BGH Beschluss v. - 1 StR 316/18

Unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln: Voraussetzungen einer mittäterschaftlichen Begehung

Gesetze: § 30 Abs 1 Nr 4 BtMG, § 25 Abs 2 StGB, § 27 Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 355 Js 10023/17 - 20 KLs 2nachgehend Az: 1 StR 434/19 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten I.   wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, jeweils in Tateinheit mit Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und neun Monaten verurteilt. In sechs Fällen handelte der Angeklagte gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) mit der nicht revidierenden Mitangeklagten D.   . Diese hat das Landgericht zugleich wegen weiterer Betäubungsmitteldelikte verurteilt, an denen der Angeklagte nicht beteiligt war (Fälle B.1 und B.2 der Urteilsgründe). Ferner hat es die gesamtschuldnerische Einziehung von sichergestellten 44.295 Euro und von Wertersatz in Höhe von 63.205 Euro, bei der Nichtrevidentin D.   zudem – veranlasst durch die weiteren Taten – die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 2.000 Euro angeordnet. Mit seinem Rechtsmittel rügt der Angeklagte I.   die Verletzung materiellen Rechts. Seine Revision hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch in den Fällen B.5 bis B.7 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte neben Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge wegen tateinheitlich begangener Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG verurteilt worden ist.

3a) Nach den Feststellungen erwarben der Angeklagte und die Nichtrevidentin in sechs Fällen (Taten B.3 bis B.8 der Urteilsgründe) gemeinsam zwischen einem und zehn Kilogramm Marihuana, das sie sodann von Spanien aus in die Bundesrepublik einführten oder einführen ließen, um es gewinnbringend zu veräußern. Im Fall B.5 der Urteilsgründe „ließen“ sie die in Spanien gekauften Betäubungsmittel durch einen Kurier „in einem LKW nach Deutschland in ihre Wohnung … verbringen“, im Fall B.7 der Urteilsgründe „von einem unbekannten Rauschgifthändler … über einen Reisebus von Spanien nach Deutschland einführen“. Im Fall B.6 erfolgte die Einfuhr des von dem Angeklagten und der Nichtrevidentin in Spanien übernommenen Marihuanas „auf nicht näher bekannte Weise“.

4b) In den Fällen B.5 bis B.7 der Urteilsgründe ermöglichen die lückenhaften Feststellungen nicht die Prüfung, ob der Angeklagte den Tatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG (mit-)täterschaftlich verwirklicht hat. Der Tatbestand der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln erfordert zwar keinen eigenhändigen Transport der Betäubungsmittel über die Grenze, so dass Mittäter nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich auch ein Beteiligter sein kann, der das Rauschgift nicht selbst in das Inland verbringt. Es müssen aber die Voraussetzungen für ein täterschaftliches Handeln nach den Grundsätzen des allgemeinen Strafrechts vorliegen. Hierzu ist eine wertende Gesamtbetrachtung erforderlich (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 630/14, StV 2015, 632 und vom – 4 StR 144/15, BGHR BtMG § 30 Abs. 1 Nr. 4 Einfuhr 3). Von besonderer Bedeutung sind dabei der Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, der Einfluss bei der Vorbereitung der Tat und der Tatplanung, der Umfang der Tatbeteiligung und die Teilhabe an der Tatherrschaft oder jedenfalls der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch von dem Willen des Betreffenden abhängen. Entscheidender Bezugspunkt ist der Einfuhrvorgang selbst (vgl. , StV 2017, 295 Rn. 14). Das bloße Interesse an dessen Gelingen genügt nicht, wenn der Betreffende keine Tatherrschaft oder zumindest Tatherrschaftswillen hat (statt vieler: , StV 2017, 285). Eine Person, die den Einfuhrvorgang zwar veranlasst, aber keinen Einfluss auf dessen Durchführung hat, kann weder Mittäter noch Gehilfe der Einfuhr sein (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 630/14, StV 2015, 632 und vom – 3 StR 470/11, StraFo 2012, 158).

