BSG Beschluss v. - B 13 R 204/18 B

(Sozialgerichtliches Verfahren - Nichtzulassungsbeschwerde - grundsätzliche Bedeutung - Geltendmachung der vermeintlichen Verfassungswidrigkeit des § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6)

Gesetze: § 160 Abs 2 Nr 1 SGG, § 160 Abs 2 Nr 3 SGG, § 160a Abs 2 S 3 SGG, § 34 Abs 4 Nr 3 SGB 6, § 236b SGB 6, RVLVG, GG

Instanzenzug: SG Braunschweig Az: S 36 R 200/15 Urteilvorgehend Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Az: L 1 R 263/16 Urteil

Gründe

1I. Im Streit steht die Umwandlung einer bereits bezogenen Rente für langjährig Versicherte in eine Rente für besonders langjährig Versicherte zum .

2Die Beklagte hat dieses Begehren abgelehnt und das SG hat deren Auffassung bestätigt sowie die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Die Berufung des Klägers hiergegen hat das zurückgewiesen. Es hat die Revision nicht zugelassen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner Beschwerde an das BSG und macht eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Ferner rügt er einen Verfahrensfehler (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG).

3II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Die Beschwerdebegründung vom genügt nicht der vorgeschriebenen Form.

41. Der Kläger hat eine grundsätzliche Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargelegt (§ 160 Abs 2 Nr 1 iVm § 160a Abs 2 S 3 SGG).

5Für die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung ist in der Beschwerdebegründung eine konkrete Rechtsfrage in klarer Formulierung zu bezeichnen und schlüssig darzulegen, dass diese klärungsbedürftig, in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 19; - SozR 4-1500 § 160 Nr 22 RdNr 5; - SozR 4-1500 § 160a Nr 5 RdNr 2 ff; - SozR 4-1500 § 160a Nr 9 RdNr 4, jeweils mwN). Es muss aus der Beschwerdebegründung ersichtlich sein, dass sich die Antwort auf die Rechtsfrage nicht ohne Weiteres aus dem Gesetz oder der bisherigen Rechtsprechung ergibt; hierzu bedarf es der Auseinandersetzung mit den vorinstanzlichen Entscheidungen und sonstiger einschlägiger Rechtsprechung. Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung getroffen oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier als maßgebend erkannte Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (vgl - Juris RdNr 9; Krasney in Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 183 mwN).

6Diese Anforderungen sind auch verfassungsrechtlich unbedenklich (BVerfG <Kammer> vom - 1 BvR 1786/01 - SozR 4-1500 § 160a Nr 12 RdNr 3 f; - SozR 4-1500 § 160a Nr 16 RdNr 4 f; - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff).

7Die Beschwerdebegründung wird diesen Voraussetzungen nicht gerecht.

8Ihre Zulässigkeit scheitert bereits daran, dass der Kläger keine abstrakte, seiner Ansicht nach klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert. Er führt lediglich eine von ihm erkannte Problemlage an, indem er ausführt: "Die Revision ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung gem § 160 Abs 2 Nr 1 SGG hat. Die verfassungsmäßige Auslegung des § 34 Abs 4 SGB VI ist für alle bisherigen und künftigen Gesetzesänderungen maßgeblich und bedeutsam." Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage in der Beschwerdebegründung ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (vgl - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7; s auch Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney in Krasney/Udsching/Groth, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl 2016, Kap IX RdNr 181).

9Selbst wenn man - unter Heranziehung seiner weiteren Ausführungen - annehmen wollte, er hielte es für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI auch den Fall erfasse, dass die Voraussetzungen für eine weitere Altersrente erst durch eine nach der Bewilligung der ersten Altersrente erfolgte Gesetzesänderung erfüllt werden können - hier also die Einführung einer vorgezogenen Altersrente für besonders langjährig Versicherte zum nach dem Beginn des Bezugs einer anderen Altersrente ab dem - bzw ob der in § 34 Abs 4 Nr 3 SGB VI normierte Ausschluss einer solchen Umwandlung ggf verfassungswidrig ist, mangelt es vorliegend an einer hinreichenden Darlegung der Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit dieser Fragen.

10Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Insoweit reicht es jedoch - wie hier geschehen - nicht, lediglich zu behaupten, die vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung befasse sich mit einer anderen Fallgestaltung. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Frage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Es hätte hier daher zumindest einer eingehenderen Auseinandersetzung mit den Entscheidungen des Senats vom (B 13 R 44/06 R - SozR 4-2600 § 236a Nr 1) und (B 13 R 44/07 R - SozR 4-2600 § 236a Nr 2) bedurft sowie dargelegt werden müssen, warum sich aus ihnen keine Anhaltspunkte für die Beantwortung der aufgeworfenen Frage ergeben.

11Denn in der ersten der beiden benannten Entscheidungen hat das BSG befunden, soweit das RV-Nachhaltigkeitsgesetz (RVNG) ab den Wechsel einer bindend festgestellten Altersrente in eine andere Rente wegen Alters ausschließe, sei das Vertrauen solcher Versicherten, die im Juli 2004 als schwerbehinderte Menschen anerkannt worden seien, auf den Fortbestand der Möglichkeit eines solchen Wechsels nicht geschützt (Leitsatz). Insoweit genügt es nicht anzudeuten, der Sachverhalt des vorliegenden Falls unterscheide sich von dem des bereits vom BSG entschiedenen, indem in Letzterem der Hinzutritt der Veränderung in der Natur des Versicherten und nicht wie hier in einer Gesetzesänderung gelegen habe. Hier wäre es erforderlich gewesen darzubringen, dass und warum die diesem Leitsatz zugrunde liegende Begründung nicht für die Beantwortung der aufgezeigten Rechtsfrage unter Berücksichtigung der konkreten Fallkonstellation herangezogen werden könne. Insoweit fehlt es bereits an einer genauen Sachverhaltsdarstellung, die es dem Beschwerdegericht ermöglichen könnte, die Unterschiede nachzuvollziehen.

13Zudem fehlen auch Ausführungen zur Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage im konkreten Fall. Der Senat vermag anhand des Vorbringens des Klägers nicht zu prüfen, ob die Beantwortung der möglicherweise aufgeworfenen Rechtsfrage im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt möglich und ihre Antwort für die Beurteilung der Rechtslage im konkreten Fall erheblich ist. Die Beschwerdebegründung enthält nur eine sehr rudimentäre Sachverhaltsdarstellung. Aus ihr ergibt sich nicht einmal, aus welcher Rentenart der Kläger wechseln wollte. Auch legt er nicht dar, wann er welche Rente beantragt hat und unter welchen Bedingungen sie ihm bewilligt bzw offensichtlich versagt worden ist. Eine Sachverhaltsschilderung gehört jedoch zu den Mindestvoraussetzungen der Darlegung bzw Bezeichnung des Revisionszulassungsgrundes. Es ist nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, sich im Rahmen des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens die maßgeblichen Tatsachen aus dem angegriffenen Urteil herauszusuchen ( 381/06 B - Juris RdNr 8 mwN).

142. Dieser Mangel berührt auch die Überprüfung des vom Kläger über die grundsätzliche Bedeutung hinaus gerügten Verfahrensfehlers, den er nicht einmal genau bezeichnet. Soweit er den Verfahrensfehler darin erblickt, dass das LSG die Anwendungsgrenzen des § 34 SGB VI nicht geprüft und verkannt hat, rügt er keinen Fehler des Verfahrens, sondern der Rechtsanwendung. Dies stellt keinen Verfahrensfehler iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG dar. Denn zu den Verfahrensmängeln zählen nur Verstöße gegen das Prozessrecht einschließlich der Vorschriften, auf die das SGG unmittelbar oder mittelbar verweist. Rügefähig sind folglich nur Fehler, die dem Gericht auf dem Weg zu seiner Entscheidung unterlaufen sind (error in procedendo; vgl - Juris RdNr 16 mwN; s auch - Juris RdNr 5).

15Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

16Die nicht formgerecht begründete Beschwerde ist gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen.

173. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2019:010419BB13R20418B0

Fundstelle(n):
DAAAH-14747