Instanzenzug:
Gründe
Zur Vorlagefrage
14Mit seiner Vorlagefrage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 80 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1083/2006 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Steuerregelung wie der im Ausgangsverfahren entgegensteht, wonach Studienbeihilfen der nationalen Einkommensteuer unterliegen, die aus Mitteln Europäischer Strukturfonds finanziert und natürlichen Personen von der Behörde gewährt werden, die von der Verwaltungsbehörde des betreffenden operationellen Programms mit der Durchführung des ausgewählten Projekts im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Verordnung beauftragt wurde.
15Einleitend ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, diese ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Unionsrechts ausüben müssen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Manninen, C-319/02, EU:C:2004:484, Rn. 19, und vom , Porto Antico di Genova, C-427/05, EU:C:2007:630, Rn. 10).
16Insbesondere dürfen die nationalen Rechtsvorschriften das Funktionieren der Mechanismen nicht behindern, die im Rahmen der Strukturfonds, wie sie in der Verordnung Nr. 1083/2006 vorgesehen sind, geschaffen wurden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Porto Antico di Genova, C-427/05, EU:C:2007:630, Rn. 10).
17Insoweit bestimmt Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006, dass „[d]ie Mitgliedstaaten [dafür sorgen], dass die mit den Zahlungen beauftragten Stellen darauf achten, dass die Begünstigten den Gesamtbetrag der öffentlichen Beteiligung so bald wie möglich und vollständig erhalten“.
18Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006, der jegliche Abgabe auf den Betrag der finanziellen Beteiligung der Europäischen Union untersagt, weist nur auf die Regel der vollständigen Auszahlung von Finanzbeihilfen der Union hin, die bereits in anderen Vorschriften geregelt war, u. a. in Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 4253/88 des Rates vom zur Durchführung der Verordnung (EWG) Nr. 2052/88 hinsichtlich der Koordinierung der Interventionen der verschiedenen Strukturfonds einerseits und zwischen diesen und den Interventionen der Europäischen Investitionsbank und der sonstigen vorhandenen Finanzinstrumente andererseits (ABl. 1988, L 374, S. 1) in der durch die Verordnung (EWG) Nr. 2082/93 des Rates vom (ABl. 1993, L 193, S. 20) geänderten Fassung.
19Der Gerichtshof hat im Hinblick auf diese Bestimmung, wonach „[d]ie Zahlungen … an die Endempfänger zu leisten [sind], ohne dass irgendein Abzug oder Einbehalt den Finanzhilfebetrag verringern darf, auf den sie Anspruch haben“, klargestellt, dass dieses Verbot von Abzügen nicht rein formal ausgelegt werden kann und sich auf alle Belastungen beziehen muss, die unmittelbar und untrennbar mit den gezahlten Beträgen in Zusammenhang stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Kommission/Portugal, C-84/04, EU:C:2006:640, Rn. 35, und vom , Porto Antico di Genova, C-427/05, EU:C:2007:630, Rn. 13).
20Dagegen behindert eine Abgabe, die von Unionszuschüssen unabhängig ist und nicht speziell mit den gewährten Beträgen zusammenhängt, sondern unterschiedslos die Gesamtheit der Einkünfte des Endbegünstigten betrifft, nicht das Funktionieren der vom Unionsrecht geschaffenen Mechanismen, obwohl sie zu einer Verringerung des Betrags des Unionszuschusses führt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Porto Antico di Genova, C-427/05, EU:C:2007:630, Rn. 16 und 18).
21Angesichts dessen, dass den unterschiedlichen Unterstützungsmaßnahmen gemeinsam ist, dass sie aus dem Unionshaushalt finanziert werden und die auf sie anwendbaren Auszahlungsregelungen gleich auszulegen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Portugal, C-84/04, EU:C:2006:640, Rn. 32), bleibt die Rechtsprechung des Gerichtshofs zur vollständigen Auszahlung von Finanzhilfen nach Art. 21 Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 4253/88 in der durch die Verordnung Nr. 2082/93 geänderten Fassung auf Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 anwendbar.
