BMJV-Evaluierung zum Umsatzbegriff, durch den einst ein BilRUG ging
In der BilRUG-Beschlussempfehlung vom hieß es, „dass der Begriff der Umsatzerlöse ausgeweitet wird und künftig auch einen Teil solcher Erträge erfasst, die bisher unter anderen Ertragsarten wie insbesondere unter sonstigen betrieblichen Erträgen erfasst werden. Die bisherige Trennlinie in Form der Beschränkung der Umsatzerlöse auf die gewöhnliche Geschäftstätigkeit wird ausdrücklich aufgegeben“ (BT-Drucks. 18/5256, S. 82). Im Gesetzgebungsverfahren war diese Auffassung höchst umstritten. Das BMJV sollte daher dem zuständigen BT-Ausschuss „innerhalb von fünf Jahren berichten, wie die Richtlinie 2013/34/EU in den einzelnen Mitgliedstaaten in Bezug auf die Umsatzerlöse umgesetzt wurde, ob ein Verfahren zur Änderung der Richtlinie 2013/34/EU angeregt wurde und welche Erfahrungen aus der Praxis vorliegen“ (S. 79). In einem Schreiben vom bat das BMJV daher um Rückmeldung hinsichtlich der mit der BilRUG-Neudefinition der Umsatzerlöse gem. § 277 Abs. 1 HGB verbundenen Praxisprobleme.
Die Probleme liegen nach wie vor auf der Hand: Der Posten Umsatzerlöse darf aus betriebswirtschaftlicher Sicht nur solche Erträge enthalten, die auch dem Kerngeschäft zugeordnet werden können. Andernfalls ist sein Informationswert fraglich. Der in § 277 Abs. 1 HGB übernommene Wortlaut der Bilanzrichtlinie wurde leider so (falsch-)verstanden, dass bei der Zuordnung von Erträgen zu den Umsatzlösen in Abgrenzung zu den sonstigen betrieblichen Erträgen das (Kern-)Geschäftsmodel des Unternehmens keine Rolle mehr spielen darf. Insofern können (und müssen?) seit dem BilRUG z. B. auch Kantinenerträge oder sogar Sachleistungen an Arbeitnehmer (sic!) in den Umsatzerlösen (statt in den sonstigen betrieblichen Erträgen) ausgewiesen werden. Das zerstört die Aussagekraft der Gewinn- und Verlustrechnung, wodurch die Darstellung der Ertragslage beeinträchtigt wird (§ 264 Abs. 2 HGB). Es erscheint bis heute ungeklärt, wie weit die zweckwidrige Einbeziehung von betriebsfremden Ertragskomponenten in die Umsatzerlöse zu treiben ist und inwieweit sie im Einzelfall möglich oder verpflichtend sein soll.
Vor allem bereitet der aufgeblähte Umsatzbegriff im Umsatzkostenverfahren Probleme, da neben dem Umsatzposten konzeptionell auch die Abgrenzung der Herstellungskosten des Umsatzes (mit-)betroffen ist (vgl. Haaker, DStR 2015 S. 963 ff.). Hier drohen die Aussagekraft und Konsistenz der Gewinn- und Verlustrechnung gänzlich verloren zu gehen. Auf Ersteller- und Prüferseite zeigen sich auch beim Gesamtkostenverfahren zahlreiche Abgrenzungsprobleme, was der Rechtssicherheit schadet. Absurdestes Musterbeispiel sind wohl die Sachleistungen an Arbeitnehmer, welche nach der Neudefinition teilweise als Umsatzerlöse gelten müssten.
In der Literatur wird vor dem Hintergrund der zuvor skizzierten Problemlage die Auffassung vertreten, „dass die bewährten Abgrenzungen [der Umsatzerlöse] zu den sonstigen betrieblichen Erträgen auch nach BilRUG gelten“ (Hoffmann/Lüdenbach, NWB Kommentar Bilanzierung, 10. Aufl. 2019, § 277 Rz. 6 NWB XAAAH-00285). Es wäre zu begrüßen, wenn sich die politisch Verantwortlichen diese durch die Bilanzrichtlinie gedeckte Auffassung zu Eigen machen würden.
Andreas Haaker
Fundstelle(n):
StuB 12/2019 Seite 1
IAAAH-20871