BAG Urteil v. - 6 AZR 17/18

Bereitschaftsdienst in einer Betreuungseinrichtung

Leitsatz

Bereitschaftsdienst nach § 7 Abs. 3 TVöD-B ist zusätzlich zur regelmäßigen Arbeitszeit zu leisten.

Gesetze: § 7 Abs 3 TVöD-B, § 10 Abs 3 S 2 TVöD-B, § 8.1 Abs 1 TVöD-B, § 8.1 Abs 3 TVöD-B, § 8.1 Abs 6 TVöD-B

Instanzenzug: ArbG Bocholt Az: 2 Ca 1501/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 898/17 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten darüber, ob bestimmte Nachtarbeit im Rahmen der regelmäßigen Arbeitszeit oder als Bereitschaftsdienst geleistet wird.

2Der Beklagte betreibt in Nordrhein-Westfalen eine Betreuungseinrichtung. Der Kläger ist dort als Altenpfleger beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme die Durchgeschriebene Fassung des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitsgeberverbände (TVöD-B) vom Anwendung. Diese lautet auszugsweise wie folgt:

3Die Arbeitszeit des Klägers wird in einem Arbeitszeitkonto erfasst. Bezüglich der Gestaltung des Ausgleichszeitraums gemäß § 6 Abs. 2 TVöD-B hat der Beklagte mit dem bei ihm gebildeten Betriebsrat am eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen. Nach deren Ziff. 2 beträgt der Ausgleichszeitraum bis zu einem Jahr.

4Der Kläger wird in einem Schichtmodell eingesetzt, welches einen Schichtturnus von zwölf Arbeitstagen vorsieht. In der ersten Woche arbeitet er grundsätzlich in jeder Schicht 6,42 Stunden. Am Donnerstag hat er 7,38 Stunden zu arbeiten. Auf diese Weise erreicht er die regelmäßige Arbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich (39,48 Stunden). In der zweiten Woche erstreckt sich die Schichtdauer von 20:15 Uhr bis 08:05 Uhr des Folgetags. Während der Nachtschicht hängt die zu erbringende Arbeitsleistung von den Bedürfnissen der zu betreuenden Bewohner ab. Wird der Kläger nicht in Anspruch genommen, hält er sich im Dienstzimmer der von ihm betreuten Station auf, um die Arbeit bei Bedarf aufzunehmen. Der Beklagte sieht die Zeit zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr als Bereitschaftsdienst iSd. § 7 Abs. 3 TVöD-B an und bewertet sie zu 25 % als Arbeitszeit (sog. Faktorisierung). Dies bewirkt, dass der Kläger in der zweiten Woche bei einer tatsächlichen Anwesenheitszeit von 71 Stunden aus Sicht des Beklagten eine zu vergütende Arbeitszeit von 39,5 Stunden erbringt, denn bei der Berechnung des Beklagten ergibt sich für jede Schicht ein Volumen von 6 Stunden und 35 Minuten (20:15 Uhr bis 23:00 Uhr: 2 Stunden und 45 Minuten; 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr Bereitschaftsdienst zu 25 %: 1 Stunde 45 Minuten; 06:00 Uhr bis 08:05 Uhr: 2 Stunden und 5 Minuten).

5Demgegenüber hat der Kläger mit seiner Klage die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Nachtschicht zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr nicht um Bereitschaftsdienst, sondern um regelmäßige Arbeitszeit handele. Die Einordnung als Bereitschaftsdienst setze nach § 7 Abs. 3 TVöD-B voraus, dass der Dienst „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“, also zusätzlich, geleistet werde. Dies sei hier nicht der Fall. Zudem bestehe in der Nachtzeit mitunter eine dem Tagdienst vergleichbare Belastungssituation.

