Gesundheitsbezogene Angaben eines Markennamens
Leitsatz
Nach Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erforderliche Begleitangaben müssen in einem inhaltlichen Zusammenhang zu der Bezeichnung im Markennamen stehen, die als gesundheitsbezogene Angabe aufgefasst werden kann.
Gesetze: Art 1 Abs 3 EGV 1924/2006, Art 10 Abs 3 EGV 1924/2006
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt Az: 3 L 358/17 Beschlussvorgehend VG Magdeburg Az: 1 A 118/16 Urteil
Gründe
1Der Rechtsstreit betrifft die Zulässigkeit gesundheitsbezogener Angaben bei der Bezeichnung eines Nahrungsergänzungsmittels.
21. Die Klägerin produziert und vertreibt unter dem Namen "Gelenk-Tabletten plus" ein Nahrungsergänzungsmittel mit Mineralstoffen, Vitaminen, Glucosaminsulfat und Chondroitinsulfat. Auf dem Etikett ist neben dem Produktnamen die Angabe "Mit Zink & Mangan zum Erhalt normaler Knochen" angebracht. Direkt darunter befinden sich die Angaben "Kupfer für das Bindegewebe" sowie "Vitamine, Glucosamin & Chondroitin".
3Nach Untersuchung einer Probe kam das Landesamt für Verbraucherschutz in einer gutachterlichen Stellungnahme zu dem Ergebnis, der Handelsname des streitgegenständlichen Produkts enthalte eine unzulässige gesundheitsbezogene Angabe. Für Zink, Mangan und Kupfer seien Bezugnahmen auf den Erhalt normaler Knochen bzw. normalen Bindegewebes zwar anerkannt; zur Untersetzung der unspezifischen Angabe "Gelenk" sei der Verweis indes nicht geeignet. Angesichts der unterschiedlichen Funktionen müsse die Wirkung eines Nährstoffs auf Knochen und die auf Gelenke unterschieden werden. Der Antrag auf Zulassung einer gesundheitsbezogenen Angabe speziell zum Beitrag von Zink zum Erhalt normaler Gelenke sei von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit aber bereits abgelehnt worden. Für Mangan sei ein Zulassungsantrag bislang nicht gestellt worden. Eine spezielle Wirkung von Kupfer auf die Gelenke sei nicht bekannt.
4Der Beklagte unterließ zwar lebensmittelrechtliche Anordnungen, leitete die Beanstandung aber an die Staatsanwaltschaft weiter. Diese stellte das Ermittlungsverfahren später wegen fehlender Nachweisbarkeit vorsätzlichen Handelns gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
5Im Mai 2016 hat die Klägerin Feststellungsklage erhoben und zur Begründung ihres Feststellungsinteresses neben drohender Straf- und Bußgeldverfahren auf die mögliche Erforderlichkeit einer Änderung des Produktnamens und unzumutbare Wettbewerbsnachteile gegenüber anderen Unternehmen verwiesen. Sie befürchte Umsatzeinbußen in Höhe von bis zu 200 000 € und den Verlust von Arbeitsplätzen. Während des Laufs des Berufungsverfahrens hat die Klägerin den Produktnamen als rechtlich geschützte Marke eintragen lassen.
6Die Klage ist in den Vorinstanzen als zulässig, in der Sache aber unbegründet abgewiesen worden (OVG Magdeburg, Beschluss vom - 3 L 358/17 - ZLR 2018, 856). Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, der Produktname enthalte eine allgemeine gesundheitsbezogene Angabe, die mangels ordnungsgemäßer Begleitangabe gemäß Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. L 404 S. 9), in der zuletzt durch Verordnung (EU) Nr. 1047/2012 der Kommission vom (ABl. L 310 S. 36) geänderten Fassung, unzulässig sei. Die Begleitangabe weise keinen hinreichenden inhaltlichen Bezug zu der unspezifischen Gesundheitsangabe im Produktnamen auf. Der Verweis auf die Inhaltsstoffe Zink, Mangan und Kupfer rechtfertige keine Angabe über positive Wirkungen auf Funktion oder Erhalt von Gelenken. Die Verwendung der Bezeichnung "Gelenk-Tabletten plus" sei auch nicht durch Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 erlaubt.
72. Die gegen die Nichtzulassung der Revision gerichtete Beschwerde der Klägerin hat den allein in Anspruch genommenen Zulassungsgrund der grundsätzlich bedeutsamen Rechtsfrage (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) nicht aufgezeigt.
8Die von der Beschwerde bezeichneten Fragen lassen sich, soweit sie entscheidungserheblich sind, auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens anhand der einschlägigen Vorschriften und der bestehenden Judikatur hinreichend sicher beantworten.
9a) Die Frage,
"ob Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel (VNGA) für Produktnamen vorrangig vor Art. 10 Abs. 3 VNGA anzuwenden" ist,
stellt sich in dieser Weise bereits nicht. Die in der Sache aufgeworfene Frage nach dem systematischen Verhältnis der beiden Vorschriften lässt sich im Übrigen eindeutig beantworten.
