Erweiterung von Vorfeldflächen auf einem Flughafen (Gemeindeklage)
Gesetze: § 8 Abs 1 LuftVG, § 8 Abs 4 LuftVG, § 10 LuftVG, § 73 Abs 2 VwVfG, § 74 Abs 7 VwVfG
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 20 D 80/15.AK Urteil
Gründe
1Die Klägerin, eine Gemeinde in der Umgebung des Verkehrsflughafens Düsseldorf, wendet sich gegen einen Planfeststellungsbeschluss für die Errichtung von Vorfeldflächen auf dem westlichen Betriebsgelände des Flughafens. Das Oberverwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen.
2Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
3I. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung die ihr die Beschwerde beimisst.
4Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91>).
51. Die Beschwerde möchte der Sache nach rechtsgrundsätzlich klären lassen,
ob die Gemeinden, in denen der Plan in einem luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren nach § 10 Abs. 2 LuftVG, § 73 Abs. 2 VwVfG NRW auszulegen ist, entsprechend der mit den Planunterlagen vorgelegten Prognosen des Vorhabenträgers bestimmt werden dürfen, obwohl diese im Planfeststellungsverfahren noch überprüft werden müssen.
6Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht klärungsbedürftig ist.
7Nach § 10 Abs. 2 LuftVG i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG NRW veranlasst die Anhörungsbehörde, dass der Plan in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirken wird, ausgelegt wird. Für den räumlichen Umgriff sind solche Auswirkungen maßgebend, die eine planerische Konfliktbewältigung gerade in dem anstehenden Planfeststellungsverfahren erforderlich machen können. Auf diesen im Wege einer Prognoseentscheidung ermittelten räumlichen Bereich ist die Auslegung zu erstrecken ( 4 A 7001.11 u.a. - BVerwGE 144, 44 Rn. 32, vom - 7 A 28.12 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 71 Rn. 20 und vom - 9 A 9.15 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 241 Rn. 15). Dass die für die Reichweite der Auslegung herangezogenen Prognosen im weiteren Planungsverfahren oder in einem Gerichtsverfahren auf den Prüfstand gestellt werden können, schließt es nicht aus, sie für die Abgrenzung des Auslegungsgebiets heranzuziehen. Es ist auch weder dargelegt noch sonst ersichtlich, wie der Umgriff ohne eine - im Verfahren stets angreifbare - Prognose zu bestimmen sein könnte.
8Welche Folgen aus einer fehlerhaften Prognose und einem infolgedessen zu gering bemessenen Auslegungsgebiet zu ziehen wären, bedarf keiner Entscheidung. Nach den sachverständigen Stellungnahmen beschränken sich die Auswirkungen des Planvorhabens auf das Gebiet der Stadt Düsseldorf; außerhalb davon - und damit auch im Gemeindegebiet der Klägerin - komme es zu keiner veränderten bzw. keiner wesentlich veränderten Immissionssituation. Diese Einschätzung hat das Oberverwaltungsgericht gebilligt (UA S. 33). Die öffentliche Auslegung allein in Düsseldorf genügte damit § 10 Abs. 2 LuftVG i.V.m. § 73 Abs. 2 VwVfG NRW.
92. a) Die Beschwerde sieht grundsätzlichen Klärungsbedarf,
ob die Planrechtfertigung nach den Angaben des Vorhabenträgers zu ermitteln ist oder die Planfeststellungsbehörde und das zur Überprüfung berufene Gericht die Planrechtfertigung auch aus anderen Gründen feststellen darf.
10Die Frage führt nicht zur Zulassung der Revision. Sie ist in der Rechtsprechung bereits geklärt.