6Der Kläger hat vor dem Landesarbeitsgericht zuletzt beantragt

7Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt. Die vorgenommene Einordnung des fraglichen Zeitraums als Bereitschaftsdienst entspreche den tariflichen Vorgaben. Das Merkmal „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ in § 7 Abs. 3 TVöD-B bedeute lediglich, dass während der Bereitschaftsdienste nicht dauerhaft die volle Arbeitsleistung erbracht werden müsse. Die zeitliche Lage des Bereitschaftsdienstes werde durch den Tarifvertrag nicht vorgegeben. § 8.1 Abs. 6 TVöD-B ermögliche dem Arbeitgeber die Anordnung von faktorisiertem Freizeitausgleich für geleistete Bereitschaftsdienststunden. Es sei zulässig, dass ein Arbeitnehmer seine vertragliche Regelarbeitszeit durch auf diese anzurechnenden Bereitschaftsdienst leiste.

8Im Falle des Klägers sei zur Umsetzung des Freizeitausgleichs ein „Freizeitausgleich per Saldo“ vorgenommen worden. Hierbei würden die Bereitschaftsdienste für einen Monat individuell abgerechnet, indem die geleistete Regelarbeitszeit und die nach § 8.1 Abs. 3 TVöD-B faktorisierten Bereitschaftsdienstzeiten auf einem Regeldienst- bzw. Bereitschaftsdienstkonto zunächst separat addiert würden. Am Monatsende erfolge eine Saldierung gegenüber der im Betrachtungszeitraum zu leistenden Regelarbeitszeit. Ein eventuelles „Regeldienstminus“ werde zunächst aufgefüllt. Der die Sollarbeitszeit übersteigende Saldo werde als Zeitguthaben erfasst und unter Berücksichtigung des Ausgleichszeitraums der regelmäßigen Arbeitszeit spätestens innerhalb eines Jahres ausgeglichen oder ausgezahlt.

9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Beklagte hat hiergegen Berufung eingelegt. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hat der Kläger zu Protokoll erklärt, Streitgegenstand sei die Frage, ob die von ihm im Rahmen des derzeit praktizierten Schichtmodells zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleistete Schichtzeit Vollarbeitszeit iSd. § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-B oder Bereitschaftsdienst sei. Das Landesarbeitsgericht hat die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Zurückweisung der Berufung. In der Verhandlung vor dem Senat hat er jedoch die Antragstellung neu formuliert. Er beantragt nunmehr festzustellen, dass die von ihm im Rahmen seiner von 20:15 Uhr bis 08:05 Uhr andauernden Schicht in der Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden zusätzlich zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden geleistet werden. Der Beklagte hat einer etwaigen Klageänderung die Zustimmung verweigert.

Gründe

10Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der vom Kläger gestellte Antrag erfasst auch Fallgestaltungen, in denen dieser erfolglos wäre. Er ist deshalb als sog. Globalantrag unbegründet.

11I. Die Klage ist zulässig.

121. Es liegt keine in der Revisionsinstanz grundsätzlich nach § 559 Abs. 1 ZPO ausgeschlossene Klageänderung vor (vgl. hierzu  - Rn. 13; - 4 AZR 456/14 - Rn. 13). Der Klageantrag ist in seiner zuletzt gestellten Fassung dahingehend zu verstehen, dass der Kläger unverändert festgestellt wissen will, dass die von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr geleisteten Arbeitsstunden nicht als Bereitschaftsdienst iSv. § 7 Abs. 3 TVöD-B erbracht werden. Der im Revisionsverfahren neu formulierte Antrag bringt die Auffassung des Klägers zum Ausdruck, dass diese Arbeitsstunden nur zusätzlich zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden eingeplant werden dürften. Er wendet sich damit weiterhin gegen die Praxis des Beklagten, diese Arbeitsstunden als faktorisierte Arbeitszeit der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit zuzurechnen.

132. Der Antrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. hierzu  - Rn. 18). Dem steht nicht entgegen, dass von ihm möglicherweise auch Fallgestaltungen erfasst werden, bei denen die fragliche Nachtarbeit sogar bei Zugrundelegung des Tarifverständnisses des Klägers tarifkonform im Rahmen von Bereitschaftsdienst geleistet wird. Dies führte lediglich zur Unbegründetheit des Antrags als Globalantrag (vgl.  - Rn. 13).

143. Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben. Der angestrebte feststellende Ausspruch ist trotz seiner nicht vollstreckbaren Wirkung geeignet, den Streit der Parteien über die tarifliche Einordnung der zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr geleisteten Arbeitszeit beizulegen und insoweit weitere Prozesse zwischen ihnen zu vermeiden. Das rechtfertigt die Annahme eines rechtlichen Interesses (vgl.  - Rn. 15). Entgegen der Auffassung des Beklagten verstößt die Feststellungsklage nicht gegen den Vorrang der Leistungsklage. Zwar könnten mit einer solchen Klage Vergütungsdifferenzen geltend gemacht werden. Mit der Feststellungsklage soll der Konflikt aber auch bezüglich der künftigen Schichtplangestaltung bereinigt werden. Eine auf Vergütung gerichtete Leistungsklage könnte deshalb nicht den gesamten Streitstoff abdecken und ist schon deshalb nicht vorrangig (vgl.  - Rn. 17; Adam ZIP 2018, 2402, 2403). Der Kläger hat zudem deutlich gemacht, dass sein Klageziel nicht auf die Begleichung von Entgeltrückständen, sondern letztlich auf die Beseitigung der Faktorisierung seiner Nachtarbeitszeit und damit auf mehr Freizeit gerichtet ist. Dieses Ziel kann er nur mit der Feststellungsklage erreichen.

15II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger kann die begehrte Feststellung nicht verlangen, weil jedenfalls ein Teil der streitgegenständlichen Nachtarbeit im Rahmen von Bereitschaftsdienst nach § 7 Abs. 3 TVöD-B geleistet werden könnte.

161. Bereitschaftsdienst setzt nach § 7 Abs. 3 TVöD-B voraus, dass sich der betroffene Beschäftigte auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Das Merkmal „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ wurde zur Definition des Bereitschaftsdienstes bereits im Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) verwendet und geht auf das frühere Verständnis des Bereitschaftsdienstes als Ruhezeit zurück. Der Bereitschaftsdienst wurde damit von der regelmäßigen Arbeitszeit abgegrenzt (vgl.  - BAGE 69, 85). Bereits vor Abschluss des TVöD-B am war allerdings anerkannt, dass der Bereitschaftsdienst nunmehr auch während seiner inaktiven Zeiten als Arbeitszeit iSd. Arbeitszeitrechts anzusehen ist (vgl. hierzu  - Rn. 23; - 1 ABR 2/02 - zu B IV 3 b der Gründe, BAGE 105, 32). Die Tarifvertragsparteien des TVöD-B haben dennoch die Formulierung „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ gewählt und damit deutlich gemacht, dass der Bereitschaftsdienst unabhängig von der arbeitszeitrechtlichen Betrachtung von der regelmäßigen Arbeitszeit zu unterscheiden und zusätzlich dazu zu erbringen ist (vgl.  - zu I 3 c der Gründe).

172. Der Umfang der regelmäßigen Arbeitszeit wird bei Vollbeschäftigten in § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-B geregelt (vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Bd. IV Stand März 2014 E § 7 Rn. 26). Bei Teilzeitbeschäftigten bemisst er sich nach der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Bezogen auf die regelmäßige Arbeitszeit ist der Bereitschaftsdienst eine zusätzliche Leistung (Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand Dezember 2013 Teil B 1 § 7 Rn. 28; Burger in Burger TVöD/TV-L 3. Aufl. § 7 Rn. 36; BeckOK TVöD/Dannenberg Stand TVöD-BT-K § 45 Rn. 6). Er kann nicht anstatt der regelmäßigen Arbeitszeit angeordnet werden (Spengler in Hahn/Pfeiffer/Schubert Arbeitszeitrecht 2. Aufl. § 7 TVöD Rn. 19) und ist zu unterscheiden von Bereitschaftszeiten iSv. § 9 TVöD-B, die innerhalb der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit liegen (vgl.  - Rn. 35; - 10 AZR 990/08 - Rn. 18). § 7 Abs. 3 TVöD-B bringt daher nicht nur zum Ausdruck, dass während Bereitschaftsdiensten nicht dauerhaft die volle Arbeitsleistung erbracht werden muss (so aber BeckOK TVöD/Goodson Stand TVöD-AT § 7 Rn. 14). Die erlaubte Intensität der Inanspruchnahme während der Zeit des angeordneten Bereitschaftsdienstes wird nicht von der Tatbestandsvoraussetzung „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ in § 7 Abs. 3 TVöD-B, sondern von § 7.1 Abs. 1 Satz 2 TVöD-B geregelt, wonach Bereitschaftsdienst nur angeordnet werden darf, wenn erfahrungsgemäß die Zeit ohne Arbeitsanfall überwiegt.

