BGH Beschluss v. - I ZB 17/18

(Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens nach Beendigung eines Sozietätsvertrags)

Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, § 1029 ZPO, § 1040 Abs 1 S 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 12 Sch 3/18

Gründe

1I. Die Parteien schlossen am einen Sozietätsvertrag, der in § 20 unter der Überschrift "Schiedsgericht" folgende Schiedsklausel enthielt:

(1) Für alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag oder über seine Gültigkeit, die zwischen den Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaftern und der Gesellschaft entstehen sollten, entscheidet unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs abschließend und verbindlich ein Schiedsgericht.

(2) Das Schiedsgericht soll aus einem Schiedsrichter bestehen. Dieser wird durch den Präsidenten der Bundesrechtsanwaltskammer ernannt. Er muss die Befähigung zum Richteramt haben.

2Der Antragsgegner kündigte den Sozietätsvertrag fristgerecht zum . Die Parteien streiten in Folge der Kündigung über die Auslegung der Regelung in § 18 des Sozietätsvertrags, die unter der Überschrift "Fortführung der Sozietät, Abfindung" Fälle des Ausscheidens und der Kündigung regelt. Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom beantragte der Antragsgegner, die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen. Beigefügt war ein Schreiben der Rechtsanwaltskammer Berlin vom , in dem ein Schiedsrichter benannt wurde.

3Der Antragsteller ist der Auffassung, ein Schiedsverfahren sei nach der Kündigung des Sozietätsvertrags unzulässig, und hat beim Kammergericht einen entsprechenden Feststellungsantrag gestellt. Hilfsweise hat er die Feststellung begehrt, dass die Durchführung des Schiedsverfahrens nicht wirksam eingeleitet worden ist sowie dass die Bestellung des Schiedsrichters unwirksam ist.

4Das Kammergericht hat auf den Hilfsantrag festgestellt, dass die Bestellung des Schiedsrichters unwirksam ist, und die Anträge im Übrigen zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Hauptantrag weiter.

5II. Das Kammergericht hat angenommen, die Schiedsklausel in § 20 des Sozietätsvertrags sei wirksam und erfasse auch Streitigkeiten, die nach Beendigung des Sozietätsvertrags entstanden seien, soweit sie - wie vorliegend - im Zusammenhang mit dem Vertrag stünden. Das ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vereinbarung und entspreche im Übrigen allein einer interessengerechten Auslegung.

6III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2, § 1032 Abs. 2 ZPO). Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert und die von der Rechtsbeschwerde behaupteten Verstöße gegen Verfahrensgrundrechte nicht vorliegen (§ 574 Abs. 2 ZPO). Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, die Beurteilung des Kammergerichts verletze allgemeine Auslegungsgrundsätze und erweise sich als willkürlich.

71. Gerichtliche Entscheidungen verstoßen nicht schon dann gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 1 GG, wenn die Rechtsanwendung oder das eingeschlagene Verfahren Fehler enthalten. Hinzukommen muss, dass die Entscheidung bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich ist und sich deshalb der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Ist eine Entscheidung derart unverständlich, dass sie sachlich schlechthin unhaltbar ist, so ist sie objektiv willkürlich (vgl. BVerfG, NJW 1998, 2810 [juris Rn. 13]). Danach kann eine Entscheidung gegen das Willkürverbot verstoßen, wenn das Gericht bei der Auslegung eines Vertrags anerkannte Auslegungsgrundsätze in besonderem Maße außer Acht gelassen hat oder eine sich als notwendig aufdrängende Vertragsauslegung unterblieben ist und dies der Verständlichkeit der angefochtenen Entscheidung entgegensteht (vgl. , juris Rn. 12 mwN). Solche Umstände zeigt die Rechtsbeschwerde nicht auf.

82. Die Rechtsbeschwerde macht geltend, das Kammergericht verkenne, dass die Parteien sich nach dem Wortlaut der Klausel und unter Berücksichtigung ihrer Fachkenntnisse als Rechtsanwälte bewusst dagegen entschieden hätten, Streitigkeiten "im Zusammenhang mit der Beendigung des Sozietätsvertrags" ebenfalls der Schiedsgerichtsbarkeit zu unterwerfen. Es stelle mit seiner Auslegung auch den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweichenden Obersatz auf, dass bei der Auslegung von Begriffen deren fachsprachliche Bedeutung nicht zu Grunde zu legen sei. Auch das erkennbare Interesse der Parteien bei Abfassung des Vertrags sei dahin gegangen, Streitigkeiten in Zusammenhang mit der Beendigung des Sozietätsvertrags gerade nicht einer Entscheidung durch das Schiedsgericht zu unterwerfen. Das Kammergericht habe ferner gegen den Grundsatz der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde verstoßen; die Beendigung der Sozietät sei in der Schiedsklausel nicht erwähnt. Damit legt die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Verfahrensgrundrechts des Antragstellers auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht dar. Die Begründung des Kammergerichts zur Zulässigkeit des Schiedsverfahrens ist zwar knapp, sie erweist sich jedoch in der Begründung wie im Ergebnis als zutreffend.