5c) Nach diesen Grundsätzen kann die Verurteilung des Angeklagten wegen mittäterschaftlicher Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in den Fällen B.5 bis B.7 der Urteilsgründe keinen Bestand haben. Die Feststellungen lassen in diesen Fällen nicht erkennen, welchen Einfluss er jeweils auf den Einfuhrvorgang hatte. In den Fällen B.5 und B.7 der Urteilsgründe ist – auch unter Berücksichtigung der dem Tatgeschehen vorangestellten allgemeinen Feststellungen (UA S. 6) – bereits unklar, ob sich der Angeklagte und die Nichtrevidentin persönlich in Spanien befanden. Welche Tatbeiträge sie zwecks Beauftragung der Kuriere erbrachten, ob ihnen ein Einfluss auf die Zeit, den Weg und die Art des Transports zukam sowie ob und wann sie hierfür finanzielle Aufwendungen tätigten, bleibt ebenso offen. Im Fall B.6 der Urteilsgründe ist den Feststellungen nicht sicher zu entnehmen, dass sie das Marihuana eigenhändig in die Bundesrepublik verbrachten. Vielmehr lässt der Zusatz „in nicht näher bekannter Weise“ besorgen, dass dies doch durch andere Personen geschehen sein könnte, so dass eine mittäterschaftliche Einfuhr durch den Angeklagten und die Nichtrevidentin auch in diesem Fall durchgreifend in Frage steht.

6Ob in den Fällen B.5 bis B.7 der Urteilsgründe eine Strafbarkeit wegen Anstiftung (oder Beihilfe) zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Betracht kommt, kann der Senat anhand der vorliegenden Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Hierzu hätte es näherer Feststellungen insbesondere zur Einschaltung der Kuriere (Fälle B.5 und B.7 der Urteilsgründe) sowie zu den näheren Modalitäten des Einfuhrvorgangs (Fall B.6 der Urteilsgründe) bedurft. Bei den weiteren Taten belegen die äußerst knapp gehaltenen Feststellungen hingegen (noch) eine mittäterschaftliche Einfuhr des Marihuanas durch den Angeklagten und die Nichtrevidentin.

7d) Soweit der Schuldspruch wegen der Einfuhrdelikte keinen Bestand hat, müssen auch die – für sich betrachtet rechtsfehlerfreien – tateinheitlichen Verurteilungen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge entfallen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 232/16, StV 2017, 295 Rn. 18 und vom – 1 StR 16/15, NStZ 2016, 339, 340). Der Senat hebt die zugrunde liegenden Feststellungen ebenfalls auf, um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie Feststellungen zu ermöglichen. Die Teilaufhebung des Schuldspruchs ist gemäß § 357 Satz 1 StPO auf die nichtrevidierende Mitangeklagte zu erstrecken, da die aufgezeigten Rechtsfehler diese in gleicher Weise betreffen.

82. Der Wegfall der im Fall B.5 der Urteilsgründe jeweils verhängten Einsatzstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten entzieht den gesamten Strafaussprüchen die Grundlage (vgl. , BGHR AO § 109 Abs. 1 Fristverlängerung 1). Das neue Tatgericht kann die Strafen insgesamt neu bestimmen.

9Ebenso wenig können die Einziehungsentscheidungen des Landgerichts nach §§ 73, 73c StGB Bestand haben, soweit sie eine gesamtschuldnerische Haftung des Angeklagten und der Nichtrevidentin vorsehen. Unbeschadet des Verzichts beider auf das sichergestellte Bargeld (vgl. hierzu , NJW 2018, 2278 f.) entfällt mit der teilweisen Aufhebung des Schuldspruchs die Grundlage für diese Einziehungen. Den Feststellungen war nicht zu entnehmen, durch welche der gemeinschaftlich begangenen Taten der Angeklagte und die Nichtrevidentin die Mitverfügungsgewalt über die noch vorhandenen oder über die dem Wert nach eingezogenen Taterträge erlangt haben.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:200918B1STR316.18.0

Fundstelle(n):
TAAAH-23215