BFH Beschluss v. - II B 10/18

Strukturelles Vollzugsdefizit bei § 1 Abs. 3 GrEStG

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

a) Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsbedürftig sein. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage, wenn hinsichtlich ihrer Beantwortung Unsicherheit besteht. Einen klärungsbedürftige Rechtsfrage wird dagegen nicht aufgeworfen, wenn die streitige Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (ständige Rechtsprechung, Z.B. , BFH/NV 2019, 44, Rz 10).

Dieselben Grundsätze gelten für die Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts als Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. , BFH/NV 2016, 1575, Rz 13).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Revision nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung oder zur Rechtsfortbildung zuzulassen. Die von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 1 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) deshalb gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) verstößt, weil bei Auslandssachverhalten ein strukturelles Vollzugsdefizit bestehe, ist bereits höchstrichterlich geklärt und offensichtlich zu verneinen.

aa) Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Übergang unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95% der Anteile der Gesellschaft auf einen anderen der Steuer, wenn kein schuldrechtliches Geschäft i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG vorausgegangen ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). Von dieser Vorschrift wird z.B. der Erwerb aufgrund eines Umwandlungsvorgangs erfasst.

bb) § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG stellt --wie auch die übrigen Tatbestände des § 1 Abs. 3 GrEStG-- allein auf den (fiktiven) Übergang eines Inländischen Grundstücks ab, unabhängig davon, wo der Erwerbsvorgang stattfindet. Danach ist der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG auch dann erfüllt, wenn aufgrund von im Ausland abgeschlossenen Umwandlungsvorgängen vereinigt Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft übergehen.

cc) Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass ein gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßendes Vollzugsdefizit im Hinblick auf die im Ausland verwirklichten und nach § 1 Abs. 3 GrEStG steuerbaren Erwerbsvorgänge nicht besteht.

Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, dass die Steuerpflichten durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleich belastet werden. Wird die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt, kann dies zu einem Gleichheitsverstoß führen. Dagegen bedeutet die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen noch keine Verletzung des Gleichheitssatzes (, BVerfGE 110, 94).

Soweit Gesellschaften mit Sitz im Ausland Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklichen, ist die grunderwerbsteuerrechtliche Erfassung dieser Vorgänge zwar mit Schwierigkeiten verbunden. Die Schwierigkeiten haben aber ihren Grund nicht darin, dass das Erhebungsverfahren nicht auf Durchsetzbarkeit angelegt wäre, sondern darin, dass die Aufklärungsmöglichkeiten im Ausland begrenzt sind. Durch den Auslandbezug bedingt Vollzugsdefizite ergeben aber noch keine Verletzung des Gleichheitssatzes (, BFH/NV 2008, 1529, Rz 18, m.w.N.). Etwaige Lücken im Vollzug des § 1 Abs. 3 GrEStG betreffen überdies nur die Fälle mit Auslandbezug, lassen aber die große Gruppe der reinen Inlandssachverhalte unberührt (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1529, Rz 18). Wegen der damit verbundenen Erhebungsschwierigkeiten, die Sachverhalte mit Auslandsbezug von der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG auszunehmen, wäre aber unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG weit bedenklicher als die Hinnahme von Vollzugsdefiziten bei Auslandssachverhalten (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1529, Ru 18).

Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber in § 19 GrEStG zudem eine Reihe von Anzeigepflichten normiert, die die Erfassung der grunderwerbsteuerbaren Vorgänge sicherstellen soll. Nach § 19 Abs. 1 Nr. 7 GrEStG müssen Steuerschuldner die Übertragung von mindestens 95 % der Anteile einer Gesellschaft auf einen anderen anzeigen, wenn zum Vermögen der Gesellschaft ein inländisches Grundstück gehört (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG). Entgegen der Ansicht der Klägerin folgt aus dem Umstand, dass in der Bundesrepublik Deutschland verwirklichte Erwerbsvorgänge zudem nach § 18 GrEStG durch Gerichte und Notare angezeigt werden müssen, nicht automatisch ein Vollzugsdefizit und damit ein Gleichheitsverstoß im Hinblick auf die im Ausland verwirklichten Erwerbsvorgänge. Gerade im Hinblick auf die Verwirklichung des § 1 Abs. 3 GrEStG ist auch im Inland nicht selten (z.B. bei Personengesellschaften) gar keine Beurkundung erforderlich und es verbleibt bei der Anzeigepflicht der Steuerschuldner nach § 19 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 GrEStG.

c) Die Revision ist auch nicht zur Rechtsfortbildung zuzulassen. Der Umstand, dass der BFH die Frage des Vollzugsdefizits in seinem Urteil zu § 1 Abs. 2a GrEStG vom II R 17/10 (BFHE 241, 53, BStBl II 2013, 833, Rz 36) offen gelassen hat, reicht dafür ebenso wenig aus, wie die von der Klägerin zitierten Literaturaufsätze. Soweit der BFH die Frage nach dem Vollzugsdefizit offen gelassen hat, beruht dies allein auf dem Umstand, dass § 1 Abs. 2a GrEStG im Streitfall nicht zur Anwendung kam, und bedeutet nicht, dass die Rechtsfrage neu entschieden werden müsste. Soweit die zitierten Literaturmeinungen überhaupt ein Vollzugsdefizit feststellen, findet sich dort keine Auseinandersetzung mit dem Argument des BFH, wonach gewisse Vollzugsdefizite bei Auslandssachverhalten im Hinblick auf Art. 3 GG hinzunehmen seien (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1259, Rz 18).

Der Hinweis der Klägerin, wonach im Streitjahr 2003 die später eingeführten Amtshilferichtlinien, auf die das FG in seinem Urteil bezug genommen hat, noch nicht gegolten haben, führen ebenfalls nicht zu einer Revisionszulassung wegen Rechtsfortbildung. Der BFH hat in seinem Urteil BFH/NV 2008, 1529 einen Verfahrensverstoß wegen Vollzugsdefizits für ein früheres Streitjahr (2000) verneint. Der BFH hat zwar erkannt, dass die Aufklärungsmöglichkeiten im Ausland begrenzt sind. Dies allein ergebe aber noch kein strukturelles Vollzugsdefizit und führe nicht zu einer Verletzung des Gleichheitssatzes (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 1529, Rz 18). Nichts anderes gilt für das Streitjahr 2003.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.

3. Im Übrigen ergeht die Entscheidung gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne Angabe weiterer Gründe, insbesondere ohne Darstellung des Tatbestands.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NWB-Eilnachricht Nr. 16/2019 S. 1072
FAAAH-10604