Betriebsrat - Rechtsanwaltskosten - Rechtsverfolgungskosten als Schadensersatz - Kostenfreistellungsanspruch
Gesetze: § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 2 BGB, § 286 Abs 1 BGB, § 2 Abs 2 GKG 2004, § 12a Abs 1 S 1 ArbGG, § 40 Abs 1 BetrVG
Instanzenzug: ArbG Wesel Az: 6 BV 39/15 Beschlussvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 12 TaBV 110/16 Beschluss
Gründe
1A. Die Beteiligten streiten in der Rechtsbeschwerde noch darüber, ob ein Arbeitgeber dem Rechtsanwalt des Betriebsrats anwaltliche Gebühren und Kosten, die zur Durchsetzung eines an den Rechtsanwalt abgetretenen Anspruchs des Betriebsrats auf Freistellung von Kosten einer erforderlichen Rechtsverfolgung entstanden sind, als Verzugsschaden zu erstatten hat.
2Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltskanzlei in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, vertrat den im Betrieb der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin gebildeten Betriebsrat vorgerichtlich sowie in einem anschließenden Beschlussverfahren, das auf Vorschlag des Arbeitsgerichts durch Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO endete. Das Arbeitsgericht setzte den Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit auf 7.678,40 Euro fest.
3Mit Beschluss vom trat der Betriebsrat seinen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Freistellung von den durch die Vertretung in dieser Sache entstandenen Rechtsanwaltskosten an die Antragstellerin ab. Die Antragstellerin stellte der Arbeitgeberin für die Vertretung des Betriebsrats unter dem 2.299,55 Euro in Rechnung. Nachdem keine Zahlung erfolgte, setzte die Antragstellerin der Arbeitgeberin mit Schreiben vom eine Zahlungsfrist bis zum . Außerdem verlangte sie bis zu diesem Zeitpunkt die Erstattung weiterer Rechtsverfolgungskosten für die Durchsetzung dieser Forderung, die sie zunächst mit 761,10 Euro bezifferte und später nur noch iHv. 523,60 Euro weiterverfolgte. Die Arbeitgeberin lehnte die Zahlung der geltend gemachten weiteren Rechtsverfolgungskosten ab.
4Die Antragstellerin hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin sei verpflichtet, ihr die weiteren Rechtsverfolgungskosten als Verzugsschaden zu ersetzen.
5Die Antragstellerin hat - soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung - sinngemäß beantragt,
6Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
7Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihm stattgegeben. Die Arbeitgeberin begehrt mit der Rechtsbeschwerde die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
8B. Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, soweit das Landesarbeitsgericht die Arbeitgeberin verpflichtet hat, an die Antragstellerin weitere 523,60 Euro zu zahlen. Im Umfang der Aufhebung ist die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu Unrecht entsprochen. Der Antrag ist unbegründet. Die Antragstellerin hat gegenüber der Arbeitgeberin keinen Anspruch auf Erstattung weiterer Rechtsverfolgungskosten, die ihr zur Durchsetzung des an sie abgetretenen Anspruchs des Betriebsrats auf Freistellung von den Kosten der Vertretung des Betriebsrats entstanden sind. Bei den weiteren Rechtsverfolgungskosten handelt es sich entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht um einen nach § 280 Abs. 1 und Abs. 2, § 286 Abs. 1 BGB von der Arbeitgeberin zu ersetzenden Verzugsschaden.
9I. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Beteiligter eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Erstattung seiner Rechtsdurchsetzungskosten vom Arbeitgeber grundsätzlich nur verlangen, wenn dies in den einschlägigen betriebsverfassungsrechtlichen oder personalvertretungsrechtlichen Bestimmungen vorgesehen ist. Davon nicht erfasste Kosten sind regelmäßig kein nach § 280 Abs. 1 BGB erstattungsfähiger Schaden ( - Rn. 12, BAGE 124, 175). Das folgt aus dem gesetzlichen Gesamtzusammenhang und dem Fehlen prozessualer Vorschriften über die Kostentragung im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ( - Rn. 14, aaO).
101. § 2 Abs. 2 GKG bestimmt ausdrücklich, dass Beschlussverfahren gerichtskostenfrei sind. Von einer Regelung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten hat der Gesetzgeber abgesehen. Dies beruht erkennbar nicht auf einem Versehen. Vielmehr liegt dem die gesetzgeberische Entscheidung zugrunde, dass jeder Beteiligte eines Beschlussverfahrens seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat. Das Fehlen prozessualer Regelungen über eine Kostenerstattung ist Folge der Besonderheiten des arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens, das abweichend vom Urteilsverfahren nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist. Anders als bei den zwischen Parteien ergehenden Urteilen in vermögensrechtlichen Streitigkeiten geht es in Beschlussverfahren typischerweise nicht um eine Entscheidung für oder gegen eine von zwei sich wechselseitig ausschließenden Vermögenspositionen, sondern um die ggf. im gemeinsamen Interesse liegende Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten, die häufig nicht nur die unmittelbar am Verfahren Beteiligten, sondern auch Dritte, insbesondere die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer betrifft (vgl. ausführlich - Rn. 16, BAGE 124, 175).
