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LSG Hamburg Urteil v. - L 3 R 50/17

Die Klägerin wendet sich dagegen, der Beklagten 8.034,41 EUR aus einer überzahlten Rente zu erstatten. Die am xxxxx 1904 geborene S. bezog von der Beklagten ab Januar 1967 eine Hinterbliebenenrente nach ihrem verstorbenen Ehemann S1 (Bescheid vom 18. Mai 1967). Die Rente wurde durchgehend auf das Konto überwiesen, das von der D. AG, der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen, geführt wurde. Zudem bezog Frau S. eine Witwenpension der Pensionskasse B., einen darauf bezogenen Firmenzuschuss der U. GmbH und ab Juni 1985 eine Altersrente aus eigener Versicherung von der L. die ebenfalls auf das genannte Konto überwiesen wurden. Frau S. wohnte zunächst in H ... Als letzte H. Adresse war der Beklagten "A.", bekannt. Zum 1. August 1987 mietete Frau S. eine Wohnung im F. in H1 (S2). Frau S. meldete sich für die Wohnung in H1 nicht an. Mit Schreiben vom 17. November 1988 teilte die Rentenrechnungsstelle der D1 der Beklagten mit, die Rentenzahlung in Kürze zu unterbrechen, weil Frau S.s Aufenthalt nicht zu ermitteln sei. Eine Nachfrage der Beklagten beim Einwohnermeldeamt H. ergab, dass Frau S. dort weiterhin mit der Adresse A. gemeldet war. Zu einer Rentenunterbrechung kam es nicht. Ausweislich einer Änderungsanzeige des Rentenservices der D1 war bei der Beklagten jedenfalls ab dem 15. Juni 1989 für Frau S. die Adresse im F. in H1 erfasst. Es hat sich nicht aufklären lassen, woher der Rentenservice oder die Beklagte diese Information erhalten hatten. Ebenso wenig ist zu ermitteln gewesen, ob und gegebenenfalls seit wann Frau S. nicht mehr in H. gemeldet gewesen war. Am xxxxx 1990 verstarb Frau S. in ihrer Wohnung in H1. Dort hatte sie zusammen mit ihrem 1939 geborenen Sohn, S3, gelebt, für den seit dem 5. Mai 1988 ununterbrochen eine umfassende Postgirovollmacht für das benannte Konto bestanden hatte und der zudem über eine Generalvollmacht verfügte. Der Sohn war Inhaber einer H2-Monatskarte. Den Fahrpreis zog die Klägerin jedenfalls im streitbefangenen Zeitraum vom benannten Konto ein. Wegen der Einzelheiten, insbesondere Höhe und Abbuchungsdatum der einzelnen Monatsbeträge, wird auf die zum Verwaltungsvorgang genommenen Kontoauszüge Bezug genommen. Jedenfalls ab dem 29. Dezember 1995 war bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen als Adresse der vermeintlichen Kontoinhaberin die Adresse in H1 mit dem Zusatz "c/o S3" erfasst. Ihr 95. Lebensjahr hätte Frau S. im Mai 1999 vollendet. Der L. war im Frühjahr 2000 zunächst weder die Adresse in H1 noch eine andere Adresse für Frau S. bekannt, weswegen sie beabsichtigte, ihre Rentenzahlungen ab Juli 2000 einzustellen. Am 31. Mai 2000 erhielt die Beklagte eine entsprechende Änderungsanzeige. Am 8. Juni 2000 telefonierte der zuständige Sachbearbeiter der Beklagten mit demjenigen der L. und vermerkte anschließend, "Nach Rückspr mit L. H. wird die Rente lfd gezahlt. Vers nicht verstorben.". Mit Schreiben vom 8. August 2000 teilte die L. der Beklagten mit, die Rentenzahlungen an Frau S. seien zum September 2000 wieder aufgenommen worden, nachdem ihr Sohn mitgeteilt habe, er lebe in einem Haushalt mit seiner Mutter in H1, F., und habe seine Mutter unter dieser Adresse inzwischen beim zuständigen Einwohnermeldeamt angemeldet. Mit Schreiben vom 9. Juni 2006 bat der Rentenservice der Deutschen Post die Meldebehörde der Gemeinde H1 um eine Meldeauskunft bezüglich Frau S., nachdem eine Rentenmitteilung nicht zugestellt werden konnte. Die Gemeinde antwortete mit Schreiben vom 15. und 26. Juni 2006, Frau S. sei dort nicht gemeldet und auch nie gemeldet gewesen. Mit