Nichtannahmebeschluss: Nichtberücksichtigung fristgerecht eingegangener Stellungnahmen im Klageerzwingungsverfahren verletzt Anspruch auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG) - jedoch Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde wegen Subsidiarität (§ 90 Abs 2 BVerfGG) bei unterbliebener Einlegung der Gehörsrüge im fachgerichtlichen Verfahren
Gesetze: Art 103 Abs 1 GG, § 90 Abs 2 S 1 BVerfGG, § 33a StPO, § 172 Abs 1 StPO, § 172 Abs 2 S 1 StPO
Instanzenzug: OLG Rostock Az: 20 Ws 257/18 Beschluss
Gründe
I.
1Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Versagung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines Klageerzwingungsverfahrens.
2Mit Schreiben vom erstattete der Beschwerdeführer Strafanzeige gegen den Beschuldigten wegen falscher Aussage. Die Staatsanwaltschaft Schwerin stellte das Ermittlungsverfahren mit Verfügung vom gemäß § 170 Abs. 2 StPO ein.
3Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Generalstaatsanwalt in Rostock mit Bescheid vom zurück.
4Mit Schreiben vom beantragte der Beschwerdeführer beim Oberlandesgericht Rostock die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines hiergegen gerichteten Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung.
5Mit Schreiben vom nahm die Generalstaatsanwaltschaft Rostock zu dem Antrag Stellung und beantragte, diesen als unzulässig zu verwerfen. Die Antragsschrift enthalte bereits keine Angaben zur Wahrung der Frist des § 172 Abs. 1 StPO, namentlich würden die Zugangsdaten der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft sowie das Datum der Absendung der hiergegen gerichteten Beschwerde nicht mitgeteilt. Das gelte auch für den Inhalt der angegriffenen Entscheidungen der Staatsanwaltschaft und des Generalstaatsanwalts. Schließlich setze sich der Beschwerdeführer nicht mit der dort vorgenommenen Würdigung des Sachverhalts auseinander.
6Am übersandte das Oberlandesgericht dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft vom mit Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zehn Tagen. In dem an das Oberlandesgericht gerichteten Schreiben vom ging der Beschwerdeführer sodann insbesondere auf die Ausführungen im Schreiben der Generalstaatsanwaltschaft vom näher ein.
7Mit Beschluss vom wies das Oberlandesgericht den Antrag des Beschwerdeführers vom zurück, weil die Antragsschrift bereits keine Angaben zur Wahrung der Frist des § 172 Abs. 1 StPO enthalte, insbesondere die Zugangsdaten der Einstellungsverfügung sowie das Datum der Absendung der hiergegen gerichteten Beschwerde nicht mitteile. Das gelte auch für den Inhalt der angegriffenen Entscheidungen von Staatsanwaltschaft und Generalstaatsanwalt. Schließlich setze sich der Beschwerdeführer nicht mit der hierin enthaltenen Würdigung des Sachverhalts auseinander. Soweit er im Schreiben vom weitere Ausführungen tätige, seien diese außerhalb der Frist des § 172 Abs. 2 Satz 1 StPO und damit verspätet erfolgt und daher unbeachtlich.
II.
8Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen (§ 93a Abs. 2 BVerfGG), weil sie unzulässig ist.
91. Das Oberlandesgericht hat allerdings das Vorbringen des Beschwerdeführers im Schreiben vom bei Abfassung des Beschlusses vom nicht berücksichtigt und dadurch seinen Anspruch auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG in entscheidungserheblicher Weise verletzt.
10Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährleistet nicht nur die Gelegenheit zur Stellungnahme, sondern auch die angemessene Berücksichtigung des Vorgebrachten. Die Ausführungen der Prozessbeteiligten sind vom Gericht zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. BVerfGE 11, 218 <220>; 69, 145 <148>; 70, 288 <293>; 105, 279 <311>; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 1155/18 -, Rn. 11). Wenn das Gericht eine Stellungnahmefrist gesetzt hat, sind daher alle fristgerecht eingereichten Schriftsätze bei der Entscheidungsfindung zu berücksichtigen (vgl. BVerfGE 12, 110 <113>; 42, 243 <247>; 49, 212 <215>; 64, 224 <227>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 859/13 -, Rn. 11; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom - 1 BvR 2195/14 -, Rn. 7; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 745/14 -, Rn. 22; stRspr).
11Das Oberlandesgericht hat die Ausführungen des Beschwerdeführers in seinem Schreiben vom bei der Abfassung des Beschlusses vom dagegen nicht berücksichtigt, obwohl es ihm mit Schreiben vom eine Frist zur Stellungnahme eingeräumt hatte, die bei Abfassung des Beschlusses vom noch nicht abgelaufen war. Die Frist zur Stellungnahme hatte es eingeräumt, um dem Beschwerdeführer Gelegenheit zu geben, zu den im Schreiben des Generalstaatsanwalts vom formulierten Bedenken gegen die Zulässigkeit des Antrags Stellung zu nehmen. Diese hat das weitgehend übernommen, einschließlich der zitierten Fundstellen. Das Oberlandesgericht hätte bei seiner Entscheidungsfindung die Ausführungen des Beschwerdeführers berücksichtigen müssen, sodass die Verwerfung des Antrags vom jedenfalls nicht mit der im Beschluss vom enthaltenen Begründung erfolgen konnte.
122. Die Verfassungsbeschwerde genügt allerdings nicht dem Grundsatz der Subsidiarität (§ 90 Abs. 2 BVerfGG), weil der Beschwerdeführer es unterlassen hat, die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG mit einer Anhörungsrüge nach § 33a StPO zur fachgerichtlichen Überprüfung zu stellen. Diese wäre nicht offensichtlich aussichtslos gewesen. Der Beschwerdeführer kann daher auch die Verletzung anderer verfassungsmäßig geschützter Rechte nicht mehr geltend machen (vgl. BVerfGK 5, 337 <339>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom - 2 BvR 1313/16 -, Rn. 13).
13Von einer weiteren Begründung wird nach § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
14Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerfG:2019:rk20190529.2bvr021719
Fundstelle(n):
NAAAH-20664