183. Der Kläger führt im Ansatz zutreffend an, die vom Beklagten einseitig vorgenommene Anrechnung der von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr geleisteten Nachtarbeit auf die regelmäßige Arbeitszeit entspreche nicht den tariflichen Vorgaben. Der TVöD-B lässt nicht zu, dass der Arbeitgeber einseitig die regelmäßige Arbeitszeit durch faktorisierte Zeiten des Bereitschaftsdienstes auffüllt. Ihm kommt auch kein Wahlrecht zu, ob er Bereitschaftsdienst durch Freizeit ausgleichen will. Dafür ist gemäß § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 TVöD-B eine Betriebs- bzw. Dienstvereinbarung erforderlich.

19a) Der TVöD-B geht ebenso wie die anderen Tarifverträge des öffentlichen Dienstes davon aus, dass die Beschäftigten eine durchschnittliche regelmäßige Arbeitszeit (§ 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-B) schulden und damit den Anspruch auf das Tabellenentgelt (§ 15 TVöD-B) erwerben. Leisten Beschäftigte Bereitschaftsdienst iSv. § 7 Abs. 3 TVöD-B, haben sie einen zusätzlichen Anspruch auf Bereitschaftsdienstentgelt nach § 8.1 iVm. Anlage G TVöD-B. Die in § 8.1 Abs. 1 und Abs. 3 TVöD-B vorgesehene Faktorisierung der Zeit des Bereitschaftsdienstes dient nach § 8.1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 TVöD-B nur dem Zweck der Entgeltberechnung. Die Zeit eines Bereitschaftsdienstes unterscheidet sich qualitativ von der vollen Arbeitszeit, die eine kontinuierliche Erbringung der Arbeitsleistung erfordert. Aus diesem Grund sind die Tarifvertragsparteien frei darin, die Zeit des Bereitschaftsdienstes vergütungsrechtlich in ein bestimmtes Verhältnis zur regulären Arbeitszeit zu setzen und eine gesonderte Vergütungsregelung für diese besondere Form der Arbeit vorzusehen ( - Rn. 58; zum Mindestlohn vgl.:  - Rn. 12 ff.; - 5 AZR 761/13 - Rn. 13 ff., BAGE 153, 248; - 5 AZR 1101/12 - Rn. 11 ff., BAGE 150, 82).

20b) Die Abgeltung von Bereitschaftsdienstentgelt durch Freizeit setzt nach § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B den Abschluss einer entsprechenden Betriebs- oder Dienstvereinbarung voraus. Liegt eine solche betriebliche Regelung vor, führt dies zu einer Verminderung der Sollarbeitszeit, denn Freizeitausgleich bedeutet, bezahlte Freizeit zu erhalten, statt Arbeitszeit ableisten zu müssen ( - Rn. 12, BAGE 135, 179; - 5 AZR 296/09 - Rn. 17). Im Ergebnis wird die Belastung des Bereitschaftsdienstes bei unveränderter Vergütung durch Freizeit kompensiert. Diesen Ausgleich kann der Arbeitgeber nicht einseitig, sondern nur auf Grundlage einer Vereinbarung mit dem Betriebs- oder Personalrat anordnen. Es ist mit § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B nicht vereinbar, wenn der Arbeitgeber im Rahmen seines Direktionsrechts entscheiden könnte, ob geleistete Bereitschaftsdienste durch Freizeit ausgeglichen werden (so aber Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand August 2017 Teil B 4.2.2 § 8.1 TVöD-B Rn. 18 ff.). Der TVöD-B beinhaltet mit § 7 Abs. 3, § 7.1 und § 8.1 ein in sich geschlossenes Regelungssystem bezüglich der Voraussetzungen und der Behandlung von Bereitschaftsdienst in arbeitszeitrechtlicher und vergütungsrechtlicher Hinsicht. In diesem System haben die Tarifvertragsparteien keinen Anlass gesehen, dem Arbeitgeber ein Recht zur einseitigen Anordnung von Freizeitausgleich zuzugestehen, wenn es zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes erforderlich wäre (aA: Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand Oktober 2012/Juni 2011 Teil II/3.2 BT-B § 46 Rn. 35; Schlottfeldt/Kutscher NZA 2009, 697, 702). Die Pflicht zur Einhaltung dieser Vorschriften hat der Arbeitgeber schon bei der Schichtplanung zu beachten.