Schreiben vom 29. Juni 2006 teilte der Rentenservice der Deutschen Post der Beklagten dies im Rahmen der Überprüfung der Rentenberechtigten ab dem 95. Lebensjahr mit. Da die letzte Anpassungsmitteilung nicht zurückgekommen sei, werde die Rente weiter gezahlt. Die Gemeinde H1 bestätigte der Beklagten auf Nachfrage, dass Frau S. dort nicht gemeldet und nie gemeldet gewesen sei. Mit der Adresse F. sei lediglich der Sohn seit 1988 gemeldet. Die Beklagte stellte die Rentenzahlungen zum 31. August 2006 vorläufig ein. Mit Schreiben vom 28. Juli 2006 informierte sie den Sohn von Frau S. hierüber und forderte ihn auf, eine Meldebescheinigung für seine Mutter vorzulegen. Mit Schreiben vom 29. Juli 2006 legte der Sohn bei der L., von der er eine vergleichbare Aufforderung erhalten hatte, eine gefälschte Meldebescheinigung vor, nach deren Inhalt er und seine Mutter sich am 4. Dezember 1990 in H1 angemeldet hätten. Die L. leitete die Unterlagen an die Beklagte weiter, die sie der Gemeinde H1 vorlegte. Diese erkannte die Meldebestätigung als Fälschung, legte die Sterbeurkunde von Frau S. vor und kündigte eine Strafanzeige gegen den Sohn an. Letzterer legte der Beklagten in Unkenntnis dieser Vorgänge ebenfalls die gefälschte Meldebescheinigung vor. Die Beklagte hatte zur Erfüllung des vermeintlich fortbestehenden Rentenanspruchs im Zeitraum vom 1. Februar 1990 bis zum 31. August 2008 insgesamt 177.776,86 Euro auf das benannte Konto überwiesen. Wegen der Einzelheiten, insbesondere Höhe und Datum der einzelnen Rentengutschriften sowie Höhe und Abbuchungsdatum der einzelnen Monatsmieten wird auf die zum Verwaltungsvorgang genommenen Kontoauszüge Bezug genommen. Die L. bezifferte die Überzahlung aus der Versichertenrente auf 60.570,29 Euro, die Pensionskasse B. und die U. bezifferten ihre Überzahlungen auf zusammen 248.120,07 Euro. Mit Schreiben vom 3. August 2006, das am 11. August 2006 bei der Rechtvorgängerin der Beigeladenen einging, forderte die Beklagte unter Vorlage der Sterbeurkunde die im Zeitraum vom 1. Februar 1990 bis zum 31. August 2008 gezahlte Hinterbliebenenrente in Höhe von 177.766.86 Euro zurück. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen antwortete mit Schreiben vom 14. August 2006, der Rückforderung mangels Kontodeckung nicht entsprechen zu können, weil seit Gutschrift der Rente über den kompletten Rentenbetrag verfügt worden sei. Der Kontostand betrage am 11. August 2006, dem Tag der Rückforderung, 4.156,78 Euro im Soll. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen informierte zudem darüber, dass für den Sohn von Frau S. eine Unterschriftenberechtigung vorliege. Das Konto, das am 11. August 2006 tatsächlich den mitgeteilten Sollbetrag aufgewiesen hatte, wurde zum 8. November 2006 aufgelöst. Die Beklagte stellte - wie die Pensionskasse B. und die U. - Strafanzeige gegen den Sohn von Frau S., der wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt wurde, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Berufungsgericht merkte im Rahmen der Strafzumessung an, die leistungsgewährenden Stellen hätten ihm die Tatbegehung erstaunlich leicht gemacht, indem nur sehr selten schriftliche Nachweise über die Bezugsberechtigung angefordert worden seien und man sich teilweise auch mit mündlichen Auskünften zufriedengegeben habe (LG Itzehoe, Urt. v. 29. Jan. 2008, 3 Ns 76/07). Im erstinstanzlichen Strafverfahren hatte der Sohn vor dem AG Pinneberg ausgesagt, einmal, nach seiner Erinnerung im Jahr 1998, in B1 angerufen zu haben, als die Rentenzahlungen aussetzten, und dort "Märchen erzählt" zu haben; daraufhin habe man keine Unterlagen von ihm gewollt. Die Beklagte forderte 177.776,86 