Einkommensteuer | Kein Sonderausgabenabzug bei fehlender Anlage AV (FG)
Der Sonderausgabenabzug nach
§ 10a EStG
setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Anlage AV zur
Einkommensteuererklärung abgegeben hat. Die Vorlage der elektronisch
übermittelten Informationen über die von den Klägern geleisteten
Altersvorsorgebeiträge ohne eine ausgefüllte Anlage AV reicht nicht aus, damit
der Beklagte eindeutig erkennen kann, dass in dem vorliegenden Fall eine
Günstigerprüfung gemäß
§ 10a Abs. 2
EStG hätte durchgeführt werden müssen. Wird in solchen
Fällen vom Finanzamt der Sonderausgabenabzug nicht durchgeführt, scheidet nach
Bestandskraft des Bescheides eine Korrektur aus (; rechtskräftig)
.
Sachverhalt: Die Kläger wurden in den Streitjahren 2012 bis 2015 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie leisteten in den Streitjahren Altersvorsorgebeiträge i.S.d. § 82 EStG. Auch eine Einwilligung zur Datenübermittlung gemäß § 10a Abs. 2a EStG hatten sie abgeben. Die entsprechenden Daten lagen dem FA im Zeitpunkt der Veranlagung vor. Die Kläger hatten jedoch den Steuererklärungen keine Anlagen AV beigefügt. Das Finanzamt gewährte keinen Sonderausgabenabzug für die Altersvorsorgebeiträge. Die Bescheide wurden mit Ablauf der Rechtsbehelfsfristen bestandskräftig. Die Kläger stellten Anträge auf Änderung nach § 129 AO, was Finanzamt jedoch ablehnte.
Das Hessische FG hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen:
Soweit man eine Unrichtigkeit der Einkommensteuerbescheide der Streitjahre deshalb annähme, weil die Kläger in den Streitjahren Altersvorsorgebeiträge geleistet haben und eine entsprechende Berücksichtigung dieser Beiträge als Sonderausgaben entgegen § 10a Abs. 1 und 2 EStG in der Fassung der Streitjahre nicht erfolgt ist, war jedenfalls eine solche Unrichtigkeit dem Beklagten nicht offenbar.
Zwar haben bei der Veranlagung elektronisch übermittelte Informationen über die von den Klägern geleisteten Altersvorsorgebeiträge vorgelegen. Aus dieser Tatsache ergibt sich aber nicht, dass dem Beklagten eindeutig erkennbar gewesen wäre, dass in dem vorliegenden Fall eine Günstigerprüfung gemäß § 10a Abs. 2 EStG mit dem Ergebnis eines Sonderausgabenabzugs hätte durchgeführt werden müssen. Dies wäre nur der Fall gewesen, wenn dem Beklagten zugleich die von den Klägern ausgefüllte Anlage AV vorgelegen hätte.
Entgegen der Auffassung der Kläger, wonach die Nichtabgabe der Anlage AV nur auf einem Versehen beruhen könne, gibt es auch noch andere Möglichkeiten, wie ein potentieller Erklärungsempfänger diese Nichtabgabe der Anlage AV hätte auffassen können. So wäre z.B. der Fall nicht fernliegend, dass die Kläger bewusst auf die Angabe in der Steuerklärung verzichtet haben, weil sie gar keine Beiträge mehr geleistet haben, der Anbieter der Altersvorsorge aber fälschlicherweise gleichwohl noch Beitragszahlungen bescheinigt (und übermittelt) hat, obwohl die zugrundeliegenden Verträge bereits beendet wurden. Die Nichtabgabe der Anlage AV hätte dann den Zweck gehabt, keinen ungerechtfertigten Steuervorteil zu erlangen.
Das Beispiel zeigt, dass der zuständige Sachbearbeiter des Beklagten nicht vorbehaltlos von einem Versehen der Kläger ausgehen durfte, sondern vielmehr noch weitere Ermittlungen zur Aufklärung des Sachverhaltes hätte anstellen müssen. § 129 AO ist aber bereits dann nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Es liegt folglich keine ”offenbare Unrichtigkeit“ i.S.v. § 129 AO vor.
Auch eine Korrektur nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet aus.
Quelle: ; NWB Datenbank (Ls)
Fundstelle(n):
TAAAH-11658