21c) Die Tarifvertragsparteien des TVöD-B haben sich damit für ein von der Durchgeschriebenen Fassung des TVöD für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-K) abweichendes Regelungssystem entschieden. § 8.1 Abs. 7 TVöD-K ermöglicht dem Arbeitgeber im Bereich des ärztlichen Personals die einseitig bestimmte Gewährung von Freizeitausgleich statt Zahlung von Bereitschaftsdienstentgelt. Bezüglich der übrigen Beschäftigtengruppen der Krankenhäuser verlangt § 8.1 Abs. 8 TVöD-K für einen Freizeitausgleich dessen Erforderlichkeit zur Einhaltung der Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes, eine entsprechende Regelung in einer Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder eine Zustimmung des betroffenen Beschäftigten (vgl.  - Rn. 15 ff.; zum Freizeitausgleich nach Anlage 8 Abschn. A Abs. 5 AVR DW EKD vgl.  - Rn. 24 ff.). Da der TVöD-K durch den Änderungstarifvertrag Nr. 1 vom neu gefasst und gleichzeitig der TVöD-B geschaffen wurde (vgl. zum Inkrafttreten des TVöD-BT-B Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand August 2010 Teil II/3.2 BT-B § 40 Rn. 1 ff., Stand April 2017 Teil II/3.2 BT-B § 57 Rn. 1), kann davon ausgegangen werden, dass die Tarifvertragsparteien für den Bereich des TVöD-B im Gegensatz zum TVöD-K bewusst keine einseitige Anordnung von Freizeitausgleich vorgesehen haben.

22d) Das Landesarbeitsgericht hat nicht berücksichtigt, dass im Schichtmodell des Beklagten der Bereitschaftsdienst tarifwidrig anstatt der regelmäßigen Arbeitszeit geleistet wird. Dabei ist ohne Belang, dass regelmäßige Arbeitszeit und Bereitschaftsdienst zunächst buchungstechnisch getrennt erfasst und dann saldiert werden.

23aa) Die regelmäßige Arbeitszeit des Klägers beläuft sich gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b TVöD-B auf durchschnittlich 39 Stunden wöchentlich, wobei für die Berechnung des Durchschnitts ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen ist (§ 6 Abs. 2 Satz 1 TVöD-B iVm. Ziff. 2 der Betriebsvereinbarung vom ). Unabhängig von der Durchschnittsbetrachtung sieht das Schichtmodell des Beklagten vor, dass der Kläger grundsätzlich in jeder Woche seine regelmäßige Arbeitszeit erbringt. Der auf zwölf Arbeitstage in einem Zeitraum von zwei Wochen ausgerichtete Schichtturnus erreicht dieses Ziel in der ersten Woche unproblematisch durch sechs Schichten im Tagdienst (Schichtdauer 6,42 bzw. 7,38 Stunden).