10Mit der Vorstellung einer die generelle Anordnung in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verdrängenden Spezialvorschrift beruht die Frage auf einem Fehlverständnis der in Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 getroffenen Bestimmung. Die Vorschrift verweist vielmehr auf die Anforderungen der Verordnung - und damit auch Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006. Dies gilt zwar nicht für den Markennamen selbst, der von einer isolierten Prüfung freigestellt wird. Den Voraussetzungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 muss aber die erforderliche Begleitangabe entsprechen.
11Dies ergibt sich bereits unmittelbar aus dem Wortlaut der Regelung in Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006, die auf eine Angabe Bezug nimmt, "die dieser Verordnung entspricht". Ob diese Begleitangabe den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 entspricht, kann allein anhand der einschlägigen Bestimmungen dieser Verordnung beurteilt werden.
12Der systematische Bezug der Vorschriften wird auch durch die Entstehungsgeschichte belegt. Die in Art. 1 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 getroffene Regelung stellt eine Kompromisslösung der ursprünglich gegenläufigen Vorstellungen dar: Während die Kommission eine umfassende Einbeziehung markenrechtlich geschützter Namen vorgeschlagen hatte, favorisierte das Europäische Parlament in erster Lesung noch eine generelle Ausklammerung von Marken aus dem Anwendungsbereich der Verordnung (vgl. Epping/Greifeneder, WRP 2006, 830 <832 f.> m.w.N.). Die verabschiedete "Kopplungslösung" respektiert nun einerseits die markenrechtlich geschützte Bezeichnung und entbindet entsprechende Produkte von der grundsätzlich geltenden Zulassungspflicht. Sie verlangt andererseits aber die Beifügung einer zusätzlichen Angabe, die der Verordnung entspricht, und gewährleistet damit die Einhaltung der hierfür statuierten materiellen Anforderungen. Markennamen, die nährwert- oder gesundheitsbezogene Angaben enthalten könnten, werden so durch die "gekoppelte" Begleitangabe flankiert. Irreführungen, die bei isolierter Verwendung des Markennamens möglicherweise entstehen könnten, sollen so vermieden werden.
13Aus dieser Zielrichtung der geforderten Begleitangabe folgt auch, dass diese inhaltlich auf den Markennamen bezogen sein muss (Meyer, in: Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, HCVO Rn. 75). Andernfalls wäre die Beifügung nicht nur sinnlos, sondern irreführend (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand: November 2018, C 111, Art. 1 Rn. 39). Dies ist im Wortlaut der deutschen Sprachfassung zwar weniger deutlich als in der englischen ("related") oder französischen ("correspondante") Fassung, in denen die Bezugnahme auch im gewählten Wortlaut plastisch wird. Der erforderliche Zusammenhang wird mit der Bezugnahme auf eine der "betreffenden" Kennzeichnung beigefügten Angabe aber auch in der deutschen Verordnungsfassung hinreichend sichtbar.
14Damit ist auch die zweite in der Beschwerde bezeichnete Frage,
"ob als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal und in welcher Weise ein inhaltlicher Bezug zwischen einem gesundheitsbezogenen Markennamen bzw. einer nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angabe einerseits und einer beigefügten zugelassenen spezifischen gesundheitsbezogenen Angabe andererseits bestehen muss",
beantwortet.
15Entsprechendes gilt für die parallele Kopplungsanordnung in Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 (ebenso Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Band II, Stand: November 2018, C 111, Art. 1 Rn. 31 sowie Art. 10 Rn. 39; Epping/Greifeneder, WRP 2006, 830 <835>; Loosen, ZLR 2006, 521 <527>; Hagenmeyer/Hahn, StoffR 2013, 2 <6> sowie Hagenmeyer/Seehafer, VNGA-Kommentar, 2015, Art. 10 Rn. 10; a.A. Meisterernst/Haber, WRP 2007, 363 <378> sowie dies. inhaltsgleich in Praxiskommentar Health & Nutrition Claims, Band 2, Stand: November 2018, Art. 10 Rn. 26 ff.). Auch hier liegt der Sinn der geforderten Begleitangabe gerade darin, Irrtümer zu vermeiden, die durch unspezifische gesundheitsbezogene Angaben entstehen können. Die Präzisierung muss sich daher auf die Bezeichnung beziehen, die den möglicherweise falschen Eindruck begründen kann. Eine Verknüpfung gesundheitsbezogener Angaben mit Erläuterungen, die keinen inhaltlichen Zusammenhang hierzu aufweisen, verfehlt nicht nur den mit Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 beabsichtigten Zweck, sie würde vielmehr zusätzliche Irrtümer befördern. Das Verbot falscher, mehrdeutiger oder irreführender Angaben gilt gemäß Art. 3 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 aber allgemein und für alle gesundheitsbezogenen Angaben (vgl. [ECLI:EU:C:2012:526], Deutsches Weintor - Rn. 50).
