Verfahrensrecht | Wirksamkeit einer nicht unterschriebenen Kontenpfändung (FG)
Die fehlende handschriftliche
Unterschrift auf einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung i.S.d. §§
309 und
314 AO
macht diesen als einem formularmäßig erlassenen Verwaltungsakt nicht
rechtswidrig (; Revision eingelegt, BFH-Az. VII R
62/18).
Sachverhalt: Die Klägerin ist ein Kreditinstitut, dem als Drittschuldner durch das beklagte Hauptzollamt (HZA) häufig Pfändungs- und Einziehungsverfügungen zugestellt worden waren. Die streitigen Kontenpfändungen beruhten auf Vollstreckungsaufträgen einer Krankenkasse gegen eine GmbH. Hierfür erzeugte das HZA zwei Pfändungs- und Einziehungsverfügungen über das IT-Verfahren „Elektronisches Vollstreckungssystem (eVS)“, druckte diese über eine zentrale Druckstraße aus und veranlasste deren förmliche Zustellung.
Die Kontenpfändungen enthielten im Briefkopf jeweils den Namen und die Anschrift des HZA, den Namen des Bearbeiters, jedoch weder eine Unterschrift noch ein Dienstsiegel noch eine Rechtsbehelfsbelehrung. Sie schließen jeweils mit dem Satz „Dieses Schriftstück ist ohne Unterschrift und ohne Namensangabe gültig“. Die Klägerin begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen wegen Verstoßes gegen Formvorschriften unwirksam, mindestens aber rechtswidrig gewesen seien.
Das Finanzgericht wies die Klage ab:
Die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sind mit ihrer Bekanntgabe an die Klägerin wirksam geworden. Sie genügen insbesondere der gesetzlich vorgeschriebenen Form.
§ 309 Abs. 1 Satz 1 AO verlangt für die Pfändung von Geldforderungen die Schriftform. Der Schriftform hat das HZA genügt, indem es der Klägerin entsprechende, auf das HZA als ausstellende Behörde hinweisende Urkunden hat zustellen lassen, in denen diese Anordnungen (Arrestatorium und Inhibitorium) verkörpert sind. Damit hat es den gesetzlichen Formerfordernissen genügt.
Zwar muss ein schriftlicher Verwaltungsakt nach § 119 Abs. 3 Satz 2, 1. Halbsatz AO grundsätzlich auch die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten.
Dies gilt jedoch nicht für einen Verwaltungsakt, der formularmäßig oder mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, § 119 Abs. 3 Satz 2 AO, 2. Halbsatz.
Genau um solche formularmäßigen Verwaltungsakte hat es sich bei den vorliegenden Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gehandelt: Sie beinhalteten neben einigen wenigen individuellen Angaben, die sich in der Angabe des Namens und der Anschrift der Drittschuldnerin und der Schuldnerin sowie in der Angabe eines Geschäftszeichens sowie einer Bezifferung der Forderung und deren Zusammensetzung erschöpften, eine Vielzahl standardisierter Inhalte (gepfändete Forderungen, Arrestatorium, Inhibitorium, Drittschuldnererklärung, Einziehungsverfügung).
Ob diese Form der Bekanntgabe eines Verwaltungsakts (auch) den in § 126 BGB geregelten Anforderungen entspricht, ist unerheblich, da § 119 Abs. 3 AO für das Abgabenrecht eine eigenständige Regelung enthält.
Darüber hinaus sind die in den Schriftstücken verkörperten Pfändungs- und Einziehungsverfügungen nicht etwa deshalb zu beanstanden, weil § 309 Abs. 1 Satz 2 AO für solche Verwaltungsakte die elektronische Form ausdrücklich ausschließt.
Die streitigen Verfügungen sind zwar elektronisch erzeugt, jedoch nicht in elektronischer Form erlassen worden. Denn für die Frage, ob eine Regelung in elektronischer Form vorliegt, ist nicht auf den Entstehungsprozess abzustellen, sondern darauf, ob dem Adressaten ein elektronisches Dokument übermittelt wird. Und dies ist nicht der Fall, wenn dem Betroffenen - wie hier - der Ausdruck eines elektronisch erzeugten Dokuments zugesandt wird.
Die Revision gegen das Urteil ist beim BFH unter dem Az. VII R 62/18 anhängig.
Quelle: FG Baden-Württemberg, Newsletter 1/2019 (il)
Fundstelle(n):
KAAAH-11486