9a) Mit Recht ist das Kammergericht davon ausgegangen, dass die Schiedsklausel wirksam ist. Das greift die Rechtsbeschwerde nicht an; Rechtsfehler sind nicht ersichtlich. Die Schiedsklausel hat insbesondere mit der Kündigung des Vertrags durch den Antragsgegner nicht ihre Wirksamkeit verloren. Die Schiedsklausel ist nach § 1040 Abs. 1 Satz 2 ZPO als eine von den übrigen Vertragsbestimmungen unabhängige Vereinbarung zu behandeln. Allein aus dem Umstand, dass die übrigen Vertragsbestimmungen wirkungslos geworden sind, kann nicht darauf geschlossen werden, dass dies auch für die Schiedsklausel gilt. Vielmehr ist anhand von Wortlaut und Zweck der Schiedsvereinbarung sowie der Interessenlage der Parteien zu entscheiden, ob mit der Beendigung der übrigen Vertragsbestimmungen auch die Schiedsklausel entfallen sollte. Dabei ist im Zweifel davon auszugehen, dass eine Schiedsvereinbarung, wonach alle Rechtsstreitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit einem Vertrag durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollen, bedeutet, das Schiedsgericht solle auch über die Frage der Gültigkeit und des Bestehens des Vertrags und die bei Unwirksamkeit oder Beendigung des Vertrags bestehenden Ansprüche entscheiden. In einem solchen Fall führt die Unwirksamkeit oder Beendigung des Hauptvertrags nicht zur Unwirksamkeit oder Beendigung der darin enthaltenen Schiedsvereinbarung (vgl. , SchiedsVZ 2017, 103 Rn. 17 mwN). Das gilt erst recht, wenn die Parteien - wie hier - Streitigkeiten über die Gültigkeit des Vertrags ausdrücklich in die Schiedsklausel einbezogen haben (vgl. OLG Hamburg, SchiedsVZ 2013, 180, 182; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 3. Aufl., Rn. 532).

10b) Das Kammergericht hat weiter zutreffend angenommen, die Schiedsklausel erfasse auch Streitigkeiten anlässlich der Beendigung des Sozietätsvertrags.

11aa) Die Rügen der Rechtsbeschwerde, das Kammergericht habe Auslegungsgrundsätze verkannt und einen fehlerhaften Obersatz aufgestellt, greifen nicht durch. Das Kammergericht ist vielmehr von dem zutreffenden Obersatz ausgegangen, eine Abrede, die Meinungsverschiedenheiten oder Streitigkeiten aus einem Vertrag allgemein einem Schiedsgericht zuweist, sei grundsätzlich weit auszulegen (vgl. , NJW-RR 2002, 387 [juris Rn. 14] mwN; Beschluss vom - III ZB 66/01, NJW-RR 2002, 1462, 1463 [juris Rn. 5]; MünchKomm.ZPO/Münch, 5. Aufl., § 1029 Rn. 110 mwN). In der vertraglichen Regelung, mit der die Parteien dem Schiedsgerichtsverfahren nicht nur Streitigkeiten "aus dem Sozietätsvertrag" unterworfen haben, sondern auch solche, die sich "im Zusammenhang mit diesem Vertrag" ergeben, kommt der Wille der Parteien zum Ausdruck, eine möglichst umfassende Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu begründen (vgl. , SchiedsVZ 2017, 144 Rn. 17); das gilt erst recht für die hier rechtskundigen Parteien. Einen nachvollziehbaren Grund für ein erkennbares Interesse der Parteien, diese weite Schiedsklausel zu beschränken und Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Beendigung des Sozietätsvertrags von ihrem Anwendungsbereich auszunehmen, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar. Eine solche Annahme liegt auch fern, worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist. Die Rechtsfolgen im Fall der Auflösung der Sozietät oder des Ausscheidens eines Gesellschafters können Vorfragen aufwerfen, die Bestimmungen des Sozietätsvertrags berühren, die der Schiedsklausel unterfallen; das verkennt die Rechtsbeschwerde, wenn sie meint, Fragen der Fortführung, Abfindung und Bewertung wollten die Parteien einer Entscheidung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit unterwerfen. Es liegt nicht im Interesse der Parteien, dass über diese Fragen einmal ein staatliches Gericht und einmal ein Schiedsgericht entscheidet.

12bb) Ebenfalls ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde einen Verstoß gegen den Grundsatz der Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit der Vertragsurkunde (vgl. , WM 2018, 817 Rn. 19). Der Schiedsklausel kann nicht entnommen werden, dass Streitigkeiten anlässlich der Beendigung der Sozietät von ihr nicht erfasst sein sollten; damit konnte der Text der Schiedsklausel insoweit auch keine Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit begründen (vgl. BGH, WM 2018, 817 Rn. 20).

13IV. Die Rechtsbeschwerde ist danach auf Kosten des Antragstellers zu verwerfen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:311018BIZB17.18.0

Fundstelle(n):
DStR 2018 S. 14 Nr. 51
CAAAH-08597