Schwerer Raub: Besonders schwerer Fall bei Benutzen von Kabelbindern zur Fesselung der Hände und Einsatz einer nicht geladenen Waffe
Gesetze: § 250 Abs 1 Nr 1 Buchst b StGB, § 250 Abs 2 Nr 1 StGB
Instanzenzug: LG München I Az: 244 Js 180031/14 - 10 KLs
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten verurteilt, die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 113.250 Euro angeordnet und für erlittene Auslieferungshaft einen Anrechnungsmaßstab bestimmt. Die mit der allgemeinen Sachrüge geführte Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist sein Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes im Fall B.I. der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
3a) Nach den Feststellungen des Landgerichts betrat der Angeklagte am mit einer kleinen, nicht näher bestimmbaren Pistole die Lobby eines Hotels und bedrohte damit zwei Angestellte, die er zumindest zeitweilig mit Kabelbindern fesselte. Er erzwang die Öffnung des Hotelsafes, aus dem er eine Digitalkamera im Wert von 50 Euro an sich nahm. Unter vorgehaltener Pistole befahl er sodann einer der Angestellten, die Kassen der Rezeption zu öffnen, aus denen er 1.200 Euro entnahm und anschließend flüchtete.
4b) Das Landgericht sah die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestandes des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB als erfüllt an, weil der Angeklagte bei dem Raubgeschehen eine Waffe zur Drohung verwendet habe. Die verwendete Pistole sei jedoch als Scheinwaffe zu qualifizieren, weil zum konkreten Typ der Waffe (Schusswaffe oder Gas- bzw. Schreckschusspistole) und zum Ladezustand keine Feststellungen getroffen werden konnten. Darüber hinaus habe der Angeklagte Gewalt angewendet, indem er beiden Geschädigten die Hände hinter ihrem Rücken gefesselt habe.
52. Damit ist entgegen der Ansicht des Landgerichts der Tatbestand des besonders schweren Raubes gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB nicht erfüllt. Eine ungeladene Schusswaffe bzw. Gas- oder Schreckschusspistole, die vom Täter als Drohmittel zur Verhinderung oder Überwindung von Widerstand einer anderen Person eingesetzt wird, unterfällt (lediglich) dem Tatbestand des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 250 Rn. 10 mwN). Die konkrete Verwendung der Kabelbinder zur Fesselung der Geschädigten vermag vorliegend den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB ebenfalls nicht zu begründen. Nach der Art der Verwendung der Kabelbinder lag keine Eignung vor, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (vgl. , NStZ-RR 2004, 169).
63. Der Senat schließt aus, dass ein neuer Tatrichter Feststellungen treffen könnte, die einen besonders schweren Raub im Fall B.I. der Urteilsgründe belegen. Er ändert den Schuldspruch deshalb selbst in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
74. Der Rechtsfehler führt wegen der gegenüber § 250 Abs. 2 StGB niedrigeren Strafrahmenuntergrenze des § 250 Abs. 1 StGB zur Aufhebung der Einzelstrafe im Fall B.I. der Urteilsgründe und der Gesamtstrafe. Die Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt; sie bleiben bestehen. Der neue Tatrichter kann bei der Strafzumessung neue Feststellungen treffen, sofern sie den bisherigen nicht widersprechen.
8Die Einsatzstrafe für den Fall B.II. der Urteilsgründe, die Einziehungsentscheidung und der festgestellte Maßstab für die Anrechnung der Auslieferungshaft sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:241018B1STR517.18.0
Fundstelle(n):
FAAAH-08583