Mitteilungsanforderungen bei molekulargenetischem Vergleichsgutachten
Gesetze: § 261 StPO
Instanzenzug: LG Heilbronn Az: 15 Js 9665/17 - 1 Ks
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg.
I.
2Das Landgericht hat Folgendes festgestellt und gewertet:
31. Der Angeklagte lauerte am gegen 21.30 Uhr seiner Ehefrau, die sich bereits im Dezember 2015 von ihm getrennt hatte und einem neuen Lebenspartner zuwandte, an deren Arbeitsstelle auf. Er wollte sie aus Eifersucht töten, nachdem er ihre Scheidungsabsichten erkannt hatte. Der Angeklagte näherte sich seiner Ehefrau mit einem Messer von hinten, als sie gerade in ihr Fahrzeug steigen wollte, und fügte ihr eine "leicht bogenförmige" Schnittverletzung an der Kehle zu. Die Ehefrau drehte sich um und versuchte vergeblich, den Angeklagten abzuwehren; eine von ihr aus der Arbeitsstätte mitgebrachte leere Dose des Herstellers Red Bull fiel dabei zu Boden. Insgesamt stach der Angeklagte seiner Ehefrau neunmal in den Oberkörper und durchtrennte Leber, Lunge und Milz; die Ehefrau verblutete noch am Tatort.
42. Das Landgericht hat sich aufgrund einer Vielzahl von Hilfstatsachen von der Täterschaft des die Tat abstreitenden Angeklagten überzeugt. Dabei hat es einer vom Angeklagten herrührenden DNA-Spur am Boden der Getränkedose "ganz besondere Indizbedeutung" zugemessen (UA S. 167); denn damit könne er nur am Tatort in Kontakt gekommen sein, anders als mit der Jacke der Geschädigten, an deren Kapuze und Kragenseite ebenfalls auf den Angeklagten hinweisende DNA-Spuren - neben einem belastenden Faserspurenbild (UA S. 110 bis 115) - gesichert worden seien, und mit dem linken Finger, unter dessen Nagel die Sachverständige vom Landeskriminalamt eine für die Verursachung durch den Angeklagten sprechende "DYS-Spur" nachgewiesen habe (UA S. 108 f.). Daher sei die DNA-Spur an der Dose in der Gesamtschau das "gewichtigste Indiz", zu welchem der Angeklagte - anders als sonst (etwa zu einem angeblichen Besuch der Ehefrau am Morgen des Tattages, was als "Sinneswandel" im Einlassungsverhalten [UA S. 88] und "Anpassung an das Beweisergebnis" [UA S. 104] zu würdigen sei) - geschwiegen habe, weil ein Erklärungsversuch offensichtlich sinnlos gewesen sei.
II.
5Diese Beweiswürdigung hält wegen eines durchgreifenden Darstellungsmangels der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Sie verhält sich nicht zu den Grundlagen, aus denen abzuleiten ist, dass der Angeklagte das an der Red-Bull-Dose in einer Mischspur gesicherte Material "mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 3,3 Millionen mitverursacht habe" (UA S. 103).
61. Insoweit gilt:
7a) Ist dem Tatrichter mangels Sachkunde eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Gutachtens eines Sachverständigen nicht möglich, so genügt es, dass er sich von der Sachkunde des Gutachters überzeugt und sich danach dem Ergebnis des Gutachtens anschließt. Jedoch muss er in diesem Fall die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Ausführungen des Sachverständigen im Urteil so wiedergeben, dass das Rechtsmittelgericht prüfen kann, ob die Beweiswürdigung auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht und die Schlussfolgerungen nach den Gesetzen der Logik, den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens und den Erkenntnissen der Wissenschaft möglich sind (st. Rspr.; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 410/18, juris Rn. 5; vom - 2 StR 572/16, juris Rn. 11 und vom - 4 StR 270/13, NStZ-RR 2014, 115, 116 mwN). Der Umfang der Darlegungspflicht richtet sich dabei nach der jeweiligen Beweislage und der Bedeutung, die der Beweisfrage für die Entscheidung zukommt (, NStZ 2013, 177, 178). Liegt dem Gutachten jedoch ein allgemein anerkanntes und weithin standardisiertes Verfahren zugrunde, wie dies etwa beim daktyloskopischen Gutachten, der Blutalkoholanalyse oder der Bestimmung von Blutgruppen der Fall ist, so genügt die bloße Mitteilung des erzielten Ergebnisses (BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 410/18, juris Rn. 5 und vom - 5 StR 345/10, NStZ 2011, 171 mwN).
8b) Für molekulargenetische Vergleichsgutachten gilt nichts anderes. Nach der neueren Rechtsprechung muss in den in der forensischen Praxis gebräuchlichen Verfahren lediglich das Gutachtenergebnis in Form der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsaussage in numerischer Form mitgeteilt werden, sofern sich die Untersuchungen auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen (, NJW 2018, 3192, 3193, zur Veröffentlichung in BGHSt vorgesehen). Diese Vereinfachung gilt demnach nicht für Mischspuren (vgl. , juris Rn. 7; Urteil vom - 1 StR 499/18, juris Rn. 17); solche Spuren weisen mehr als zwei Allele in einem DNA-System auf, mithin Zellmaterial von mehr als einer einzelnen Person.
9Insoweit ist nach wie vor grundsätzlich in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, ob dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war. Bei Mischspuren können je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles strengere Anforderungen gelten (BGH, Beschlüsse vom - 2 StR 572/16, juris Rn. 12 f. und vom - 4 StR 484/15, NStZ-RR 2016, 118, 119; Urteil vom - 1 StR 499/18, juris Rn. 18), auch in Bezug auf die Vergleichspopulation (, NStZ 2016, 490, 492); gegebenenfalls ist es notwendig, ergänzende molekulargenetische Untersuchungen durchzuführen (, NStZ 2014, 477, 479). Regelmäßig wird sich die Angabe empfehlen, wie viele Spurenverursacher in Betracht kommen und um welchen Typ von Mischspur es sich handelt (, juris Rn. 13 mwN).
10c) Die tatrichterlichen Ausführungen genügen diesen Anforderungen nicht. Sie teilen nur mit, dass als weitere Spurenverursacherin - ebenfalls mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 : 3,3 Millionen - eine Besucherin der Tagungsstätte, die die Dose dort zurückließ, in Betracht kommt. Insoweit ist bereits der Typ der Mischspur - etwa Spur ohne klaren Hauptverursacher - nicht hinreichend genau herausgearbeitet. Im Übrigen fehlt es - wie auch bei den anderen DNA-Spuren - völlig an der Darstellung der Systeme und der Wahrscheinlichkeitsberechnung (vgl. zu Letzterem , NStZ 2013, 179); auf die für den Angeklagten relevante Vergleichspopulation wird nicht eingegangen.
112. Da sich das Landgericht festgelegt hat, dass von der Vielzahl der Indizien die DNA-Spur an der Getränkedose für seine Überzeugungsbildung (§ 261 StPO) den Ausschlag gegeben hat, kann das Beruhen (§ 337 Abs. 1 StPO) nicht ausgeschlossen werden. Diese Würdigung des Landgerichts darf das Revisionsgericht nicht durch eine eigene ersetzen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:240119B1STR564.18.0
Fundstelle(n):
ZAAAH-14021