Verfahrensrüge wegen übermüdetem Schöffen
Gesetze: § 261 StPO, § 338 Nr 1 StPO
Instanzenzug: Az: 4 KLs 37/17
Gründe
1Das Landgericht hat die Angeklagte wegen (unerlaubten) Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 19 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit (unerlaubter) Einfuhr mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die „erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen“ in Höhe des aus der Beschlussformel ersichtlichen Betrages angeordnet. Die auf Verfahrens- und die Sachrüge gestützte Revision der Angeklagten erzielt lediglich einen geringfügigen Teilerfolg.
2Einer Erörterung bedarf nur Folgendes:
31. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge, das Gericht sei in der Verhandlung am nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen (§ 338 Nr. 1 StPO), ist auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Verteidigerin im Schriftsatz vom unbegründet.
4Die Revision hat insoweit - gestützt auf eidesstattliche Versicherungen zweier „Verfahrensbeobachter“ - die Behauptung aufgestellt, ein Schöffe habe während der Beweisaufnahme ca. 30 bis 45 Minuten geschlafen. Die in der Sitzung anwesenden Wachtmeisterinnen hätten darüber gelacht.
5Dieser Darstellung hat der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in seiner Gegenerklärung widersprochen. Er hat angegeben, der Schöffe habe lediglich mehrfach „in entspannter, rückwärtsgelehnter Haltung“ für Bruchteile von Sekunden die Augen geschlossen. Der Senat hat dienstliche Erklärungen des betroffenen Schöffen, des Strafkammervorsitzenden, der Beisitzerin, der Protokollführerin sowie der drei Wachtmeisterinnen eingeholt. Zwar hat eine der Wachtmeisterinnen angegeben, der Schöffe sei nach ihrer „Einschätzung“ während der Verhandlung für ca. zehn Minuten eingeschlafen. Die beiden weiteren Wachtmeisterinnen und die Protokollführerin haben dahingehend Stellung genommen, sich an die Verhandlung bzw. einen „eingeschlafenen Schöffen“ nicht erinnern zu können. Der Schöffe selbst hat der Behauptung der Beschwerdeführerin in einer ausführlichen Stellungnahme mit erlebnisbetonten Schilderungen widersprochen. Der Vorsitzende hat sich dahingehend geäußert, ein Schlafen des Schöffen nicht wahrgenommen zu haben. Auch ein Amüsement der Wachtmeisterinnen, das für ihn Anlass für eine Nachfrage nach dem Grund gewesen wäre, habe er nicht bemerkt. In ähnlicher Weise hat sich auch die Beisitzerin geäußert. Der in der Hauptverhandlung anwesende Verteidiger hat von der Möglichkeit der Abgabe einer anwaltlichen Versicherung zu dem geschilderten Sachverhalt keinen Gebrauch gemacht.
6Auf dieser Grundlage steht nicht fest, dass der betroffene Schöffe wesentlichen Vorgängen der Verhandlung während einer ins Gewicht fallenden Zeitspanne wegen Übermüdung nicht folgen konnte (vgl. , NStZ 1982, 41; KK-StPO/Gericke, 7. Aufl., § 338 Rn. 51). Dies geht mangels Anwendbarkeit des Zweifelssatzes zu Lasten der Revision (vgl. , BGHSt 16, 164, 167). Eine mögliche vorübergehende Beeinträchtigung der Aufmerksamkeit durch Ermüdungserscheinungen würde nicht genügen (, BGHSt 2, 14, 15 f.).
72. Auf die Sachrüge hin ist allerdings der Schuldspruch zu berichtigen. Das Landgericht hat die Anzahl der nach den Feststellungen von der Angeklagten im Zeitraum von Mai 2016 bis Juli 2016 wöchentlich vorgenommen Kommissionskäufe von jeweils 250 Gramm Amphetamin (Wirkstoffmenge 37,5 Gramm Amphetamin-Base) zum Zwecke der gewinnbringenden Weiterveräußerung falsch berechnet. Wie die Anklage geht das Urteil von 14 Ankäufen aus. Der Tatzeitraum umfasst jedoch nur 13 Wochen, so dass die Angeklagte von einer ihr zur Last gelegten Tat freizusprechen und der Schuldspruch entsprechend zu ändern war.
8Der Teilfreispruch bedingt den Fortfall der auf die Tat entfallenden Freiheitsstrafe von einem Jahr. Angesichts der weiteren Freiheitsstrafen (dreizehnmal ein Jahr, zweimal zwei Jahre vier Monate und jeweils einmal ein Jahr sechs Monate, ein Jahr vier Monate sowie ein Jahr zwei Monate) kann der Senat ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender Feststellung der Anzahl der Taten auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.
93. Das Entfallen einer Tat wirkt sich auch nicht auf die Höhe der eingezogenen Geldsumme aus, die bei zutreffender Berechnung 22.875 Euro betragen hätte. Der Senat hat den Einziehungsausspruch jedoch neu gefasst, da gemäß § 73 Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB nF auf die Einziehung des Wertes von Taterträgen hätte erkannt werden müssen (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts).
104. Wegen des nur geringen Teilerfolgs der Revision ist es nicht unbillig, die Beschwerdeführerin mit den gesamten Kosten ihres Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:190618B5STR643.17.0
Fundstelle(n):
ZAAAH-07133