EuGH Urteil v. - C-628/15

Gründe

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

28Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 49 und 63 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einem Anteilseigner, der als FID qualifizierte Dividenden erhält und in demselben Mitgliedstaat ansässig ist wie die Gesellschaft, die diese Dividenden ausschüttet, insbesondere unter Berücksichtigung des Urteils vom , Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774), Rechte verleihen.

29Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass das BT Pension Scheme der Vorlageentscheidung zufolge in dem für das Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitraum zu einem Anteil von weniger als 5 % am Gesellschaftskapital der Unternehmen, in die es investiert hatte, beteiligt war und nur in einem Verhältnis eines gewöhnlichen Anteilseigners zu diesen Unternehmen stand.

30Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs fällt ein Erwerb von Wertpapieren auf dem Kapitalmarkt, der in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgt, ohne dass auf die Verwaltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, grundsätzlich in den Anwendungsbereich von Art. 63 AEUV und nicht in den von Art. 49 AEUV. Letztere Vorschrift ist nur auf Beteiligungen anwendbar, die es ermöglichen, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen einer Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C-35/11, EU:C:2012:707, Rn. 91 und 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).

31Da die Beteiligungen des BT Pension Scheme an den Gesellschaften, in die es investiert hatte, es nicht ermöglichten, einen solchen Einfluss auszuüben, ist die Frage des vorlegenden Gerichts im vorliegenden Fall ausschließlich unter dem Blickwinkel von Art. 63 AEUV zu prüfen.

32Zu der so präzisierten Frage, ob Art. 63 AEUV einem Anteilseigner, der als FID qualifizierte Dividenden erhalten hat, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens Rechte verleiht, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 63 Abs. 1 AEUV nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ganz allgemein Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten verbietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Kommission/Niederlande, C-282/04 und C-283/04, EU:C:2006:608, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

33Was insbesondere die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nationale Regelung betrifft, hat der Gerichtshof in Rn. 173 des Urteils vom , Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774) bereits entschieden, dass Art. 63 AEUV Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegensteht, die gebietsansässige Gesellschaften, die an ihre Anteilseigner Dividenden ausschütten, die aus Dividenden aus inländischen Quellen stammen, von der ACT befreien, dagegen gebietsansässigen Gesellschaften, die an ihre Anteilseigner Dividenden ausschütten, die aus Dividenden aus ausländischen Quellen stammen, die Möglichkeit einräumen, sich für eine Regelung zu entscheiden, nach der sie die ACT zurückerlangen können, dabei jedoch u. a. keine Steuergutschrift für die Anteilseigner vorsehen, obwohl diese eine solche Gutschrift bei einer Ausschüttung durch eine gebietsansässige Gesellschaft auf der Grundlage von Dividenden aus inländischen Quellen erhalten hätten.

34Somit hat der Gerichtshof insbesondere entschieden, dass das Steuersystem des Vereinigten Königreichs einschließlich der FID-Regelung eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs im Sinne von Art. 63 AEUV begründet, soweit es Anteilseignern, die Dividenden erhalten, den Anspruch auf eine Steuergutschrift versagt, wenn diese Dividenden aus Gewinnen einer gebietsansässigen Gesellschaft aus ausländischen Quellen stammen, nicht aber, wenn diese Dividenden aus Gewinnen einer gebietsansässigen Gesellschaft aus inländischen Quellen stammen.

35Im vorliegenden Fall erhielten die Trustees als FID qualifizierte Dividenden, hatten jedoch keinen Anspruch auf eine Steuergutschrift für diese Dividenden.

36Eine solche Versagung der Steuergutschrift an Anteilseigner wie die Trustees, die für Dividenden nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen, kann dazu führen, dass diese Anteilseigner davon Abstand nehmen, in im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaften, die Dividenden von gebietsfremden Gesellschaften beziehen, zu investieren, und sich dafür entscheiden, in gebietsansässige Gesellschaften, die Dividenden von anderen gebietsansässigen Gesellschaften beziehen, zu investieren (vgl. entsprechend Urteil vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, EU:C:2006:774, Rn. 166).

37Daraus ergibt sich, dass der Fall der Trustees so behandelt wird, wie in Rn. 173 des Urteils vom , Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774), geschildert. Dem steht Art. 63 AEUV entgegen. Somit können sich die Trustees auf diesen Artikel berufen, um die Anwendung einer nationalen Bestimmung wie Section 246C ICTA, die ihnen eine Steuergutschrift versagt, auszuschließen.