24bb) In der zweiten Schichtwoche mit sechs Nachtdiensten wird das Arbeitszeitvolumen von 39 Stunden ohne die als Bereitschaftsdienst ausgewiesene Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr nicht erreicht, denn der Kläger arbeitet pro Schicht außerhalb dieser Zeit nur 4 Stunden und 50 Minuten (20:15 Uhr bis 23:00 Uhr: 2 Stunden und 45 Minuten; 06:00 Uhr bis 08:05 Uhr: 2 Stunden und 5 Minuten). Bezogen auf sechs Schichten bedeutet dies eine Arbeitszeit von 29 Stunden. Die fehlenden zehn Stunden werden durch den faktorisierten Dienst zwischen 23:00 Uhr und 06:00 Uhr „aufgefüllt“. Bei dem angesetzten Faktor von 25 vH ergeben sich für jede Schicht 1 Stunde und 45 Minuten, welche bezogen auf sechs Schichten mit 10 Stunden und 30 Minuten in die Berechnung der wöchentlichen Arbeitszeit eingestellt werden. Der Beklagte macht den Bereitschaftsdienst durch seine Schichtplanung zur regelmäßigen Arbeitszeit, allerdings nur faktorisiert und unter Missachtung von § 8.1 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B. Für den Kläger hat dies zur Konsequenz, dass er für die Anerkennung einer regelmäßigen Arbeitszeit von 39 Stunden wöchentlich in der zweiten Woche des Schichtturnus 71 Stunden anwesend sein muss (sechs Schichten zu je 11 Stunden und 50 Minuten Dauer).

25cc) Dies ist mit den tariflichen Vorgaben nicht vereinbar (vgl. Burger in Burger TVöD/TV-L 3. Aufl. § 7 Rn. 37; Spengler in Hahn/Pfeiffer/Schubert Arbeitszeitrecht 2. Aufl. § 7 TVöD Rn. 19).

26(1) Entgegen der Auffassung des Beklagten ist er schon nicht berechtigt, einseitig Freizeitausgleich anzuordnen. Es fehlt insoweit an der erforderlichen Betriebsvereinbarung iSd. § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B. Die bloße Dokumentation der Arbeitszeit und der Bereitschaftsdienste genügt nicht für ein Arbeitszeitkonto iSd. § 10 TVöD-B (vgl. die Niederschriftserklärung zu den §§ 6 bis 10 TVöD-B).

27(2) Dessen ungeachtet könnte das vom Beklagten praktizierte Schichtmodell auch nicht durch eine Betriebsvereinbarung legitimiert werden, denn es findet kein Ausgleich für die mit dem Bereitschaftsdienst verbundene Belastung statt. Der Kläger wird vielmehr kontinuierlich in dem dargestellten zeitlichen Maß in Anspruch genommen. Der nächtliche Bereitschaftsdienst wird weder durch die Zahlung von Bereitschaftsdienstentgelt noch durch Freizeitausgleich kompensiert. Bereitschaftsdienst ist jedoch - wie dargestellt - eine nur zusätzlich zu erbringende Leistung, die nach § 8.1 TVöD-B zu einer Entgeltsteigerung in Form von Bereitschaftsdienstentgelt führt. Nach § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B kann nur dieses Bereitschaftsdienstentgelt in Freizeit umgewandelt werden. Auch die Betriebsparteien können daher nicht Bereitschaftsdienst anstatt regelmäßiger Arbeitszeit anordnen, sondern nur die regelmäßige Arbeitszeit im Wege des Freizeitausgleichs in dem Umfang verringern, wie er dem durch Faktorisierung berechneten Bereitschaftsdienstentgelt entspricht. Dies bringt § 8.1 Abs. 6 TVöD-B zum Ausdruck, indem er die Abgeltung des Bereitschaftsdienstentgelts im Falle der Faktorisierung „im Verhältnis 1:1“ vorsieht (anders zB Anlage 8 Abschn. A Abs. 5 Satz 1 AVR DW EKD: Abgeltung der Arbeitszeit, vgl.  - Rn. 25).

284. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich jedoch aus anderen Gründen als richtig dar, weshalb die Revision gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen ist. Das Begehren des Klägers ist als Globalantrag weiterhin unbegründet.

