Berücksichtigung des Heiratsprivilegs nach § 18 Abs. 2 KonsVerCHEV nicht im Steuerfestsetzungsverfahren, sondern einem gesonderten
Billigkeitsverfahren
Leitsatz
1. Da § 2 Abs. 2 AO (i.d.F. des JStG 2010) nicht die Bestimmtheitsanforderungen erfüllt, die nach Art. 80 Abs. 1 GG an eine
Verordnungsermächtigung zu stellen sind, genügt die Verordnung zur Umsetzung von Konsultationsvereinbarungen zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft – Deutsch-Schweizerische Konsultationsvereinbarungsverordnung
– vom (BGBl 2010 I S. 2187 – KonsVerCHEV –) nicht den Anforderungen des Gesetzesvorbehalts nach Art. 20 Abs. 3
GG. Das betrifft nicht nur § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV und § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV, sondern auch, die den Wegzug in die Schweiz
wegen Heirat mit einer Person schweizerischer Staatsangehörigkeit regelnde, begünstigende Vorschrift des § 18 Abs. 2 KonsVerCHEV
(Anschluss an , BStBl 2016 II S. 326 betreffend § 24 Abs. 1 KonsVerCHEV und , BFH/NV 2019 S. 62 betreffend § 9 Abs. 1 KonsVerCHEV; entgegen BStBl
2016 I S. 471).
3. Zieht eine mehr als fünf Jahre unbeschränkt steuerpflichtige deutsche Staatangehörige im Jahr der Heirat mit einem Schweizer
Staatsangehörigen in die Schweiz um und ist sie als Grenzgängerin weiter bei einem inländischen Arbeitgeber angestellt, so
steht nach Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz Deutschland das Besteuerungsrecht auch für die nach dem Umzug erzielten Einkünfte
weiter zu. Das in § 18 Abs. 2 KonsVerCHEV als sog. Heiratsprivileg zum Ausdruck gebrachte Abkommensverständnis wird nicht
durch den Wortlaut des Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz gedeckt und ist deshalb für eine Änderung der Besteuerungsbefugnisse eines
DBA nicht verbindlich.
4. Mangels Verbindlichkeit des auf einer nicht hinreichenden Verordnungsermächtigung beruhenden § 18 Abs. 2 KonsVerCHEV kann
dieser nur als Billigkeitsregelung gewertet werden. Die Anwendung von Billigkeitsregelungen kann indessen nicht Gegenstand
des Steuerfestsetzungsverfahrens sein, sondern nur in einem hiervon zu unterscheidenden Verfahren gemäß § 163 oder § 227 AO
verfolgt werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
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