Euro vom Sohn von Frau S. zurück (Bescheid vom 12. Februar 2007, bestandskräftig). Zahlung oder Vollstreckung erfolgten nicht. Eine Rückforderung der L. gegenüber dem Sohn ist ebenfalls fruchtlos geblieben. Die Beklagte stellte in Absprache mit der L. weitere Ermittlungen wegen etwaiger Rückforderungsansprüche gegen Dritte an. Sie forderte ergänzende Auskünfte von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen an, die mit Schreiben vom 14. Dezember 2006, 22. Juni, 12. und 26. Juli sowie 14. August 2007 die Kontoauszüge für den Zeitraum vom 1. Januar 1996 bis zum 8. November 2006 übermittelte und mitteilte, die Unterlagen für die Jahre davor nach Ablauf der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen vernichtet zu haben. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen versicherte, keine eigenen Forderungen mit dem Rentenbetrag verrechnet zu haben; listete die jeweiligen Kontostände vor Eingang der monatlichen Rentenzahlung auf; machte ergänzende Angaben zu den Buchungszeiten einzelner Buchungen und erläuterte, auch telefonisch, allein anhand der Kontoauszüge könne man die Umsätze nicht nachvollziehen, weil die Kontoauszüge unabhängig vom Zeitpunkt der eigentlichen Buchung zuerst alle Belastungen und dann alle Gutschriften ausweisen würden. Kontoauszüge für die Zeit vor dem 1. Januar 1996 waren auch vom Sohn von Frau S. nicht zu erlangen. Die Beklagte ging zunächst davon aus, dass ihr und der L. Rückforderungsansprüche gegen die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen auch für die Zeit vor dem 1. Januar 1996 zustehen würden, die sich auf 225.590,87 Euro summieren würden. In einer E-Mail an die L. vom 1. Oktober 2007 regte sie an, diese Ansprüche getrennt geltend zu machen mit Ausnahme eines Betrags von 91,17 Euro, der zur Vermeidung einer Quotelung allein von der Beklagten geltend gemacht werden solle. Da nicht zu erwarten sei, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen den Rückforderungen entspreche, müsse Leistungsklage erhoben werden. Davon solle jedoch zunächst abgesehen werden. Derzeit seien beim Bundessozialgericht diverse Verfahren zu § 118 Abs. 3 und 4 SGB VI anhängig. Der vorliegende Fall einer Überzahlung über 16 Jahre solle nicht als "Negativ-Beispiel" in die dortigen Überlegungen eingehen. Die Beklagte ging weiter davon aus, dass ihr und der L. zusammen Erstattungsansprüche gegenüber dem Sohn von Frau S. und diversen Dritten in Höhe von zusammen 12.755,74 Euro zuständen. Diese sollten, wie sie ebenfalls in der E-Mail vorschlug, allein von der Beklagten geltend gemacht werden, um nicht jeweils zwei Verfahren wegen gequotelter Beträge führen zu müssen. Die L. stimmte den Vorschlägen zu. Ansprüche gegen Dritten wurden gleichwohl zunächst nicht geltend gemacht. Nachdem mehrere höchstrichterliche Entscheidungen zu § 118 SGB VI ergangen waren, änderte die Beklagte ihre Auffassung. Sie ging nunmehr davon aus, allenfalls Rücküberweisungen der Renten für Februar 1996 und seitdem verlangen zu können, weil nur hinsichtlich des streitbefangenen Zeitraums Kontoauszüge vorliegen würden. Sie ging weiter davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen nicht allein deswegen zur Rücküberweisung verpflichtet bleibe, weil sie weitere Verfügungen zugelassen habe, obwohl sich das Konto bei Renteneingang bereits im Soll befunden habe. Die Beklagte stellte für den streitbefangenen Zeitraum, für den von ihr 118.935,05 Euro und von der L. 40.707,91 Euro überzahlt worden waren, eine umfangreiche "Schutzbetragsberechnung" an. Danach verblieben Verfügungen zugunsten der Klägerin in Höhe von 8.034,41 Euro. Die Beklagte regte in einer E-Mail vom 22. Dezember 