29a) Ein Globalantrag, der eine Vielzahl von Fallgestaltungen erfasst, ist in vollem Umfang als unbegründet abzuweisen, wenn es darunter Fallgestaltungen gibt, in denen sich der Antrag als unbegründet erweist ( - Rn. 35; - 9 AZR 139/08 - Rn. 23, BAGE 132, 195). Das Gericht darf nicht dahin erkennen, dass der geltend gemachte Anspruch unter einschränkenden Voraussetzungen gegeben ist, die nicht zum Inhalt des Anspruchs erhoben worden sind. Eine solche Tenorierung würde sich nicht mehr im Rahmen des Antrags halten (§ 308 ZPO). Es würde nicht weniger als beantragt zugesprochen, sondern etwas anderes ( - zu B II 3 b der Gründe, BAGE 110, 146).

30b) Der Senat hat den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf diese Problematik hingewiesen. Auch in der im Revisionsverfahren gewählten Formulierung ist der Antrag aber weiterhin ein Globalantrag. Er wäre nur dann begründet, wenn der Beklagte in der jeweiligen Nachtschichtwoche in der Zeit von 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr Bereitschaftsdienst immer nur zusätzlich zur regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 39 Stunden anordnen dürfte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Der Beklagte kann nächtlichen Bereitschaftsdienst in diesem Zeitraum vorsehen, wenn die tariflichen Voraussetzungen erfüllt sind.

31aa) Die grundsätzliche Befugnis des Beklagten zur Anordnung nächtlichen Bereitschaftsdienstes (vgl. § 7.1 Abs. 1 TVöD-B) hat der Kläger im Berufungsverfahren nicht in Abrede gestellt. Soweit er in der Verhandlung vor dem Senat eine geänderte Aufgabenstellung behauptet hat, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der im Revisionsverfahren gemäß § 559 Abs. 1 ZPO unberücksichtigt bleiben muss.

32bb) Das in § 7 Abs. 3 TVöD-B vorgesehene Tatbestandsmerkmal „außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit“ steht einer Anordnung von Bereitschaftsdienst in der fraglichen Nachtzeit nicht immer entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der TVöD-B keine Vorgaben zur Lage des Bereitschaftsdienstes macht und dieser daher entgegen der Annahme des Klägers vor, zwischen oder nach der „Vollarbeitszeit“ liegen kann (vgl. Martens in Sponer/Steinherr TVöD Stand Juli 2012 § 7 Rn. 61). Sieht ein Schichtplan neben einer regelmäßigen täglichen Arbeitszeit an bestimmten Tagen Bereitschaftsdienst vor, legt er die regelmäßige Arbeitszeit des Beschäftigten mit einem im Voraus feststehenden Unterbrechungszeitraum fest, der außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit liegt ( - Rn. 17; vgl. auch  - Rn. 18). Der Schichtplan des Klägers könnte zB vorsehen, dass die Dauer des nächtlichen Bereitschaftsdienstes in einem solchen Maß verkürzt wird, dass die Schichtzeiten vor und nach dem Bereitschaftsdienst bereits 39 Wochenstunden umfassen. Der TVöD-B begrenzt die Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers insoweit nur im Rahmen der arbeitszeitrechtlichen Vorgaben (vgl. § 7.1 Abs. 2 ff. TVöD-B). Allerdings müsste dann ein Ausgleich für den zusätzlich geleisteten Bereitschaftsdienst in Form von Bereitschaftsdienstentgelt oder, sofern die dafür erforderliche kollektivrechtliche Vereinbarung geschlossen wird, Freizeitausgleich nach § 8.1 Abs. 6 iVm. § 10 Abs. 3 Satz 2 TVöD-B erfolgen. Ein solcher Freizeitausgleich würde dazu führen, dass in einer anderen Woche die Sollarbeitszeit reduziert werden muss. In einer solchen Woche könnte wiederum nächtlicher Bereitschaftsdienst angeordnet werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2019:170119.U.6AZR17.18.0

Fundstelle(n):
BB 2019 S. 883 Nr. 15
RAAAH-10866