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Online-Nachricht - Mittwoch, 31.10.2018

Verfahrensrecht | Ablaufhemmung nach Erstattung einer Selbstanzeige (BFH)

Die Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 9 AO schließt den Eintritt der Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO nicht generell aus, wenn die Ermittlungen der Steuerfahndung vor dem Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist beginnen und die Steuerfestsetzung auf den Ermittlungen der Steuerfahndung beruht. Ein solches "Beruhen" der Steuerfestsetzungen auf rechtzeitig begonnenen Ermittlungen setzt voraus, dass die Steuerfahndung vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist Ermittlungshandlungen vornimmt, die konkret der Überprüfung der nacherklärten Besteuerungsgrundlagen dienen (; veröffentlicht am ).

Sachverhalt und Prozessverlauf: Im Streitfall verdächtigte die Steuerfahndung die Kläger nach Auswertung einer angekauften Steuer-CD der Steuerhinterziehung von Kapitalerträgen aus den bei einer liechtensteinischen Stiftung unterhaltenen Kapitalanlagen für den Zeitraum von 1996 bis 2006, hatte aber zunächst keine konkreten Ermittlungen zu den einzelnen Besteuerungsgrundlagen aufgenommen. Die Kläger gaben im Januar 2008 für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2006 eine Selbstanzeige ab, in der sie Kapitaleinkünfte nur für diesen Zeitraum nacherklärten. Daraufhin erging ein Prüfungsauftrag der Steuerfahndung (Steufa), die Besteuerungsgrundlagen für den Zeitraum 1996 bis 2006 zu ermitteln. Am gaben die Kläger eine Selbstanzeige hinsichtlich der für die Streitjahre 1996 und 1997 für nicht erklärte Kapitaleinkünfte ab. Nach Abschluss der Fahndungsprüfung änderte das FA jeweils mit Bescheid vom die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO. Hiergegen wandten sich die Kläger.

Das FG wies die Klage diesbezüglich ab. Die Änderungsbescheide vom seien vor Eintritt der Festsetzungsverjährung ergangen. Die Steufa habe vor Eintritt der regulären Festsetzungsverjährung am mit Ermittlungen der Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre begonnen. Die dadurch gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO eingetretene Ablaufhemmung werde nicht aufgrund der Nacherklärung durch die einjährige Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 9 AO verdrängt.

Der BFH führte dazu weiter aus:

  • Die Festsetzungsfrist begann für beide Streitjahre aufgrund der jeweils im Jahr 1998 eingereichten Steuererklärungen gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO mit Ablauf des Jahres 1998. Aufgrund der vorsätzlichen Nichtangabe der Kapitalerträge in den Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre gilt gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO für jedes Streitjahr eine zehnjährige Festsetzungsfrist. Die reguläre Festsetzungsfrist beider Streitjahre endete damit mit Ablauf des . Es ist zwischen den Beteiligten zudem nicht streitig, dass für die Kapitalerträge der Streitjahre aufgrund der Nacherklärung vom eine einjährige Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 9 AO ausgelöst wurde, die mit Ablauf des und damit vor Erlass der angefochtenen Änderungsbescheide der Streitjahre vom endete.

  • Eine Nacherklärung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 171 Abs. 9 AO schließt aber eine auf Ermittlungshandlungen der Steuerfahndung beruhende Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO hinsichtlich derselben Besteuerungsgrundlagen nicht aus.

  • Nach Abgabe einer Nacherklärung muss das Finanzamt nicht abwarten, ob der Steuerpflichtige zu den hinterzogenen Einkünften bis zum Ablauf der einjährigen Hemmungsfrist des § 171 Abs. 9 AO ausreichende Angaben macht. Vielmehr hat das Finanzamt die Möglichkeit, vor Ablauf der ungehemmten Festsetzungsfrist eigene Ermittlungen durch die Steuerfahndung anzustellen, um die Hemmung nach § 171 Abs. 5 Satz 1 AO herbeizuführen.

  • Für die weitergehende Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 Satz 1 AO kann im Anschluss an eine solche Nacherklärung individualisierter Besteuerungsgrundlagen verlangt werden, dass die Steuerfahndung rechtzeitig konkrete und zielgerichtete Ermittlungshandlungen entfaltet, da der Steuerpflichtige ihr mit der Nacherklärung konkrete Anknüpfungspunkte für die Ermittlungen gibt.

Hinweis:

Der BFH hat die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG hat nicht festgestellt, ob die Steuerfahndung zu den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen der Streitjahre 1996 und 1997 noch vor Ablauf des Jahres 2008 mit konkreten Ermittlungen begonnen hat. Ermittlungsmaßnahmen im Zusammenhang mit den nacherklärten Besteuerungsgrundlagen anderer Veranlagungszeiträume können die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 5 AO für die Streitjahre nicht auslösen. Das FG hat im zweiten Rechtsgang aufzuklären, ob und welche konkreten Ermittlungshandlungen von der Steuerfahndung noch vor Ablauf des Jahres 2008 zu den für die Streitjahre nacherklärten Kapitalerträgen ausgeführt wurden.

Quelle: und Pressemitteilung Nr. 55/2018 v. (Ls)

Fundstelle(n):
BAAAG-98280