2009 an die L. an, dass man die Erstattungsforderungen entlang der verschiedenen Empfänger unter sich aufteile und sie, die Beklagte, unter anderem die Klägerin zur Erstattung auffordere. Die L. war auch damit einverstanden. Mit Schreiben vom 2. März 2010 hörte die Beklagte die Klägerin zur Absicht an, wegen der im Zeitraum vom 1. Februar 1996 bis zum 31. August 2006 erfolgten Abbuchungen Erstattung in Höhe von 8.034,41 Euro zu fordern und sich dabei auf § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI zu stützen. Sie fügte ihre Schutzbetragsrechnung bei. Die Klägerin bat mit Schreiben vom 29. März 2010 um weitere Informationen, unter anderem darüber, welche Vorkehrungen man gegen derartig hohe Überzahlungen getroffen habe und ob und mit welchem Erfolg Rückzahlungsansprüche gegen das Geldinstitut geltend gemacht worden seien. Die Beklagte führte mit Schreiben vom 1. April 2010 unter anderem aus, die Verfahren, die im Laufe der Zeit verbessert worden seien, seien so eingerichtet, dass Fälle der vorliegenden Art grundsätzlich nicht vorkommen würden. Ein vorrangiger Rücküberweisungsanspruch gegenüber dem Geldinstitut bestehe nicht, weil Dritte über den Wert der überzahlten Rente vollständig verfügt hätten. Es entspann sich eine weitere Korrespondenz darüber, ob die Klägerin weitere Angaben von der Beklagten verlangen oder sogar Akteneinsicht durch einen Anwalt beanspruchen könne. Die Klägerin erhob die Einrede der Verjährung. Mit Bescheid vom 1. September 2010 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung von 8.034,41 Euro. Sie stützte sich wie angekündigt auf § 114 Abs. 4 Satz 1 SGB VI und führte zur Begründung ergänzend aus, Verjährung sei nicht eingetreten, denn sie, die Beklagte, habe im Juli 2006 Kenntnis vom Tode der Frau S. erlangt, so dass Verjährung erst am 1. Januar 2011 eintrete. Vertrauensschutz- und Entreicherungseinwände seien bei der Forderung nach § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI nicht zu berücksichtigten. Mit dem Widerspruch brachte die Klägerin, die inzwischen Einsicht in die Akten der Staatsanwaltschaft genommen hatte, vor, man müsse davon ausgehen, dass die Beklagte bereits 1998 Kenntnis von der Überzahlung erlangt habe. Ausweislich des Urteils des LG Itzehoe sei es Anfang 1998 zu einer Zahlungseinstellung gekommen und der Sohn von Frau S. habe die Wiederaufnahme der Zahlungen allein dadurch erreicht, dass er die Beklagte angerufen und ihr "ein Märchen" erzählt habe. Damit sei der geltend gemachte Anspruch verjährt. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 2011 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung wiederholte sie im Wesentlichen ihre vorherigen Ausführungen und ergänzte, ihre Zahlungen seien 1998 nicht unterbrochen worden. Möglicherweise habe der Sohn von Frau S. mit der L. gesprochen. Soweit im Strafurteil ein anderer Sachverhalt dargestellt werde, treffe dieser nicht zu. Am 29. März 2011 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie ihr bisheriges Vorbringen vertieft. Sie ist der Auffassung, der Schutzbetragsberechnung lasse sich nicht ausreichend entnehmen, welche der an sie geleisteten Zahlungen aus dem Wert der überzahlten Rente stammen würden. Für eine Kenntnis der Beklagten vom Tode der Frau S. spreche, dass ihr Sohn 1998 mit einem Mitarbeiter der Beklagten (und nicht eines anderen Rentenversicherungsträgers) telefoniert haben müsse, denn ausweislich der Sitzungsniederschrift des Amtsgerichts Pinneberg habe der dort angeklagte Sohn erklärt, in B1, mithin am Sitz der Beklagten, angerufen zu haben. Zudem sei der Beklagten bekannt gewesen, dass sie die Rentenzahlungen auf ein Konto des Sohnes