Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs: Anfertigung von Bildaufnahmen mit unkenntlichem Inhalt
Gesetze: § 201a Abs 1 Nr 1 StGB
Instanzenzug: LG Kleve Az: XX
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Ferner hat es ihn verurteilt, an die Neben- und Adhäsionsklägerin 2.500 € Schmerzensgeld nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit zu zahlen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit der auf die Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
I.
2Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen belegen nicht, dass sich der Angeklagte neben einer Vergewaltigung der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen schuldig gemacht hat. Der Senat ändert den Schuldspruch daher entsprechend ab.
31. Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte am in der Wohnung des Zeugen C. in M. , während die Nebenklägerin Marah B. schlief, zwei Finger in deren Scheide ein; er roch und leckte daran, nachdem er sie wieder aus der Scheide herausgezogen hatte. Im Anschluss rieb er seinen Penis an dem Körper der Nebenklägerin, die zwischenzeitlich zwar erwacht war, dies jedoch nicht zu erkennen gab, und versuchte ihr unter das T-Shirt an die Brüste zu fassen. Überdies führte er erneut seine Finger in die Scheide der Zeugin ein, richtete sich auf und fertigte mit seinem Smartphone Lichtbildaufnahmen von der Penetrationshandlung. Entsprechend der insoweit vom Landgericht als nicht widerlegt angesehenen Einlassung des Angeklagten waren die Bilder "nichts geworden" und wurden durch den Angeklagten sofort gelöscht.
42. Das Landgericht ist in seiner rechtlichen Würdigung davon ausgegangen, dass der Angeklagte neben dem Tatbestand der Vergewaltigung (§ 177 Abs. 2 Nr. 1 und 3, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 StGB) auch den Tatbestand der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen (§ 201a Abs. 1 Nr. 1, § 205 Abs. 1 Satz 2 StGB) verwirklicht habe.
53. Diese rechtliche Würdigung wird von den Urteilsfeststellungen nicht getragen, soweit das Landgericht eine tateinheitliche Verwirklichung des Tatbestands der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen angenommen hat.
6Nach der Strafnorm des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB, welche dem Schutz des durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gewährleisteten höchstpersönlichen Lebensbereichs des Einzelnen durch Eingriffe mittels Bildaufnahmen dient (vgl. BT-Drucks. 15/2466, S. 1; Fischer, StGB, 66. Aufl., § 201a Rn. 3; LK/Valerius, StGB, 12. Aufl., § 201a Rn. 5), macht sich strafbar, wer von einer anderen Person, die sich in einer Wohnung oder einem gegen Einblicke besonders geschützten Raum befindet, unbefugt eine Bildaufnahme herstellt und dadurch den höchstpersönlichen Lebensbereich der abgebildeten Person verletzt. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen dieser Vorschrift auch Bildaufnahmen unterfallen, die allein aus sich heraus eine Individualisierung der abgebildeten Person nicht ermöglichen (vgl. , NStZ 2015, 391 mwN; SSW-StGB/Bosch, 4. Aufl., § 201a Rn. 5; LK/Valerius, StGB, 12. Aufl., § 201a Rn. 11; S/S-Eisele, StGB, 30. Aufl., § 201a Rn. 7; Matt/Renzikowski/Altenhain, StGB, § 201a Rn. 2; Ernst, NJW 2004, 1277, 1278; Koch, GA 2005, 589, 595; Kargl, ZStW 2005, 324, 340), braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn tatbestandlich erfasst werden jedenfalls nur solche Bildaufnahmen, auf denen erkennbar eine Person - ganz oder teilweise - abgebildet ist. Ermöglicht die Bildqualität schon nicht die Feststellung, dass es sich um die Abbildung einer Person bzw. Teile derselben handelt, ist der Anwendungsbereich des § 201a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht eröffnet. Denn eine Verletzung des Schutzgutes der Norm - des höchstpersönlichen Lebens- und Geheimbereichs des Einzelnen - ist durch die Anfertigung von Bildern unkenntlichen Inhalts nicht zu besorgen.
7Die Feststellungen des Landgerichts erschöpfen sich darin, der Angeklagte habe von der Penetrationshandlung mit seinem Smartphone ein Bild gefertigt, welches nach seiner nicht widerlegten Einlassung "nichts geworden" sei. Eine nähere Beschreibung, ob und gegebenenfalls was auf dem Bild tatsächlich erkennbar war, fehlt jedoch.
8Der Senat schließt angesichts der Einlassung des Angeklagten, er habe das Bild zwischenzeitlich gelöscht, aus, dass in einer neuen Verhandlung weitergehende Feststellungen möglich wären, die eine Verurteilung wegen Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen rechtfertigen könnten, und ändert den Schuldspruch dementsprechend selbst (§ 354 Abs. 1 StPO analog).
9Die Schuldspruchänderung führt zur Aufhebung des Strafausspruches, weil nicht auszuschließen ist, dass die Strafrahmenwahl und die Strafzumessung durch die fehlerhafte rechtliche Würdigung beeinflusst worden sind. Indes können die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Feststellungen bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen, die zu den bereits getroffenen nicht in Widerspruch treten dürfen, sind möglich.
II.
10Die Adhäsions- und Nebenklägerin hat Anspruch auf Prozesszinsen aus dem rechtsfehlerfrei zuerkannten Schmerzensgeldbetrag in Höhe von 2.500 € gemäß § 404 Abs. 2 StPO, § 291 Satz 1, § 187 Abs. 1 BGB analog erst ab dem auf den Eintritt der Rechtshängigkeit des Zahlungsanspruchs folgenden Tag (vgl. , juris Rn. 2 mwN). Rechtshängigkeit ist vorliegend mit der Adhäsionsantragstellung in der mündlichen Verhandlung vom eingetreten, so dass Prozesszinsen ab dem zu zahlen sind. Der Schriftsatz des Vertreters der Adhäsions- und Nebenklägerin vom war nicht geeignet, die Rechtswirkungen des § 404 Abs. 2 StPO herbeizuführen, da in diesem die Anträge lediglich angekündigt wurden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2019:050219B3STR563.18.0
Fundstelle(n):
UAAAH-13940