BGH Beschluss v. - 4 StR 268/18

Verständigung im Strafverfahren: Belehrungspflicht vor Zustandekommen einer Verständigung

Gesetze: § 257c Abs 4 StPO, § 257c Abs 5 StPO, § 337 Abs 1 StPO

Instanzenzug: LG Essen Az: 52 KLs 50/17

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zur schweren räuberischen Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der Rüge der Verletzung des § 257c Abs. 5 StPO Erfolg.

21. Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:

3Das Gericht gab in der Hauptverhandlung bekannt, dass bei einer bezüglich einer Beihilfe geständigen Einlassung eine Freiheitsstrafe von drei Jahren bis drei Jahre drei Monate für schuldangemessen gehalten würde. Angesichts der Dauer der bislang vollzogenen Untersuchungshaft würde eine Aufhebung des Haftbefehls erfolgen. Der Angeklagte, die Verteidigerin und der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft erklärten, dieser Verständigung zuzustimmen.

4Erst danach belehrte die Vorsitzende den Angeklagten über den Inhalt des § 257c Abs. 4 StPO. Die Verteidigerin gab sodann eine Erklärung zur Sache ab, die vom Angeklagten als richtig bestätigt wurde.

52. Die Rüge ist begründet. Der von dem Angeklagten gerügte Rechtsfehler liegt vor. Denn die Vorsitzende der Strafkammer hätte den Angeklagten bereits bei Unterbreitung des Verständigungsvorschlags über die in § 257c Abs. 4 StPO geregelte Möglichkeit eines Entfallens der Bindung des Gerichts an die Verständigung belehren müssen. Eine Verständigung ist regelmäßig nur dann mit dem Grundsatz des fairen Verfahrens zu vereinbaren, wenn der Angeklagte vor ihrem Zustandekommen nach § 257c Abs. 5 StPO über deren nur eingeschränkte Bindungswirkung für das Gericht belehrt worden ist (vgl. hierzu BVerfGE 133, 168, 237; BVerfG NStZ 2014, 721; BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 595/14, NStZ 2015, 358, 359 mwN; vom - 5 StR 82/15, NStZ-RR 2015, 225 [Ls]; vom - 1 StR 71/16, StV 2018, 11 mwN und vom - 5 StR 73/17, NJW 2017, 1626 [Ls]).

6Das Geständnis des Angeklagten und damit auch das Urteil beruhen auf dem Verstoß gegen die Belehrungspflicht (§ 337 Abs. 1 StPO). Der Senat kann die Ursächlichkeit des Belehrungsfehlers für das Geständnis nicht ausnahmsweise ausschließen. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat auf der Grundlage der Verständigung eingeräumt. Hierauf hat die Strafkammer die Verurteilung gestützt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass dem in Deutschland nicht vorbestraften und in Polen wohnhaften Angeklagten die Voraussetzungen für den Wegfall der Bindungswirkung bekannt waren, bestehen nicht.

73. Eines Eingehens auf die weiteren Verfahrensrügen (zur Rüge der Verletzung des § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO vgl. , BGHR StPO § 243 Abs. 4 Mitteilungspflicht 5) oder die Sachrüge bedarf es daher nicht.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:081118B4STR268.18.0

Fundstelle(n):
wistra 2019 S. 291 Nr. 7
UAAAH-09067