11Eine Flughafenplanung ist gerechtfertigt, wenn für das beabsichtigte Vorhaben nach Maßgabe der vom Luftverkehrsgesetz verfolgten Ziele einschließlich sonstiger gesetzlicher Entscheidungen ein Bedürfnis besteht, die Maßnahme unter diesem Blickwinkel also objektiv erforderlich ist. Die Planrechtfertigung erfordert die Prüfung, ob das Vorhaben mit den Zielen des Gesetzes übereinstimmt (fachplanerische Zielkonformität) und ob das Vorhaben für sich in Anspruch nehmen kann, in der konkreten Situation erforderlich zu sein. Das ist nicht erst bei Unausweichlichkeit des Vorhabens der Fall, sondern bereits dann, wenn es vernünftigerweise geboten ist ( 11 A 53.97 - BVerwGE 107, 142 <145>, vom - 4 A 1075.04 - BVerwGE 125, 116 Rn. 182 und vom - 4 A 2001.06 - BVerwGE 127, 95 Rn. 34). Die Planrechtfertigung unterliegt, soweit nicht behördliche Verkehrsprognosen in Rede stehen, uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle ( 4 C 8.09 u.a. - BVerwGE 142, 234 Rn. 59 und Beschluss vom - 9 B 29.14 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 237 Rn. 4). In der Konsequenz dieser gerichtlichen Kontrollbefugnis liegt es, dass das Gericht eine im Planfeststellungsbeschluss angegebene Begründung für die Planrechtfertigung anders als die Planfeststellungsbehörde beurteilen und dennoch die Planrechtfertigung für gegeben erachten kann ( 4 C 59.82 - BVerwGE 72, 282 <285 f.> und vom - 4 C 41.88 - BVerwGE 84, 123 <131>). Die behördliche oder gerichtliche Prüfung der Planrechtfertigung ist damit nicht auf die vom Vorhabenträger angeführten Gründe beschränkt. Warum diese Rechtssätze, von denen das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist (UA S. 45 f.), einer erneuten revisionsgerichtlichen Überprüfung bedürften, legt die Beschwerde nicht dar (vgl. 4 B 1.14 - BRS 82 Nr. 174 Rn. 6).
12b) Die Beschwerde wirft weiter die Frage auf,
ob die Planrechtfertigung für einen Planfeststellungsbeschluss besteht, wenn die zur Feststellung beantragten Maßnahmen dem landseitigen Ausbau eines Verkehrsflughafens dienen, dieser jedoch nach zwei im Verfahren vorgelegten Gutachten bereits in der Lage ist, die luftverkehrsrechtlich genehmigten Bewegungszahlen sicher abzuwickeln.
13Diese Frage ist allein auf die Besonderheiten des Einzelfalls zugeschnitten und führt daher nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.
143. Die Beschwerde sieht rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf,
ob sich ein luftverkehrsrechtlicher Planfeststellungsbeschluss auf solche Baumaßnahmen erstrecken muss, die - teils auf der Grundlage einer Unterbleibensentscheidung - bereits zuvor durchgeführt worden sind und dem gleichen planerischen Ziel wie der Planfeststellungsbeschluss dienen, und
ob der luftverkehrsrechtliche Planfeststellungsbeschluss vorherige, nicht planfeststellungspflichtige landseitige Änderungs- und Ausbaumaßnahmen, welche die Ausnutzbarkeit einer bestandskräftigen Betriebsgenehmigung erhöhen, in der Abwägung berücksichtigen muss, um den "Zielzustand" des Flughafens zu legitimieren.
15Die Fragen führen nicht zur Zulassung der Revision, weil sie nicht klärungsbedürftig sind.
16Bestehende Flughäfen dürfen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 LuftVG nur geändert werden, wenn der Plan nach § 10 LuftVG vorher festgestellt ist. Dabei bestimmt der Träger des Vorhabens mit seinem Genehmigungsantrag und dem darin vorgestellten konkreten Konzept den Genehmigungsgegenstand ( 11 C 14.00 - BVerwGE 114, 364 <368> und vom - 7 A 1.15 - BVerwGE 156, 20 Rn. 35). Der Vorhabenträger ist berechtigt, Abschnitte zu bilden. Dritte haben grundsätzlich kein Recht darauf, dass über die Zulassung eines Vorhabens insgesamt, vollständig und abschließend in einem einzigen Bescheid entschieden wird ( 7 A 4.12 - BVerwGE 147, 184 Rn. 50 und vom - 4 A 11.16 u.a. - BVerwGE 159, 121 Rn. 31). Eine Abschnittsbildung kann Dritte allerdings unter anderem dann in ihren Rechten verletzen, wenn sie dazu führt, dass die abschnittsweise Planfeststellung dem Grundsatz umfassender Problembewältigung nicht gerecht werden kann ( 4 A 4.15 - BVerwGE 157, 73 Rn. 26). Teilplanungen dürfen also nicht so weit verselbständigt werden, dass Probleme, die durch die Gesamtplanung geschaffen werden, unbewältigt bleiben ( ebd.).
