vorschläge für die Einführung einer Personalplanung und deren Durchführung machen. Hierzu gehören auch solche zur Änderung einer bestehenden und vom Arbeitgeber praktizierten Personalplanung (vgl.  - zu B II 2 der Gründe). Es zählt aber nicht zu den Aufgaben des Betriebsrats, neben dem Arbeitgeber eine „originäre“ Personalplanung durchzuführen ( - Rn. 21).

31(2) Der Betriebsrat hat nicht hinreichend dargelegt, dass die Vorlage der erstrebten Unterlagen erforderlich ist, um eigene Vorschläge zur Änderung der bisherigen Personalplanung der Arbeitgeberin machen zu können. Da die Arbeitgeberin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts in ihrem Unternehmen eine Personalplanung durchführt, in die der Gesamtbetriebsrat „einbezogen“ ist, besteht für ein Vorschlagsrecht zur Einführung einer Personalplanung kein Raum mehr. Vielmehr kann sich die gesetzliche Aufgabe des Betriebsrats nach § 92 Abs. 2 BetrVG in einem solchen Fall nur darauf beziehen, Vorschläge zur Änderung der - dann auch allein betriebsbezogenen - Personalplanung zu unterbreiten. Der Betriebsrat hat nicht näher aufgezeigt, inwiefern er die Unterlagen benötigt, um sein Vorschlagsrecht wahrzunehmen.

32c) Auch ein Anspruch aus § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 iVm. § 92 Abs. 3 Satz 1 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 2b BetrVG besteht nicht. Es mangelt an einem Aufgabenbezug. Weder nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts noch nach dem Vorbringen der Beteiligten bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich aus den auf Mustereinheiten beruhenden Ermittlungen und Festlegungen von Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnitten relevante Erkenntnisse ergeben können, die für den Betriebsrat zur Wahrnehmung seiner Aufgabe, die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern (§ 80 Abs. 1 Nr. 2b BetrVG), relevant sind. Das erscheint auch deshalb ausgeschlossen, weil die Musterbetriebe als virtuelle Idealeinheiten gerade keine individuellen Arbeitszeitmodelle enthalten oder feststellen.

33d) Soweit der Betriebsrat die erstrebten Vorlagen auf § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 iVm. § 80 Abs. 1 Nr. 8 BetrVG (Beschäftigungsförderung und -sicherung im Betrieb) und § 92a Abs. 1 BetrVG (Vorschlagsrecht zur Beschäftigungssicherung) stützt, hat er nicht dargelegt, warum die Unterlagen notwendig sein sollen, um der geltend gemachten Förderungs- und Sicherungsaufgabe nachzukommen oder um Vorschläge zur Beschäftigungssicherung zu unterbreiten. Sein pauschal gehaltener und im Wesentlichen lediglich die gesetzlichen Normen wiederholender Verweis auf die ihm obliegenden Aufgaben und sein Vorschlagrecht ist untauglich, die Erforderlichkeit der beanspruchten Unterlagen für die Wahrnehmung dieser Aufgaben und dieses Rechts zu belegen.

34e) Schließlich ergibt sich der vom Betriebsrat geltend gemachte Anspruch nicht aus § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. Die begehrten Unterlagen betreffen keine Planungen von Arbeitsverfahren und Arbeitsabläufen, hinsichtlich derer der Betriebsrat gemäß § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten ist. Das von „Planungen“ ausgelöste Unterrichtungsrecht des Betriebsrats und die auf „erforderliche“ Unterlagen bezogene Vorlageverpflichtung des Arbeitgebers knüpfen an die rationale, gedankliche Vorwegnahme von künftigen Handlungsschritten an, die zur Erreichung eines Ziels notwendig scheinen. Selbst wenn bei einer Abweichung der Bereichs-Ist- von der Bereichs-Soll-Entgeltgruppendurchschnittskennzahl Planungen für konkrete Arbeitsverfahren oder konkrete Arbeitsabläufe erfolgen sollten, beziehen sich die verlangten Unterlagen nicht auf dieses Planungsstadium. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass die Arbeitgeberin bereits mit der Ermittlung der durch den Musterbetrieb (mit)bestimmten Soll-Kennzahl eine Umstrukturierung oder Veränderung von arbeitsausführungsbezogenen Verfahren oder Abläufen konzipiert. Letztlich eruiert sie allenfalls Handlungsbedarfe, die Vorhaben auslösen (können), jedoch nicht selbst das Vorhaben (bereits) planen.

35II. Die Hilfsanträge zu 3. bis 5. des Betriebsrats fallen dem Senat nicht zur Entscheidung an. Nach ihrem Inhalt enthalten sie Modifikationen und Beschränkungen für den Fall, dass die beiden Hauptverlangen als zu weitreichend angesehen werden, weil sie entweder Unterlagen betreffen, die sich nicht ausschließlich auf den Betrieb D „Zentrale“ erstrecken (Hilfsanträge zu 3. und zu 5.), oder wegen des erstrebten Zeitpunkts der Unterlagenvorlage als unbegründet angesehen werden (Hilfsanträge zu 4. und zu 5.). Sie stehen damit ersichtlich unter innerprozessualen Bedingungen. Diese sind nicht eingetreten. Die mit den Anträgen zu 1. und zu 2. geltend gemachten Ansprüche bestehen schon dem Grunde nach nicht; sie sind nicht abzuweisen, weil sie in ihrer erstrebten Reichweite nicht begründet sind.

36III. Die Hauptanträge zu 1. und zu 2. des Gesamtbetriebsrats sind gleichfalls unbegründet. Mit sämtlichen Anträgen erstrebt der Gesamtbetriebsrat die Vorlagen eben jener Unterlagen, die (auch) der Betriebsrat zur Verfügung gestellt bzw. zur Einsichtnahme verlangt. Die streitbefangenen Vorlageansprüche sind ungeachtet der Frage, ob ihre Ausübung in die Zuständigkeit des örtlichen Betriebsrats oder des Gesamtbetriebsrat oder - wie der Gesamtbetriebsrat argumentiert - in die kumulative Kompetenz beider Gremien fällt, unter keinem materiell-rechtlichen Gesichtspunkt begründet. Insoweit gilt nichts Anderes als das unter B.I. Ausgeführte. Die vom Gesamtbetriebsrat mit den Hilfsanträgen zu 3. und zu 4. angebrachten Anträge sind aus den gleichen Gründen wie bei den Hilfsanträgen des Betriebsrats angeführt nicht zu bescheiden (vgl. unter B.II.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:120319.B.1ABR43.17.0

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 1779 Nr. 31
BB 2019 S. 2427 Nr. 41
XAAAH-23390