16b) Enthält der Markenname gesundheitsbezogene Angaben, die so unspezifisch sind, dass sie nicht Gegenstand eines Zulassungsverfahrens sein könnten, ist die erforderliche Begleitangabe an den Anforderungen aus Art. 10 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 zu messen (vgl. - NJW-RR 2013, 1262 Rn. 13 m.w.N.).
17Ob die hier streitgegenständliche Produktbezeichnung in Ansehung ihres konkreten Bezugs auf Gelenke als hinreichend bestimmt angesehen werden kann, bedarf einer einzelfallbezogenen Würdigung (vgl. - ZLR 2011, 226 Rn. 9), die das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Grundsatzrüge nicht zu prüfen hat.
18Die hierauf bezogene Frage,
"ob es sich bei der Bezeichnung 'Gelenk-Tabletten Plus' um eine spezifische oder nichtspezifische Angabe im Sinne des Art. 10 Abs. 3 VNGA handelt",
hat demnach keine grundsätzliche Bedeutung. Verfahrensbezogene Rügen hat die Beschwerde nicht dargetan.
19Die Ausführungen des Berufungsgerichts lassen Rechtsfehler jedenfalls im Hinblick auf den zugrunde gelegten Maßstab nicht erkennen. Voraussetzung für die Zulassung einer spezifischen Angabe ist u.a., dass sie durch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichert ist (vgl. Art. 6 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006; hierzu auch - ZLR 2018, 811 Rn. 22). Ein derartiger Wirkungszusammenhang kann indes grundsätzlich nicht allgemein in Bezug auf Gelenke, sondern nur im Hinblick auf bestimmte Körperfunktionen - wie etwa die Gelenkbeweglichkeit oder die Gelenkstabilität - beschrieben werden (vgl. Art. 13 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006; zur entsprechend restriktiven Praxis der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit auch Hagenmeyer/Hahn, StoffR 2013, 2 <4 f.> m.w.N.). Im Übrigen würden sich die Anforderungen für die Begleitangabe bei Annahme einer speziellen Angabe im Sinne von Art. 10 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 verschärfen; hierauf hat bereits das Berufungsgericht zutreffend hingewiesen. Die Einordnung wirkt daher nicht zu Lasten der Klägerin.
20c) Die Frage, ob es
"hiernach zulässig ist, für ein Nahrungsergänzungsmittel die Bezeichnung 'Gelenk-Tabletten Plus' zu verwenden",
bzw. ob
"bei der Verwendung von zugelassenen gesundheitsbezogenen Angaben zur Kopplung mit einem gesundheitsbezogenen Markennamen die weit gefassten beigefügten zugelassenen Angaben für Knochen und Bindegewebe verwendet werden dürfen, um eine unspezifische Angabe zu untermauern, die sich auf ein bestimmtes Körperteil (Gelenk) beschränkt, deren Bestandteile Knochen und Bindegewebe sind",
ist ebenfalls auf das Ergebnis der einzelfallbezogenen Würdigung gerichtet und damit einer Grundsatzrüge nicht zugänglich.
21Wie eng der inhaltliche Bezug der Begleitangabe zu der Bezeichnung im Markennamen sein muss, lässt sich nicht in abstrakter Weise bestimmen. Auch insoweit ist das Berufungsgericht aber in Bezug auf die rechtlichen Maßstäbe von zutreffenden Erwägungen ausgegangen: Es hat insbesondere auf die Wirkungszusammenhänge der angegebenen Inhaltsstoffe mit den in Bezug genommenen Körperfunktionen und die Vermeidung einer Irreführung abgestellt (BA S. 16 f.).
22Es ist schließlich auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht bei der Würdigung des Gesamteindrucks auch die auf dem Etikett befindliche bildliche Darstellung eines menschlichen, sich in (Lauf-)Bewegung befindlichen athletischen Oberkörpers berücksichtigt hat. Es erscheint nicht fernliegend, aus der im Produktnamen enthaltenen Bezeichnung "Gelenk" und der dynamisch sportlichen Darstellung abzuleiten, dass mit dieser Aufmachung eine positive Wirkung des Produkts gerade im Hinblick auf Gelenke suggeriert werden soll. Insoweit kommt den in Bezug genommenen Inhaltsstoffen indes keine belegbare Wirkung zu, wie das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf die Entscheidungspraxis der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit dargelegt hat. Aus dem Umstand, dass auch Gelenke aus Knochen bestehen und hierfür Zink und Mangan als spezielle gesundheitsbezogene Angaben zugelassen sind, folgt entgegen der mit der Beschwerde vorgetragenen Auffassung nichts anderes: Die Klägerin vertreibt keine "Knochen-Tabletten".
233. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:240519B3B53.18.0
Fundstelle(n):
HAAAH-22649