17Welchen weiteren Klärungsbedarf die Beschwerde sieht, legt sie nicht dar. Ihre Rechtsauffassung geht im Übrigen daran vorbei, dass das Luftverkehrsrecht nicht verlangt, dass über alle Baumaßnahmen auf einem Flughafengelände im Wege der Planfeststellung entschieden wird. So ist die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von Hochbauten nach § 8 Abs. 4 Satz 1 LuftVG nicht zwingend Gegenstand der Planfeststellung (vgl. 9 A 3.01 - BVerwGE 115, 158 <163> und Beschluss vom - 4 B 16.07 - Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 28). Nach § 8 Abs. 1 Satz 10 LuftVG i.V.m. § 74 Abs. 7 Satz 1 VwVfG entfallen Planfeststellung und Plangenehmigung in Fällen von unwesentlicher Bedeutung. Der Gesetzgeber geht also nicht davon aus, dass jede einzelne Baumaßnahme eines Flughafens einer Genehmigung durch einen Planfeststellungsbeschluss bedarf.
18b) Die Beschwerde möchte weiter rechtsgrundsätzlich klären lassen,
auf welche Maßnahmen sich die Umweltverträglichkeitsprüfung in einem luftverkehrsrechtlichen Planfeststellungsverfahren erstrecken muss, wenn der Planfeststellungsgegenstand erstmals zur Ausnutzbarkeit einer vorher nicht vollständig nutzbaren, aber bestandskräftigen Betriebsgenehmigung führt?
19Die Klägerin verlangt, auch frühere landseitige Ausbaumaßnahmen und ihre Auswirkungen in die Umweltverträglichkeitsprüfung einzubeziehen. Ihre Frage ist indes nicht grundsätzlich klärungsbedürftig und führt daher nicht zur Zulassung der Revision. Die verfahrens- und materiell-rechtlichen Anforderungen an die Planfeststellung beziehen sich auf das jeweilige Vorhaben, auch wenn es sich um den Abschnitt eines Gesamtvorhabens handelt. Dies gilt auch für die Umweltverträglichkeitsprüfung ( 9 A 9.15 - BVerwGE 155, 91 Rn. 43, vom - 4 A 1.16 - Buchholz 451.17 § 43 EnWG Nr. 5 Rn. 18 und vom - 3 A 1.16 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 77 Rn. 52). Gegen diese Sichtweise bestehen auch mit Blick auf das Unionsrecht keine vernünftigen Zweifel ( 9 A 18.15 - Buchholz 451.91 Europ. UmweltR Nr. 68 Rn. 35 ff.). Weitergehenden rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf legt die Beschwerde nicht dar.
20II. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Die Beschwerde verfehlt die Bezeichnungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.
21Die Vorinstanz hat einen Beweisantrag der Klägerin abgelehnt, weil es auf die unter Beweis gestellten Tatsachen nicht ankomme (UA S. 70, 80, 84, 89). Einen Verfahrensfehler legt die Beschwerde insoweit nicht dar. Das Tatsachengericht muss nur solche Tatsachen aufklären, die entscheidungserheblich sind. Es muss deshalb auch nur solchen Beweisanträgen entsprechen, die auf die Klärung derartiger Tatsachen abzielen. Andere Beweisanträge kann es ablehnen (stRspr, 6 B 59.14 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 11 Rn. 39). Maßgeblich ist dabei die materielle Rechtsauffassung des Tatsachengerichts ( 11 C 11.96 - BVerwGE 106, 115 <119>). Dass nach dieser Rechtsauffassung die unter Beweis gestellte Tatsache erheblich war, legt die Beschwerde nicht dar, sondern beschränkt sich auf den Vorwurf, das angefochtene Urteil habe sich insoweit keine ausreichenden Gedanken gemacht.
22Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2019:160419B4B51.18.0
Fundstelle(n):
DAAAH-15719