Umsatzsteuerliche Fragen im Zusammenhang mit der Durchführung des Hessentags
1. Hessentag als Betrieb gewerblicher Art (BgA) der veranstaltenden Kommune
Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG sind juristische Personen des öffentlichen Rechts (jPdöR) nur im Rahmen ihrer BgA und ihrer land- oder forstwirtschaftlichen Betriebe gewerblich oder beruflich, mithin unternehmerisch, tätig. Für die Frage, ob ein BgA vorliegt, ist auf § 1 Abs. 1 Nr. 6 und § 4 KStG abzustellen (Abschn. 2.11. Abs. 4 UStAE).
Ein BgA ist jede Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dient und sich innerhalb der Gesamtbetätigung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts wirtschaftlich heraushebt (§ 4 Abs. 1 Satz 1 KStG).
Der Hessentag stellt für die ausrichtende Kommune regelmäßig einen BgA i.S.d. § 4 KStG dar.
Selbst wenn im Zusammenhang mit der Ausrichtung des Hessentags auch die Präsentation der gastgebenden Stadt, des betreffenden Landkreises und des Landes Hessen eine Rolle spielen und daher einzelne Tätigkeiten hoheitlichen Charakter aufweisen, so überwiegt doch der Volksfestcharakter der Veranstaltung. Entsprechend ihrer überwiegenden Zweckbestimmung ist die Veranstaltung daher insgesamt dem wirtschaftlichen Bereich zuzuordnen (R 6 Abs. 3 Satz 2 KStR).
Bei der Ausrichtung des Hessentags handelt es sich um eine Einrichtung, die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der jPdöR wirtschaftlich heraushebt, da die Einnahmen aus Veranstaltungen verschiedenster Art mehr als 130.000 € betragen (R 6 Abs. 4 KStR). Von der Gewichtigkeit des Hessentags ist auszugehen, da der Jahresumsatz 30.678 € übersteigt (R 6 Abs. 5 KStR).
Das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit wird erfüllt, da die Veranstaltung des Hessentages eine Vielzahl von Einzeltätigkeiten erfordert, die in ihrer tatsächlichen und rechtlichen Vielfalt und Verschiedenartigkeit in den wirtschaftlichen Bereich einzuordnen sind.
Auch unter Anwendung des § 2b UStG wird die ausrichtende Kommune mit dem Hessentag unternehmerisch tätig. Zur Anwendung der Vorschrift vgl. ofix: UStG/2/43.
2. Rahmen des Unternehmens
Zum Rahmen des Unternehmens des BgA Hessentag gehören insbesondere die unter Tz. 3 aufgeführten Tätigkeiten.
Im Zuge der Veranstaltung des Hessentags werden durch die ausrichtende Kommune neben der Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke im Rahmen des BgA Hessentag auch Betätigungen mit hoheitlichem Charakter, wie die eigene Repräsentation und die Förderung der Repräsentationsmöglichkeiten von Landkreisen sowie des Landes Hessen wahrgenommen (z.B. durch die unentgeltliche Überlassung von Standflächen für die sog. Landesausstellung). Diese Tätigkeiten werden nicht im Rahmen des Unternehmens des BgA Hessentag erbracht, da sie dem hoheitlichen Bereich zuzuordnen sind (sog. nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne, Abschn. 2.3. Abs. 1a UStAE).
Jährlich wiederkehrende unentgeltliche kulturelle Veranstaltungen, die für das betreffende Kalenderjahr in den Rahmen des Hessentags einbezogen werden, sind ebenfalls aufgrund ihres hoheitlichen Charakters nicht dem Rahmen des Unternehmens BgA Hessentag zuzuordnen.
3. Leistungen
Im Rahmen des BgA Hessentag dürften regelmäßig folgende Leistungen erbracht werden:
3.1 Überlassung von Standplätzen
Der die Standplatzüberlassung bei Kirmesveranstaltungen als einheitliche steuerfreie Grundstücksvermietung beurteilt, wenn die Vermietungsteilleistung insgesamt prägend ist (siehe auch Abschn. 4.12.5. Abs. 2 Satz 4 UStAE). Ein Indiz hierfür ist z.B., dass das Entgelt sich nach der Größe des jeweiligen Standplatzes richtet. Zum Anwendungszeitpunkt der Urteilsgrundsätze vgl. ofix: UStG/4/121.
Unter den Voraussetzungen des § 9 UStG besteht die Möglichkeit, auf die Steuerbefreiung der Standplatzüberlassung zu verzichten.
3.2 Veranstaltungen
Im Rahmen des Hessentages werden regelmäßig zahlreiche Veranstaltungen mit Konzerten oder anderem Unterhaltungsprogramm durchgeführt. Die Umsätze im Zusammenhang mit diesen Veranstaltungen (Verkauf von Eintrittskarten, Programmen usw.) sind steuerbar.
Hinsichtlich der einzelnen Veranstaltungen ist jedoch zu prüfen, ob die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG Anwendung findet.
Zur Behandlung der unentgeltlichen kulturellen Veranstaltungen, die jährlich wiederkehren und nun im Rahmen des Hessentags stattfinden, wird auf Tz. 2 verwiesen.