38Gleichwohl haben die Commissioners vor dem vorlegenden Gericht und die Regierung des Vereinigten Königreichs vor dem Gerichtshof geltend gemacht, dass sich die Trustees nicht auf Art. 63 AEUV berufen könnten, um die Anwendung von Section 246C ICTA auszuschließen, da ihre Kapitalanlage in der FID-Regelung unterliegende Gesellschaften mit Sitz im Vereinigten Königreich keinen Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne der Nomenklatur im Anhang I der als Leitlinie für die Auslegung von Art. 63 AEUV erlassenen Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom zur Durchführung von Artikel [63 AEUV] (ABl. 1988, L 178, S. 5) impliziere.

39Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs eine nationale Regelung, die unterschiedslos auf die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten anwendbar ist, nur dann unter die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Kapitalverkehr fallen kann, wenn sie auf Sachlagen anwendbar ist, die eine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Reisch u. a., C-515/99, C-519/99 bis C-524/99 und C-526/99 bis C-540/99, EU:C:2002:135, Rn. 24).

40Die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Kapitalverkehr finden nämlich auf einen Sachverhalt, dessen Merkmale sämtlich nicht über die Grenzen eines Mitgliedstaats hinausweisen, keine Anwendung (Urteil vom , Caixa d'Estalvis i Pensions de Barcelona, C-139/12, EU:C:2014:174, Rn. 42).

41Es ist aber nicht ersichtlich, dass die im Ausgangsverfahren streitigen Rechtsvorschriften nur Sachverhalte betreffen, die keine Verbindung zum Handel zwischen den Mitgliedstaaten aufweisen, oder dass die maßgeblichen Merkmale des Ausgangsverfahrens nicht über die Grenzen des Vereinigten Königreichs hinausweisen.

42Vielmehr beruht die ungünstige steuerliche Behandlung bestimmter Anteilseigner, die als FID qualifizierte Dividenden beziehen, nämlich die in Section 246C ICTA vorgesehene Versagung der Steuergutschrift, gerade darauf, dass diese Dividenden aus Erträgen stammen, die die ausschüttende Gesellschaft von einer nicht im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft bezogen hat, während diese Anteilseigner bei Dividenden aus Erträgen einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft – unter ansonsten gleichen Bedingungen – Anspruch auf eine solche Steuergutschrift hätten.

43Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, dass diese Beschränkung jedenfalls durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Kohärenz des innerstaatlichen Steuersystems zu wahren. Hierzu genügt jedoch der Hinweis, dass sich u. a. aus Rn. 163 des Urteils vom , Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774), ergibt, dass die in diesem Urteil festgestellte Beschränkung des Art. 63 AEUV nach Auffassung des Gerichtshofs nicht durch die Notwendigkeit gerechtfertigt werden kann, die Kohärenz des fraglichen Steuersystems zu wahren. Wie der Generalanwalt in Nr. 66 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, sind die von der Regierung des Vereinigten Königreichs im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Argumente im Wesentlichen mit denen identisch, die der Gerichtshof im Rahmen der letztgenannten Rechtssache bereits zurückgewiesen hat. Folglich können sie im vorliegenden Fall die in Rn. 36 des vorliegenden Urteils festgestellte Beschränkung von Art. 63 AEUV nicht rechtfertigen.

44Daher ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 63 AEUV dahin auszulegen ist, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem Anteilseigner, der als FID qualifizierte Dividenden erhält, Rechte verleiht.

Zur zweiten Frage

45In Anbetracht der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten.

Zur dritten Frage

46Mit der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang das Unionsrecht verlangt, dass das nationale Recht eines Mitgliedstaats Rechtsbehelfe für Anteilseigner vorsieht, die in einer Situation wie im Ausgangsverfahren als FID qualifizierte Dividenden, aber keine Steuergutschrift für diese Dividenden erhalten haben, um es diesen Anteilseignern zu ermöglichen, die ihnen durch Art. 63 AEUV verliehenen Rechte geltend zu machen.

47Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten insbesondere nach dem in Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV niedergelegten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit verpflichtet sind, in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet die Anwendung und die Einhaltung des Unionsrechts zu gewährleisten, und dass sie nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 2 EUV alle geeigneten Maßnahmen allgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben, ergreifen. Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 19 Abs. 1 Unterabs. 2 EUV die erforderlichen Rechtsbehelfe schaffen, damit ein wirksamer Rechtsschutz in den vom Unionsrecht erfassten Bereichen gewährleistet ist.

48Gemäß der Antwort auf die erste Frage verleiht Art. 63 AEUV Anteilseignern, die als FID qualifizierte Dividenden erhalten, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens das Recht auf die gleiche steuerliche Behandlung dieser Dividenden wie ihnen für Dividenden gewährt wird, die aus Erträgen stammen, die die gebietsansässige ausschüttende Gesellschaft von einer ebenfalls gebietsansässigen Gesellschaft bezogen hat.

49Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann Art. 63 AEUV vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden und zur Unanwendbarkeit der ihm zuwiderlaufenden nationalen Vorschriften führen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Sanz de Lera u. a., C-163/94, C-165/94 und C-250/94, EU:C:1995:451, Rn. 48, und vom , A, C-101/05, EU:C:2007:804, Rn. 27).

50Ebenfalls nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist der Anspruch auf Erstattung von Abgaben, die ein Mitgliedstaat unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hat, eine Folge und eine Ergänzung der Rechte, die den Einzelnen aus den Bestimmungen des Unionsrechts in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof erwachsen. Der Mitgliedstaat ist also grundsätzlich verpflichtet, unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhobene Abgaben zu erstatten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , San Giorgio, 199/82, EU:C:1983:318, Rn. 12, vom , Comateb u. a., C-192/95 bis C-218/95, EU:C:1997:12, Rn. 20, und vom , Lady & Kid u. a., C-398/09, EU:C:2011:540, Rn. 17).

51Nach Ansicht der Regierung des Vereinigten Königreichs besteht ein solcher Anspruch auf Erstattung rechtswidrig erhobener Abgaben hier jedoch nicht, da die Trustees, die hinsichtlich der Dividenden nicht der Kapitalertragsteuer unterlägen, auf die Dividenden, auf die die beanspruchten Steuergutschriften entfielen, überhaupt keine Steuer entrichtet hätten.

52Der Anspruch auf Erstattung im Sinne der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung richtet sich jedoch nicht nur auf die Beträge der an den Mitgliedstaat gezahlten rechtswidrigen Abgaben, sondern auch auf jeden einbehaltenen Betrag, dessen Erstattung unerlässlich ist, um die nach den Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Verkehrsfreiheiten verlangte Gleichbehandlung wieder herzustellen (vgl. entsprechend Urteile vom , Metallgesellschaft u. a., C-397/98 und C-410/98, EU:C:2001:134, Rn. 87, vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, EU:C:2006:774, Rn. 205, und vom , Littlewoods Retail u. a., C-591/10, EU:C:2012:478, Rn. 25). Hierzu zählen folglich auch die Beträge der dem Einzelnen geschuldeten Steuergutschrift, die ihm nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften versagt wurde, denen das Unionsrecht entgegensteht.

53Somit haben Anteilseigner wie die Trustees, die hinsichtlich der Dividenden nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen und die als FID qualifizierte Dividenden, jedoch keine Steuergutschrift für diese Dividenden erhalten haben, unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einen Anspruch auf Auszahlung der Steuergutschrift, die ihnen nach den mit Art. 63 AEUV unvereinbaren innerstaatlichen Rechtsvorschriften rechtswidrig versagt wurde.

54Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sowohl die nationalen Verwaltungsbehörden als auch die nationalen Gerichte, die im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit die Bestimmungen des Unionsrechts anzuwenden haben, gehalten sind, für die volle Wirksamkeit dieser Bestimmungen Sorge zu tragen, indem sie erforderlichenfalls jede entgegenstehende nationale Bestimmung aus eigener Entscheidungsbefugnis unangewandt lassen, ohne die vorherige Beseitigung dieser nationalen Bestimmung auf gesetzgeberischem Weg oder durch irgendein anderes verfassungsrechtliches Verfahren zu beantragen oder abzuwarten (vgl. in diesem Sinne in Bezug auf Verwaltungsbehörden Urteile vom , Costanzo, 103/88, EU:C:1989:256, Rn. 31, vom , Ciola, C-224/97, EU:C:1999:212, Rn. 26 und 30, und in Bezug auf Gerichte Urteile vom , Simmenthal, 106/77, EU:C:1978:49, Rn. 24, und vom , Ognyanov, C-614/14, EU:C:2016:514, Rn. 34).

