BGH Beschluss v. - 2 StR 254/18

Schuldspruch bei einer gewaltsam erzwungenen Preisgabe eines Verstecks

Gesetze: § 239a Abs 1 Alt 2 StGB, § 249 Abs 1 StGB, § 250 Abs 1 Nr 1b StGB

Instanzenzug: LG Aachen Az: 63 KLs 50/15

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt, von der es fünf Monate für bereits vollstreckt erklärt hat. Die dagegen gerichtete und auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

31. Im Frühjahr 2014 wurden in D.   mehrere professionell geführte Cannabisplantagen aufgedeckt und deren mutmaßliche Betreiber, darunter der Zeuge   V.   , in Untersuchungshaft, genommen. Kurz darauf wandte sich ein Mittelsmann des   V.   telefonisch an den Mitangeklagten Y.   und äußerte den Verdacht, noch vor der Räumung seiner Plantage habe sich der Nebenkläger deren technische Ausrüstung angeeignet und betreibe damit nun selbst eine Plantage. Der Mittelsmann fragte Y.  , ob er jemanden kenne, der den Nebenkläger dazu bringen könne, den Ort seiner Plantage zu verraten. Y.  warb dafür den Mitangeklagten S.    P.    an. Da Y.   nicht vor Ort sein konnte, übernahm der Angeklagte K.   , dem eine Gewinnbeteiligung an der Plantage in Aussicht gestellt worden war, die Aufgabe, sich in der Nähe des Wohnortes des Nebenklägers mit P.    zu treffen und ihm weitere Instruktionen zu geben. Am Tattag trafen sich K.    und S.    P.   , der seinen Bruder F.   als Verstärkung mitgebracht hatte, auf einem Parkplatz nahe dem Wohnhaus des Nebenklägers. Alle waren sich darüber im Klaren, dass es darum ging, vom Nebenkläger die Nennung des Standorts der Plantage durch Drohung oder Gewalt zu erzwingen. Die einzelnen Zwangsmittel wurden nicht besprochen, sondern den vor Ort agierenden Tätern überlassen. Außerdem sollte der Nebenkläger bis zum „Leerräumen“ der Plantage über mehrere Stunden festgehalten werden. Der Angeklagte K.   nannte den Brüdern P.    den Namen und die Adresse des Nebenklägers. Die Angeklagten P.   begaben sich zum Wohnhaus des Nebenklägers und klingelten. Als der Nebenkläger die Wohnungstür öffnete, drängten sie ihn in die Wohnung, klebten ihm den Mund mit Klebeband zu, fesselten ihn und fragten ihn nach dem Ort der Plantage. Als der Nebenkläger angab, nichts von einer Plantage zu wissen, schlugen sie mehrfach auf ihr Opfer ein. S.   P.   informierte daraufhin den Angeklagten K.    telefonisch, dass der Nebenkläger nichts wisse. Als K.    entgegnete, dass dies nicht sein könne, äußerte P.   , dass er dann anders agieren müsse. Nachdem auch weitere Schläge nicht die erhoffte Wirkung gezeigt hatten, nahm F.    P.   eine im Raum befindliche Schere, hielt sie dem Nebenkläger vor und drohte ihm damit, seine Finger einzeln abzuschneiden. Der Nebenkläger, der unter dem Eindruck der körperlichen Misshandlungen Todesangst hatte, wusste sich schließlich nicht anders zu helfen, als den Brüdern eine fiktive Örtlichkeit zu nennen. Während F.   P.   den Nebenkläger weiter in der Wohnung festhielt, ging sein Bruder S.   zu dem in der Nähe wartenden K.   . Gemeinsam machten sie sich mit dem Auto auf den Weg zu dem vom Nebenkläger genannten Ort und hielten telefonischen Kontakt zu F.    P.   . Noch während der Suche gelang es dem Nebenkläger, sich aus der Wohnung zu befreien und die Polizei zu verständigen. Die von F.    P.    telefonisch über die Flucht informierten Angeklagten K.    und S.    P.   gaben schließlich die Suche nach der Plantage auf.