3.3 Überführung von Wirtschaftsgütern in den hoheitlichen Bereich der Kommune
Werden nach Beendigung des Hessentags Wirtschaftsgüter, die dem Unternehmensvermögen des BgA Hessentag zugeordnet sind, in den Hoheitsbereich der Kommune überführt (z.B. eigens für das Festgelände angelegte Straßen, Wege, Verkehrsinseln und Gebäude, die vorher nicht hoheitlich genutzt wurden), handelt es sich in der Regel um steuerbare und steuerpflichtige unentgeltliche Wertabgaben, wenn die Gegenstände oder deren Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b UStG).
4. Zuschüsse
Gewährt das Land Hessen für die Durchführung von Infrastrukturmaßnahmen Zuschüsse oder allgemeine Zuschüsse (nicht an bestimmte Investitionen gebundene Zuschüsse zur Verlustabdeckung) anlässlich des Hessentags, handelt es sich um nicht steuerbare echte Zuschüsse, weil die Zahlungen nicht auf Grund eines Leistungsaustauschverhältnisses erbracht, sondern unabhängig von einer bestimmten Leistung gewährt werden. Die ausrichtende Körperschaft wird durch die Zahlungen in die Lage versetzt, den Hessentag zu veranstalten.
5. Vorsteuerabzug
5.1 Abziehbarkeit der Vorsteuer
Für Umsatzsteuern, die der ausrichtenden Kommune im Zusammenhang mit der Durchführung des Hessentags in Rechnung gestellt wurden, gelten die allgemeinen Grundsätze des Vorsteuerabzugs bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts (Abschn. 15.19. UStAE).
Werden durch den BgA Hessentag auch Betätigungen mit hoheitlichem Charakter, wie die eigene Repräsentation und die Förderung der Repräsentationsmöglichkeiten durch die sog. Landesausstellung (vgl. Tz. 2) erbracht, ist für die Kosten dieses nichtwirtschaftlichen Tätigkeitsbereichs i.e.S. eine Zuordnung zum Unternehmen und damit ein Vorsteuerabzug nicht möglich (Abschn. 15.2c. Abs. 2 UStAE).
Vorsteuerbeträge, die sowohl mit Umsätzen, die zum Vorsteuerabzug berechtigen, als auch mit Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen und damit keinem der beiden Bereiche direkt zugeordnet werden können, sind analog § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen (Abschn. 15.2c. Abs. 2 Satz 4 UStAE).
Wegen der Schwierigkeiten bei der sachgerechten Zuordnung (Aufteilung) der Vorsteuern kann, wenn keine andere Methode der wirtschaftlichen Zuordnung möglich ist (wie z.B. der Flächenschlüssel bei der wirtschaftlichen und hoheitlichen Überlassung von Standflächen), in Anlehnung an die Regelung zu den Erleichterungen beim Vorsteuerabzug von Vereinen, Forschungsbetrieben und ähnlichen Einrichtungen (Abschn. 2.10. Abs. 6 UStAE) folgende Vereinfachungsregelung angewandt werden:
Die Umsatzsteuerbeträge aus Eingangsleistungen die teilweise dem unternehmerischen (BgA Hessentag) und teilweise dem nichtunternehmerischen (hoheitlichen) Bereich zuzurechnen sind, werden nach dem Verhältnis der Einnahmen aus dem unternehmerischen Bereich und den Einnahmen aus dem nichtunternehmerischen Bereich aufgeteilt.
Einnahmen aus dem unternehmerischen Bereich sind dabei insbesondere Umsätze aus den unter Tz. 3 aufgeführten Tätigkeiten.
Zu den Einnahmen aus dem nichtunternehmerischen Bereich zählen ggf. erzielte Umsätze aus hoheitlichen Tätigkeiten des Hessentags (vgl. Tz. 2) und die allgemeinen Zuschüsse zur Verlustabdeckung; jedoch ohne Infrastrukturkostenzuschüsse (vgl. Tz. 4).
Dem sich daraus ergebenden Verhältnis entsprechend sind die Umsatzsteuerbeträge aus bezogenen Eingangsleitungen als Vorsteuer nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG dem Grunde nach abziehbar.
5.2 Abzugsfähigkeit der Vorsteuer
Die nach Tz. 5.1 ermittelte und dem Grunde nach abziehbare Vorsteuer ist nur abzugsfähig, soweit nicht ein Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 und 3 UStG eintritt. Dies dürfte im Zusammenhang mit dem Hessentag besonders bei Eingangsleistungen für Veranstaltungen der Fall sein, die nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG steuerbefreit sind.
Dient eine bezogene Eingangsleistung zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug sowohl zulassen als auch ausschließen, ist die Vorsteuer im Wege einer sachgerechten Schätzung aufzuteilen. Das Verhältnis der steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen ist anwendbar, falls keine andere wirtschaftliche Zurechnung möglich ist (§ 15 Abs. 4 UStG).
Die Rundverfügung vom (Az. S 7106 A – 118 – St 11) wird aufgehoben.
OFD Frankfurt/M. v. - S 7106 A-118-St 110
Fundstelle(n):
GAAAH-00055