22Jedoch sind die Besonderheiten der verschiedenen fraglichen Mechanismen zu berücksichtigen. Im Unterschied zu anderen Rechtsvorschriften, die sich unter Verwendung des Begriffs „Endbegünstigter“ auf die natürliche oder juristische Person beziehen, die Empfängerin der gewährten Beträge ist, wird nämlich in Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1083/2006 ein „Begünstigter“ ausdrücklich als „[ein] Wirtschaftsbeteiligte[r] oder eine Einrichtung bzw. ein Unternehmen des öffentlichen oder privaten Rechts, die mit der Einleitung oder der Einleitung und Durchführung der Vorhaben betraut sind“, definiert.
23In Art. 2 Nr. 3 der Verordnung wird der Begriff „Vorhaben“ definiert als ein „Projekt oder ein Bündel von Projekten, das von der Verwaltungsbehörde des betreffenden operationellen Programms … ausgewählt und von einem oder mehreren Begünstigten durchgeführt wird, um die Ziele der zugehörigen Prioritätsachse zu erreichen“.
24Folglich geht es bei der in Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 geregelten vollständigen Auszahlung um die Auszahlung an Wirtschaftsbeteiligte oder eine Einrichtung bzw. ein Unternehmen des öffentlichen oder privaten Rechts, die mit der Einleitung oder der Einleitung und Durchführung von Projekten betraut sind, die von der Verwaltungsbehörde des betreffenden operationellen Programms ausgewählt wurden, um die Ziele der betreffenden Prioritätsachse zu erreichen.
25Vorliegend ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass die Verwaltungsbehörde im Rahmen des operationellen Programms zur Stärkung des Hochschulsystems in Sardinien das Programm „Master and Back“ ausgewählt hat, das darin bestand, Hochschulabsolventen und Forschern Studienbeihilfen zu gewähren, deren Auswahl der Autonomen Region Sardinien – regionale Arbeitsagentur im Rahmen der Durchführung des zuletzt genannten Programms oblag.
26Daraus folgt, dass die Klägerin des Ausgangsverfahrens, obwohl sie persönlich die Empfängerin der Beträge ist, die im Rahmen des vom ESF ausgewählten und kofinanzierten Programms gewährt wurden, nicht als „Begünstigter“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1083/2006 einzuordnen ist, da diese Eigenschaft der Autonomen Region Sardinien – regionale Arbeitsagentur zukommt. Somit ist der Grundsatz der vollständigen Auszahlung der aus dem Unionsbudget gewährten Beträge gemäß Art. 80 der Verordnung Nr. 1083/2006 auf Letztere anwendbar.
27Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 80 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 4 der Verordnung Nr. 1083/2006 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Steuerregelung wie der im Ausgangsverfahren nicht entgegensteht, wonach Studienbeihilfen der nationalen Einkommensteuer unterliegen, die aus Mitteln europäischer Strukturfonds finanziert und natürlichen Personen von der Behörde gewährt werden, die von der Verwaltungsbehörde des betreffenden operationellen Programms mit der Durchführung des ausgewählten Projekts im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Verordnung beauftragt wurde.
Kosten
28Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zehnte Kammer) für Recht erkannt:
Art. 80 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1083/2006 des Rates vom mit allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds und den Kohäsionsfonds und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1260/1999 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Steuerregelung wie der im Ausgangsverfahren nicht entgegensteht, wonach Studienbeihilfen der nationalen Einkommensteuer unterliegen, die aus Mitteln europäischer Strukturfonds finanziert und natürlichen Personen von der Behörde gewährt werden, die von der Verwaltungsbehörde des betreffenden operationellen Programms mit der Durchführung des ausgewählten Projekts im Sinne von Art. 2 Nr. 3 der Verordnung beauftragt wurde.
Fundstelle(n):
JAAAH-06820