leiste. Sollte die Beklagte in Unkenntnis über das Ableben von Frau S. gewesen sein, sei dies als grob fahrlässig anzusehen. Nach Meinung der Klägerin setzt auch die grob fahrlässige Unkenntnis vom Versterben eines Rentenberechtigten die Verjährungsfrist in Gang. Die Beklagte hat an ihren Bescheiden festgehalten und ergänzend vorgebracht, dass die L. ihre Rentenzahlungen erst 2000 unterbrochen habe und nicht, wie von der Klägerin behauptet, 1998. Jedenfalls habe sie, die Klägerin, vor 2006 keine Kenntnis vom Tode der Frau S. gehabt. Die Klägerin hat erwidert, die Beklagte müsse sich auch eine Kenntnis anderer Rentenversicherungsträger zurechnen lassen. Am 30. Januar 2012 hat ein Erörterungstermin stattgefunden, in dessen Folge die Klägerin sich bereit gezeigt hat, ohne Anerkennung einer Rechtspflicht die Hälfte des geforderten Erstattungsbetrags zu zahlen. Die Beklagte hat sich nicht zu einer vergleichsweisen Einigung entschließen können. Die mündliche Verhandlung vor dem Sozialgericht hat nach Kammerwechsel am 10. April 2017 stattgefunden. Mit Urteil vom selben Tag hat das Sozialgericht die angegriffenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 118 Abs. 4 Satz 1 SGB VI würden zwar vorliegen. Gleichwohl sei ein Anspruch gegenüber der Klägerin ausgeschlossen. Denn die Beklagte habe nicht ernstlich und unbedingt den vorrangigen Rückerstattungsanspruch gegen die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen aus § 118 Abs. 3 Satz 2 SGB VI verfolgt. Es stehe nicht fest, dass ein Vorgehen gegen diese ohne Erfolg geblieben wäre. Vielmehr komme in Betracht, dass dem von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen erhobenen Einwand anderweitiger Verfügung ihre mangelnde Gutgläubigkeit entgegengestanden habe. Die erforderliche Gutgläubigkeit fehle, wie das Sozialgericht unter Bezugnahme auf unter anderem BSG, Urt. v. 5. Februar 2009, B 13 R 59/08 R ausgeführt hat, nicht nur bei einer positiven Kenntnis, sondern schon bei einer grob fahrlässigen Unkenntnis des Geldinstituts vom Tode des Kontoinhabers und Rentenempfängers. Das Sozialgericht hat letztlich offen gelassen, ob die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen in diesem Sinne gutgläubig gewesen sei, und ausgeführt, der Sachverhalt habe der Beklagten jedenfalls Anlass gegeben, die näheren Umstände, die eine durchgehende Gutgläubigkeit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen hätten begründen können, aufzuklären, notfalls im Rahmen einer Zahlungsklage. Das habe sie nicht getan. Stattdessen habe sie die (telefonische) Auskunft genügen lassen, der Sohn sei "unterschriftsberechtigt" gewesen und die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen habe von Tode der Frau S. nicht gewusst. Das Geldinstitut habe nicht erläutern müssen, worauf genau die Verfügungsbefugnis des Sohnes beruht habe. Ebenso wenig sei die Beklagte der Frage nachgegangen, ob es für das Geldinstitut nicht Anlass gegeben habe, das Fortleben der Frau S. zu überprüfen, oder ob es aus weiteren Umständen auf deren Versterben hätte schließen können. Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, angesichts eines Überzahlungszeitraums von 16 Jahren seien an die Aufklärungsbemühungen der Beklagten hohe Anforderungen zu stehen, zumal die bereits ab dem 95. Lebensjahr vorgesehene Prüfung durch den Rentenservice erst durchgeführt worden sei, als Frau S. bereits 102 Jahre alt gewesen wäre. Überdies sei das Schreiben der L. vom 8. August 2000 Anlass gewesen, das Fortleben der Frau S. aufzuklären. Stattdessen habe die Beklagte frühzeitig aus prozesstaktischen Erwägungen von einem Rückforderungsbegehren gegen die Rechtsvorgängerin der Beklagten Abstand genommen und allenfalls "pro forma" Zahlung verlangt, um sodann an die Geldleistungsempfänger heranzutreten. Das erstinstanzliche Urteil ist der Beklagten am 4. Mai 2017 zugestellt worden. Mit ihrer am 29. Mai 2017 erhobenen Berufung macht sie geltend, es habe kein vorrangiger Rücküberweisungsanspruch gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bestanden. Insbesondere habe es nicht den geringsten Anlass gegeben, an deren Gutgläubigkeit zu zweifeln. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe telefonisch bestätigt, erst durch sie, die Beklagte, vom Ableben der Frau S. erfahren zu haben. Das sei gerade in diesem Einzelfall plausibel erschienen, in dem der Sohn offensichtlich alles unternommen habe, einschließlich einer Urkundenfälschung, um den Tode seiner Mutter zu verschleiern. Zudem gebe es bei lebensnaher Betrachtung keinen Grund, warum der Sohn gerade der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen Mitteilung vom Tode seiner Mutter gemacht haben sollte. Soweit das Sozialgericht weitere Ermittlungen zur Unterschriftenberechtigung des Sohns vermisst habe, sei nicht erkennbar, inwieweit weitere Erläuterungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu der noch zu Lebzeiten der Frau S. erteilten Vollmacht für die Beurteilung ihrer Gutgläubigkeit bedeutsam sein könne. Soweit das Sozialgericht die vorübergehende Zahlungsunterbrechung durch die L. als Anlass für weitere Aufklärung ansehe, sei ebenso wenig erkennbar, inwieweit dies bedeutsam die Frage nach der Gutgläubigkeit der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen sei. Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Klägerin hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend. Sie hebt hervor, die Beklagte sei seinerzeit selbst von einer Rücküberweisungspflicht der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen ausgegangen und habe lediglich aus prozesstaktischen Gründen von einer klagweisen Geltendmachung abgesehen. Es erscheine zudem lebensfremd, unter anderem mit Blick auf ihre Obliegenheiten nach dem Geldwäschegesetz, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen bei einer derart betagten Kontoinhaberin nicht das Fortleben überprüfe. Mit Beschluss vom 27. Juli 2018 ist die D2 als Rechtsnachfolgerin der Postbank beigeladen worden. Sie beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. April 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Beigeladene hält die erstinstanzliche Entscheidung für falsch und ist insbesondere der Ansicht, ihr gegenüber bestehe kein Rückforderungsanspruch. Unstreitig sei bei Eingang das Rückforderungsersuchens der Beklagten über die gesamten monatlichen Rentenzahlungen verfügt worden, unter anderen zu Gunsten der Klägerin. Zuvor habe sie, die Beigeladene, keine Kenntnis von Frau S.s Tode gehabt. Hierfür habe es aus ihrer Sicht keinerlei Anhaltspunkte gegeben, zumal der Sohn jedenfalls seit 1988 kontoverfügungsberechtigt gewesen sei. Sollte die Beklagte ihr, der Beigeladenen, gegenüber einen Rückforderungsanspruch geltend machen wollen, stehe dem ein Forderungsverzicht und die Einrede der Verjährung entgegen, die schon jetzt erhoben werde. Die mündliche Verhandlung vor dem Senat hat am 26. Februar 2019 stattgefunden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf die Sitzungsprotokolle, den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Unterlagen, die bei der Entscheidung vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

Fundstelle(n):
WAAAH-23308

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LSG Hamburg, Urteil v. 26.02.2019 - L 3 R 50/17

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