55Diese Verpflichtung hindert die zuständigen nationalen Gerichte im Übrigen nicht daran, unter mehreren nach der innerstaatlichen Rechtsordnung in Betracht kommenden Wegen diejenigen zu wählen, die zum Schutz der durch das Unionsrecht gewährten individuellen Rechte geeignet erscheinen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , IN. CO. GE.'90 u. a., C-10/97 bis C-22/97, EU:C:1998:498, Rn. 21, und vom , Littlewoods Retail u. a., C-591/10, EU:C:2012:478, Rn. 33).

56Daraus folgt, dass der nationale Richter im Rahmen einer Klage der nicht steuerpflichtigen Anteilseigner, die als FID qualifizierte Dividenden erhalten haben, auf Auszahlung der Steuergutschrift, die ihnen durch die im Ausgangsverfahren streitigen innerstaatlichen Rechtsvorschriften rechtswidrig versagt wurde, grundsätzlich verpflichtet ist, die Bestimmungen dieser Rechtsvorschriften, die der mit Art. 63 AEUV nicht vereinbaren Behandlung zugrunde liegen, unangewandt zu lassen, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten.

57Was schließlich die Verfahrensmodalitäten einer solchen Klage betrifft, ist es nicht Sache des Gerichtshofs, die von den Trustees beim vorlegenden Gericht erhobenen Klagen rechtlich einzuordnen, da es diesen obliegt, Wesen und Grundlage ihrer Klagen unter Aufsicht des vorlegenden Gerichts näher darzulegen. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich jedoch, dass die Einzelnen über einen effektiven Rechtsbehelf verfügen müssen, der es ihnen ermöglicht, die Auszahlung der Steuergutschrift, die ihnen rechtswidrig versagt wurde, zu erhalten (vgl. entsprechend Urteil vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, EU:C:2006:774, Rn. 201 und 220).

58Mangels einer Unionsregelung über die Auszahlung von Steuergutschriften, die den Berechtigten zu Unrecht versagt wurden, ist es zwar Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten, die Verfahrensmodalitäten der Klagen zu regeln, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, doch dürfen diese Modalitäten nach dem Äquivalenzgrundsatz nicht weniger günstig ausgestaltet sein als die entsprechender innerstaatlicher Klagen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Rewe-Zentralfinanz und Rewe-Zentral, 33/76, EU:C:1976:188, Rn. 5, vom , Metallgesellschaft u. a., C-397/98 und C-410/98, EU:C:2001:134, Rn. 85, vom , Test Claimants in the FII Group Litigation, C-446/04, EU:C:2006:774, Rn. 203, und vom , Târșia, C-69/14, EU:C:2015:662, Rn. 26 und 27).

59Außerdem sind die Mitgliedstaaten nach dem Effektivitätsgrundsatz für den wirksamen Schutz der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte in jedem Einzelfall verantwortlich und müssen insbesondere die Beachtung des in Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerten Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht gewährleisten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom , Star Storage u. a., C-439/14 und C-488/14, EU:C:2016:688, Rn. 46, vom , Lesoochranárske zoskupenie VLK, C-243/15, EU:C:2016:838, Rn. 65, und vom , Berlioz Investment Fund, C-682/15, EU:C:2017:373, Rn. 44).

60Im vorliegenden Fall ist es zum einen Aufgabe des vorlegenden Gerichts, dafür zu sorgen, dass hinsichtlich der Dividenden nicht der Kapitalertragsteuer unterliegende Anteilseigner wie die Trustees, die Dividenden erhalten haben, die aus Dividenden aus ausländischer Quellen stammen und als FID qualifiziert sind, über einen Rechtsbehelf verfügen, der die Auszahlung der den Berechtigten rechtswidrig versagten Steuergutschrift für diese Dividenden nach Modalitäten gewährleistet, die nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die eines Rechtsbehelfs auf Auszahlung einer solchen Steuergutschrift oder eines vergleichbaren steuerlichen Vorteils in einem Sachverhalt, in dem die Steuerverwaltung den Berechtigten diese Steuergutschrift oder diesen steuerlichen Vorteil bei der Ausschüttung von Dividenden versagt hat, die aus Dividenden von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft stammen. Zum anderen muss das vorlegende Gericht sicherstellen, dass dieser Rechtsbehelf es ermöglicht, den Schutz der diesen Anteilseignern in Art. 63 AEUV verliehenen Rechte wirksam zu gewährleisten.