112. Eine § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entsprechende Vorschrift, nach der die obsiegende Partei in Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs keinen Anspruch auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistands hat, ist zwar für das Beschlussverfahren nicht vorgesehen. Daraus kann jedoch nicht der Schluss gezogen werden, der Gesetzgeber gehe im Beschlussverfahren von einer entsprechenden Kostenerstattungspflicht aus. Vielmehr ist das Fehlen einer § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entsprechenden Vorschrift Ausdruck des Umstands, dass in dieser Verfahrensart grundsätzlich eine Kostenerstattung überhaupt nicht vorgesehen ist (vgl. ausführlich - Rn. 17, BAGE 124, 175).
123. Der Grundentscheidung des Gesetzgebers, wonach in einem Beschlussverfahren grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, steht nicht entgegen, dass das Betriebsverfassungsgesetz unter bestimmten Voraussetzungen einen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung von Rechtsdurchsetzungskosten vorsieht. Nach § 40 Abs. 1 BetrVG können zu den vom Arbeitgeber zu tragenden Kosten der Betriebsratstätigkeit auch Rechtsanwaltskosten gehören, die durch die gerichtliche Verfolgung oder Verteidigung von Rechten des Betriebsrats entstehen (vgl. etwa - Rn. 11; - 7 ABR 4/13 - Rn. 10; - 7 ABR 60/12 - Rn. 22; - 7 ABR 95/07 - Rn. 16 ff.; - 1 ABR 59/06 - Rn. 21, BAGE 124, 175; - 7 ABR 15/02 - zu II 1 der Gründe mwN, BAGE 105, 311). § 40 Abs. 1 BetrVG knüpft jedoch - anders als §§ 91 ff. ZPO - nicht an ein Obsiegen oder Unterliegen an und - anders als § 280 BGB - nicht an ein Verschulden, sondern an die Erforderlichkeit der Kosten. Aus der in § 40 Abs. 1 BetrVG normierten materiell-rechtlichen Kostentragungspflicht kann daher nicht der Schluss gezogen werden, die für das Beschlussverfahren grundsätzlich nicht vorgesehene prozessuale Kostenerstattung könne als Schadensersatz über § 280 ZPO stattfinden (vgl. - Rn. 21, aaO). Dadurch würde die gesetzliche Konzeption, wonach in einem Beschlussverfahren grundsätzlich jeder Verfahrensbeteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen hat, unterlaufen (vgl. - Rn. 21, aaO). Für Fallgestaltungen der vorliegenden Art entstünde zudem ein Wertungswiderspruch zu der materiell-rechtlichen Kostentragungspflicht nach § 40 Abs. 1 BetrVG. Ohne Abtretung des Kostenfreistellungsanspruchs durch den Betriebsrat an seinen Verfahrensbevollmächtigten könnte der Betriebsrat, der einen Rechtsanwalt mit der Durchsetzung seines Freistellungsanspruchs beauftragt, vom Arbeitgeber die Freistellung von den dadurch entstehenden weiteren Rechtsanwaltskosten nicht ohne Weiteres verlangen, sondern nur dann, wenn er die Beauftragung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten darf. Diese Voraussetzung für die materiell-rechtliche Kostentragungspflicht des Arbeitgebers nach § 40 Abs. 1 BetrVG entfiele, wenn der Rechtsanwalt nach der Abtretung des Freistellungsanspruchs durch den Betriebsrat seine Rechtsverfolgungskosten nach § 280 Abs. 1 BGB als Verzugsschaden beanspruchen könnte. Das wäre mit den gesetzlichen Wertungen nicht vereinbar.
134. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht dem die Entscheidung des Senats vom (- 7 ABR 10/93 - zu B II 2 der Gründe, BAGE 77, 273) nicht entgegen. Zwar hat der Senat dort die Auffassung vertreten, ein unternehmensfremder Einigungsstellenbeisitzer könne seine Honorardurchsetzungskosten in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren als Verzugsschaden verlangen. Dieser Beschluss enthält jedoch nicht die generelle Aussage, außergerichtliche Kosten eines Beschlussverfahrens könnten in allen Fällen aufgrund der materiell-rechtlichen Regelungen des BGB als Schadensersatz in einem gesonderten Beschlussverfahren geltend gemacht werden. Aus der Entscheidung folgt nur, dass der Arbeitgeber mit der Erfüllung der Honoraransprüche eines Einigungsstellenbeisitzers nach § 76a BetrVG gemäß § 286 BGB in Verzug geraten und der Einigungsstellenbeisitzer in einem solchen Fall die ihm durch die gerichtliche Geltendmachung seines Honorars entstehenden Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden verlangen kann ( - Rn. 23, BAGE 124, 175). Die Entscheidung betrifft einen anderen Sachverhalt.
14II. Danach hat das Landesarbeitsgericht der Antragstellerin zu Unrecht die ihr entstandenen weiteren Rechtsdurchsetzungskosten iHv. 523,60 Euro zuerkannt. Hierbei handelt es sich nicht um einen erstattungsfähigen Verzugsschaden.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:010818.B.7ABR41.17.0
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 2867 Nr. 48
DB 2018 S. 2999 Nr. 49
NJW 2018 S. 3803 Nr. 52
XAAAG-99596