Verweigerung des Vorsteuerabzugs einer Scheideanstalt aus Goldeinkauf wegen unzureichender Aufklärungsmaßnahmen zu den exorbitant
angestiegenen Goldlieferungen durch einen später wegen Einbeziehung in einen Mehrwertsteuerbetrug verurteilten Lieferanten
Leitsatz
1. Nach der Rechtsprechung des EuGH haben die nationalen Behörden und Gerichte den Vorteil des Rechts auf Vorsteuerabzug zu
versagen, wenn aufgrund objektiver Umstände feststeht, dass dieses Recht in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend
gemacht wird. Dies ist nicht nur der Fall, wenn der Steuerpflichtige selbst eine Steuerhinterziehung begeht, sondern auch,
wenn ein Steuerpflichtiger wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seinem Erwerb an einem Umsatz teilnahm, der in eine
Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen war. Der Steuerpflichtige kann beim Vorliegen von Anhaltspunkten für Unregelmäßigkeiten
oder Steuerhinterziehung dazu verpflichtet sein, über einen anderen Wirtschaftsteilnehmer, von dem er Gegenstände oder Dienstleistungen
zu erwerben beabsichtigt, Auskünfte einzuholen, um sich von dessen Zuverlässigkeit zu überzeugen.
2. Haben sich die Anlieferungen von Altgold durch einen Lieferanten an eine Scheideanstalt gegenüber den Vorjahren plötzlich
vervielfacht, hat die Scheideanstalt wegen des Verdachtes auf eine Steuerhinterziehung den Lieferanten u. a. um Nachweise
zur Besteuerung, Vorlage einer Ausweiskopie und zur Aufklärung der exorbitanten Umsatzsteigerungen aufgefordert, hat der Lieferant
darauf u. a. geantwortet, er habe seine Ankaufsmarge deutlich herabgesetzt und verfüge mittlerweile über neun benennbare Goldhändler
als Lieferanten, und hat die Scheideanstalt kurz darauf eine Lieferung von Goldplättchen dieses Lieferanten abgelehnt, weil
dieser eine unvollständige, nicht verifizierbare Ankaufsanschrift angegeben und die weitere Aufklärung hierzu verschleiert
hatte, so hätte die Scheideanstalt spätestens ab diesem Zeitpunkt nicht mehr davon ausgehen dürfen, dass der Lieferant seinen
Sorgfaltspflichten nachkam, und hätte insbesondere versuchen müssen, die Namen und weitere Informationen über die neun angeblich
den Lieferanten beliefernden Goldhändler in Erfahrung zu bringen.
3. Ein Unternehmer, der mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns handelt, hätte sich u. a. fragen müssen, weshalb die
Goldhändler nicht unmittelbar an die Scheideanstalt lieferten, sondern den Umweg über einen Zwischenhändler wählten und damit
auf einen entsprechenden Gewinnaufschlag verzichteten.
Fundstelle(n): PStR 2019 S. 234 Nr. 10 WAAAH-03142
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FG Baden-Württemberg, Urteil v. 15.03.2018 - 1 K 492/16
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