61Daher ist auf die dritte Frage zu antworten, dass das Unionsrecht verlangt, dass das nationale Recht eines Mitgliedstaats Rechtsbehelfe für Anteilseigner vorsieht, die in einer Situation wie im Ausgangsverfahren als FID qualifizierte Dividenden, aber keine Steuergutschrift für diese Dividenden erhalten haben, um es diesen Anteilseignern zu ermöglichen, die ihnen durch Art. 63 AEUV verliehenen Rechte geltend zu machen. In diesem Zusammenhang muss das zuständige nationale Gericht dafür sorgen, dass hinsichtlich der Dividenden nicht der Kapitalertragsteuer unterliegende Anteilseigner wie die Trustees, die Dividenden erhalten haben, die aus Dividenden aus ausländischer Quellen stammen und als FID qualifiziert sind, über einen Rechtsbehelf verfügen, der zum einen geeignet ist, die Auszahlung der den Berechtigten rechtswidrig versagten Steuergutschrift für diese Dividenden nach Modalitäten zu gewährleisten, die nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die eines Rechtsbehelfs auf Auszahlung einer solchen Steuergutschrift oder eines vergleichbaren steuerlichen Vorteils in einem Sachverhalt, in dem die Steuerverwaltung den Berechtigten diese Steuergutschrift oder diesen steuerlichen Vorteil bei der Ausschüttung von Dividenden versagt hat, die aus Dividenden von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft stammen, und es zum anderen ermöglicht, den Schutz der diesen Anteilseignern in Art. 63 AEUV verliehenen Rechte wirksam zu gewährleisten.

Zur vierten Frage Buchst. a

62Mit der vierten Frage Buchst. a möchte das vorlegende Gericht wissen, wie es sich auf die Beantwortung der ersten drei Vorlagefragen auswirkt, dass die Trustees im Vereinigten Königreich keine Einkommensteuer auf die von ihnen bezogenen Dividenden zu entrichten haben.

63Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass der Verstoß gegen Art. 63 AEUV, wie er vom Gerichtshof in Rn. 173 des Urteils vom , Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774), festgestellt wurde, insbesondere darauf beruht, dass Dividenden, die Anteilseigner wie die Trustees erhalten, unterschiedlich behandelt werden, je nachdem ob sie von Dividenden aus ausländischer Quelle stammen und als FID qualifiziert werden oder ob sie von Dividenden aus inländischer Quelle stammen und nicht als FID qualifiziert werden.

64Wie der Generalanwalt in Nr. 88 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, kommt es nicht darauf an, ob der Anteilseigner, der als FID qualifizierte Dividenden erhält, Einkommensteuer auf diese Dividenden zu entrichten hat, da Art. 63 AEUV lediglich erfordert, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung dieser Kategorien von Dividenden, die Anteilseigner wie die Trustees erhalten, aufgehoben wird.

65Auf die vierte Frage Buchst. a ist daher zu antworten, dass der Umstand, dass die Trustees auf die von ihnen bezogenen Dividenden keine Einkommensteuer zu entrichten haben, an den Antworten auf die ersten drei Fragen des vorlegenden Gerichts nichts zu ändern vermag.

Zur vierten Frage Buchst. b

66Mit der vierten Frage Buchst. b möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich möglicherweise auf die Beantwortung der ersten drei Vorlagefragen auswirkt, dass der Verstoß gegen das Unionsrecht nach seiner Auffassung nicht hinreichend qualifiziert ist, um gemäß den im Urteil vom , Brasserie du Pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, EU:C:1996:79), festgelegten Grundsätzen eine außervertragliche Haftung des betreffenden Mitgliedstaats zugunsten der Gesellschaft, die die als FID qualifizierten Dividenden ausschüttet, zu begründen.

67Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Klage gegen das Vereinigte Königreich aus außervertraglicher Haftung wegen der Verstöße gegen Art. 63 AEUV von Gesellschaften, die Dividenden ausschütten, und nicht von den Trustees erhoben wurde.