42. Das Landgericht hat die Tat des Angeklagten sowie der Mitangeklagten jeweils als Geiselnahme in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung bewertet. Dabei ist es davon ausgegangen, dass der Angeklagte und die Mitangeklagten als Mittäter handelten.

II.

51. Der Senat ändert den Schuldspruch ab, da sich die Tat des Angeklagten K.    entgegen der Auffassung des Landgerichts als versuchter schwerer Raub in Tateinheit mit erpresserischem Menschenraub und mit gefährlicher Körperverletzung darstellt.

6a) Bei der erzwungenen Preisgabe des Versteckes einer noch wegzunehmenden Beute handelt es sich um einen (versuchten) Raub (vgl. , NStZ 2006, 38; Schönke/Schröder/Bosch, StGB, 30. Aufl., § 249 Rn. 2; MüKo/Sander, StGB, 3. Aufl., § 249 Rn. 34). Die mittäterschaftlich handelnden Angeklagten haben den Nebenkläger allein deshalb gefesselt, geschlagen und bedroht, um die spätere Wegnahme der am Ort der Plantage erwarteten Gegenstände zu ermöglichen. Der zwischen Gewaltanwendung und Wegnahme erforderliche örtliche und zeitliche Zusammenhang war nach den Feststellungen gegeben, da einer der Täter den Nebenkläger bewachte, während die anderen die Plantage suchten und dabei telefonischen Kontakt mit dem Bewacher hielten. Im Hinblick auf den von allen Tätern gebilligten Einsatz des mitgebrachten Klebebands zur Fesselung und Knebelung ist der Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB erfüllt. Dass das Klebeband nach der konkreten Art seiner Verwendung geeignet war, erhebliche Verletzungen hervorzurufen und damit die Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB vorlag, ergibt sich aus den Feststellungen nicht.

7b) Anders als bei den Mitangeklagten P.    ist beim Revidenten der subjektive Tatbestand der Geiselnahme gemäß § 239b StGB nicht erfüllt. Nach den Feststellungen hatte er den Brüdern P.    die Auswahl der angewandten Zwangsmittel überlassen und besaß insoweit bezüglich der gegenüber dem Nebenkläger geäußerten Drohung, ihm die Finger abzuschneiden lediglich „bedingten Vorsatz“ (UA S. 49). Der subjektive Tatbestand des § 239b Abs. 1 StGB erfordert jedoch hinsichtlich des Einsatzes der besonderen Drohungsmittel - hier der Drohung mit einer schweren Körperverletzung (§ 226) - Absicht im Sinne zielgerichteten Handelns (Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 239b Rn. 16; MüKo/Renzikowski, aaO, § 239b Rn. 27). Ungeachtet dessen sind bei allen Tätern die Voraussetzungen einer Strafbarkeit wegen mittäterschaftlich begangenen erpresserischen Menschenraubs gemäß § 239a Abs. 1, 2. Alt. StGB erfüllt, da eine geschaffene stabile Bemächtigungslage zu einem versuchten Raub ausgenutzt wurde (vgl. , NStZ-RR 2012, 173, 174).

8c) Zwischen dem versuchten schweren Raub, dem erpresserischen Menschenraub und der gefährlichen Körperverletzung besteht Tateinheit (vgl. , NStZ 1986, 166; Schönke/Schröder/Eisele, aaO, § 239a Rn. 44).

92. Der Änderung des Schuldspruchs steht § 265 StPO nicht entgegen, da ausgeschlossen werden kann, dass sich der geständige Angeklagte anders als geschehen verteidigt hätte.

103. Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der Senat kann ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffendem Schuldspruch eine niedrigere Strafe gegen den Angeklagten verhängt hätte; der vom Landgericht zu Grunde gelegte Strafrahmen des § 239b Abs. 2 StGB entspricht demjenigen des § 239a Abs. 2 StGB.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:271118B2STR254.18.0

Fundstelle(n):
UAAAH-10518