68Wie der Generalanwalt in Nr. 91 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist hierzu festzustellen, dass die Rechte, die Art. 63 AEUV den betreffenden Anteilseignern gewährt, jedenfalls unabhängig von denen sind, die den die Dividenden ausschüttenden Gesellschaften gewährt werden.

69Daher ist auf die vierte Frage Buchst. b zu antworten, dass, selbst wenn der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Verstoß gegen das Unionsrecht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht hinreichend qualifiziert ist, um gemäß den im Urteil vom , Brasserie du Pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, EU:C:1996:79), festgelegten Grundsätzen eine außervertragliche Haftung des betreffenden Mitgliedstaats zugunsten der die als FID qualifizierten Dividenden ausschüttenden Gesellschaft zu begründen, dies an den Antworten auf die ersten drei Vorlagefragen nichts zu ändern vermag.

Zur vierten Frage Buchst. c

70Mit der vierten Frage Buchst. c möchte das vorlegende Gericht wissen, ob es sich auf die Antwort auf die ersten drei Vorlagefragen auswirkt, dass der Anteilseigner, der als FID qualifizierte Dividenden bezogen hat, in einigen Fällen möglicherweise eine erhöhte Ausschüttung von der ausschüttenden Gesellschaft als Ausgleich dafür erhalten hat, dass ihm keine Steuergutschrift gewährt wurde.

71Zwar hat der Gerichtshof in Rn. 207 des Urteils vom , Test Claimants in the FII Group Litigation (C-446/04, EU:C:2006:774), u. a. entschieden, dass sich die gebietsansässigen Gesellschaften, die sich für die FID-Regelung entschieden haben, nicht auf den Schaden berufen können, der ihnen entstanden sei, weil sie den Betrag ihrer Dividenden hätten erhöhen müssen, um den Verlust der Steuergutschrift ihrer Anteilseigner auszugleichen, da derartige Erhöhungen des Dividendenbetrags auf Entscheidungen dieser ausschüttenden Gesellschaften beruhen und sich nicht zwangsläufig aus der Weigerung des Vereinigten Königreichs ergeben, den genannten Anteilseignern eine Behandlung zuteilwerden zu lassen, die derjenigen der Anteilseigner gleichwertig ist, an die eine Ausschüttung auf der Grundlage von Dividenden aus inländischen Quellen erfolgt.

72Doch ergeben sich die Situation der Anteilseigner, die als FID qualifizierte Dividenden bezogen haben, und der Umstand, dass sie keine Steuergutschrift für diese Dividenden erhalten haben, nicht aus einer etwaigen Entscheidung dieser Anteilseigner, sondern aus den im Vereinigten Königreich im maßgeblichen Steuerjahr geltenden Rechtsvorschriften.

73Daraus folgt, dass entgegen der vom Vereinigten Königreich vertretenen Auffassung der Umstand, dass eine Gesellschaft, die als FID qualifizierte Dividenden ausschüttet, gegebenenfalls den Betrag der an die betreffenden Anteilseigner ausgeschütteten Dividenden erhöht hat, nicht zu einem „doppelten Ausgleich“ für die Trustees zu führen vermag.

74Außerdem kann eine etwaige Erhöhung des Betrags der von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft ausgeschütteten, als FID qualifizierten Dividenden, die zum Ausgleich dafür erfolgt, dass der Anteilseigner, der diese Dividenden bezieht, keine Steuergutschrift erhält, nicht zu einem doppelten Ausgleich für die diesem Anteilseigner geschuldeten Steuergutschriften führen, da diese Ausschüttung der Dividenden durch die fragliche Gesellschaft nicht mit der Gewährung einer Steuergutschrift durch die Steuerverwaltung gleichgestellt werden kann. Eine solche Gewinnausschüttung durch eine Gesellschaft an ihren Anteilseigner stellt nämlich ausschließlich eine Handlung im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und ihrem Anteilseigner dar, durch die die Rechte und Pflichten der Steuerverwaltung gegenüber diesem Anteilseigner nicht berührt werden können.

75Daher ist auf die vierte Frage Buchst. c zu antworten, dass der Umstand, dass eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft einen erhöhten Betrag von als FID qualifizierten Dividenden zum Ausgleich dafür ausgeschüttet hat, dass der Anteilseigner, der die Dividenden bezieht, keine Steuergutschrift erhält, an den Antworten auf die ersten drei Vorlagefragen nichts zu ändern vermag.

76Nach alledem ist auf die vierte Frage zu antworten, dass weder der Umstand, dass die Trustees auf die von ihnen bezogenen Dividenden keine Einkommensteuer zu entrichten haben, noch der Umstand, dass der fragliche Verstoß gegen das Unionsrecht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht hinreichend qualifiziert ist, um gemäß den im Urteil vom , Brasserie du Pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, EU:C:1996:79), festgelegten Grundsätzen eine außervertragliche Haftung des betreffenden Mitgliedstaats zugunsten der Gesellschaft, die die als FID qualifizierten Dividenden ausschüttet, zu begründen, noch der Umstand, dass eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft einen erhöhten Betrag von als FID qualifizierten Dividenden zum Ausgleich dafür ausgeschüttet hat, dass der Anteilseigner, der die Dividenden bezieht, keine Steuergutschrift erhält, etwas an den Antworten auf die anderen Vorlagefragen zu ändern vermögen.

Kosten

77Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

1. Art. 63 AEUV ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens einem Anteilseigner, der als „ausländischer Dividendenertrag“ („foreign income dividend“) qualifizierte Dividenden erhält, Rechte verleiht.

2. Das Unionsrecht verlangt, dass das nationale Recht eines Mitgliedstaats Rechtsbehelfe für Anteilseigner vorsieht, die in einer Situation wie im Ausgangsverfahren als „ausländischer Dividendenertrag“ qualifizierte Dividenden, aber keine Steuergutschrift für diese Dividenden erhalten haben, um es diesen Anteilseignern zu ermöglichen, die ihnen durch Art. 63 AEUV verliehenen Rechte geltend zu machen. In diesem Zusammenhang muss das zuständige nationale Gericht dafür sorgen, dass hinsichtlich der Dividenden nicht der Kapitalertragsteuer unterliegende Anteilseigner wie The Trustees of the BT Pension Scheme, die Dividenden erhalten haben, die aus Dividenden aus ausländischer Quelle stammen und als „ausländischer Dividendenertrag“ qualifiziert sind, über einen Rechtsbehelf verfügen, der zum einen geeignet ist, die Auszahlung der den Berechtigten rechtswidrig versagten Steuergutschrift für diese Dividenden nach Modalitäten zu gewährleisten, die nicht weniger günstig ausgestaltet sind als die eines Rechtsbehelfs auf Auszahlung einer solchen Steuergutschrift oder eines vergleichbaren steuerlichen Vorteils in einem Sachverhalt, in dem die Steuerverwaltung den Berechtigten diese Steuergutschrift oder diesen steuerlichen Vorteil bei der Ausschüttung von Dividenden versagt hat, die aus Dividenden von einer im Vereinigten Königreich ansässigen Gesellschaft stammen, und es zum anderen ermöglicht, den Schutz der diesen Anteilseignern in Art. 63 AEUV verliehenen Rechte wirksam zu gewährleisten.

3. Weder der Umstand, dass The Trustees of the BT Pension Scheme auf die von ihnen bezogenen Dividenden keine Einkommensteuer zu entrichten haben, noch der Umstand, dass der fragliche Verstoß gegen das Unionsrecht nach Auffassung des vorlegenden Gerichts nicht hinreichend qualifiziert ist, um gemäß den im Urteil vom , Brasserie du Pêcheur und Factortame (C-46/93 und C-48/93, EU:C:1996:79), festgelegten Grundsätzen eine außervertragliche Haftung des betreffenden Mitgliedstaats zugunsten der Gesellschaft, die die als „ausländischer Dividendenertrag“ qualifizierten Dividenden ausschüttet, zu begründen, noch der Umstand, dass eine im Vereinigten Königreich ansässige Gesellschaft einen erhöhten Betrag von als „ausländischer Dividendenertrag“ qualifizierten Dividenden zum Ausgleich dafür ausgeschüttet hat, dass der Anteilseigner, der die Dividenden bezieht, keine Steuergutschrift erhält, vermögen etwas an den Antworten auf die anderen Vorlagefragen zu ändern.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
FAAAH-06804