BFH Urteil v. - II R 48/01 BStBl 2003 II S. 908

Zurechnung luf genutzter Flächen zum Grundvermögen

Leitsatz

Landwirtschaftlich genutzte Flächen, die dem Betriebsinhaber gehören, aber von ihm nicht selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet werden, fallen nicht unter die Sonderregelung in § 69 Abs. 2 BewG. Die bloße Verpachtung eines Grundstücks stellt keine ”ordnungsgemäße und nachhaltige” Bewirtschaftung im Sinne dieser Vorschrift dar.

Gesetze: BewG § 69 Abs. 1 und 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf), ,

Gründe

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Miteigentümerin zu 7/10, der Beigeladene Miteigentümer zu 3/10 eines ursprünglich 46 822 qm großen Grundstücks. Das Grundstück lag am streitigen Stichtag inmitten eines seit längerem bebauten Wohn- und Mischgebietes am Stadtrand von A (Stadt) und war seit dem an eine Landwirtin verpachtet, die es im Rahmen ihres landwirtschaftlichen Betriebes nutzte. Das Grundstück diente früher dem Baumschulbetrieb der Klägerin und des Beigeladenen. Die Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung erfolgte wegen der Bodenermüdung nach Aberntung der Baumschulgewächse zur Wahrung der landwirtschaftlichen Fruchtfolge.

Das Grundstück ist im Flächennutzungsplan der Stadt seit dem als Wohnbaufläche ausgewiesen. Die Stadt bemühte sich seit 1990 darum, das Grundstück käuflich zu erwerben. Der Gutachterausschuss beim Landratsamt B stufte das Land bereits 1990 als ”Rohbauland” ein. Am beschloss der Rat der Stadt die Aufstellung eines Bebauungsplans für das Grundstück, der am rechtsverbindlich wurde. Am erließ die Stadt für das Grundstück eine Veränderungssperre. Mit einer am verabschiedeten und am genehmigten Satzung bestimmte die Stadt für das Grundstück die Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme zur Behebung eines erheblichen Wohnungsmangels.

Am tauschten die Klägerin und der Beigeladene eine Teilfläche von 6 200 qm gegen Grundstücke eines Dritten, der außerdem eine Zuzahlung in Höhe von 1 054 000 DM zu leisten hatte. Der Vertrag wurde vom Landratsamt nicht genehmigt, weil die Gemeinde wegen der Veränderungssperre ihr Einvernehmen versagte. Im Widerspruchsverfahren bat der anwaltliche Vertreter der Klägerin und des Beigeladenen mit Schreiben vom , dieses im Hinblick auf eine in Aussicht gestellte gütliche Einigung nicht weiter zu betreiben. Am erwarb die Stadt die restliche Teilfläche von 40 622 qm zum Bodenwert von 110 DM/qm zuzüglich einer Entschädigung für Betriebs- und Wirtschaftserschwernisse von 12,87 DM/qm (zusammen 4 991 225 DM).

Durch (geänderten) Nachfeststellungsbescheid vom stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) den Einheitswert für das Grundstück (ohne Berücksichtigung der getauschten Teilfläche von 6 200 qm) auf den auf 487 400 DM sowie die Art ”unbebautes Grundstück” fest und rechnete dieses der Klägerin zu 7/10 und dem Beigeladenen zu 3/10 zu.

Einspruch und Klage der Klägerin, mit der sie geltend machte, die verbliebene Grundstücksfläche von 40 622 qm sei weiterhin im landwirtschaftlichen Vermögen zu erfassen, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) verneinte die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) u.a. deswegen, weil seit der Streichung des Satzes 2 dieser Vorschrift durch Art. 2 Nr. 12 des Vermögensteuerreformgesetzes (VStRG) vom (BGBl I 1974, 949) ab Pachtflächen nicht mehr unter den Schutzbereich des § 69 Abs. 2 BewG fielen. Eine Bewirtschaftung durch die Klägerin habe nicht stattgefunden, und zwar auch nicht, soweit das Grundstück zur Bodenregeneration im Rahmen der Fruchtfolge verpachtet worden sei.

Demgegenüber sei —so das FG— das Grundstück nach § 69 Abs. 1 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen, weil am Stichtag eine andere Nutzung des Grundstücks mit einiger Wahrscheinlichkeit in absehbarer Zeit, d.h. in einem Zeitrahmen von sechs Jahren, zu erwarten gewesen sei. Hierfür sprächen die Lage des Grundstücks inmitten eines seit längerem bebauten Wohn- und Mischgebiets am Stadtrand, die Ausweisung des Grundstücks als Wohnbaufläche im Flächennutzungsplan seit 1987, die Aufstellung eines Bebauungsplans im Jahre 1991, die Verfügung einer Veränderungssperre im Jahre 1992, die Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme und die sich bereits 1992 abzeichnende Einigung mit der Stadt über den Ankauf des Grundstücks.

Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung von § 69 Abs. 1 und Abs. 2 BewG. Die Verpachtung stehe der Anwendung des § 69 Abs. 2 BewG nicht entgegen, weil diese durch die Fruchtfolge veranlasst und deswegen der Bewirtschaftung durch den Verpächter zuzurechnen sei. Bei der im Rahmen des § 69 Abs. 1 BewG vorzunehmenden Wahrscheinlichkeitsbetrachtung sei entscheidend darauf abzustellen, dass sie —die Klägerin— sich bis zum Stichtag nachhaltig geweigert habe, das Grundstück ohne behördliche (Zwangs-)Maßnahmen zu veräußern. Dieser Umstand müsse am Bewertungsstichtag mit der längstmöglichen Dauer eines Zwangsverfahrens bei vollständiger Ausschöpfung des Rechtswegs berücksichtigt werden.

Die Klägerin beantragt, das aufzuheben und das Grundstück dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zuzuordnen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat zutreffend erkannt, dass im Streitfall die Voraussetzungen des § 69 Abs. 2 BewG nicht gegeben sind und das streitige Grundstück zum Stichtag nach § 69 Abs. 1 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen ist.

a) Nach § 69 Abs. 2 BewG sind in den Fällen, in denen ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft die Existenzgrundlage des Betriebsinhabers bildet, diesem gehörende Flächen, die von einer Stelle aus ordnungsgemäß nachhaltig bewirtschaftet werden, nur dann dem Grundvermögen (und nicht dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen) zuzurechnen, wenn mit großer Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie spätestens nach zwei Jahren anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden. Die Vorschrift schränkt den in Abs. 1 des § 69 BewG aufgestellten Grundsatz ein, wonach land- und forstwirtschaftlich genutzte Flächen bereits dann dem Grundvermögen zuzurechnen sind, wenn nach den gesamten Umständen angenommen werden kann, dass sie in absehbarer Zeit (die Rechtsprechung geht dabei von einem Zeitraum von sechs Jahren aus; vgl. , BFH/NV 1997, 833, m.w.N.) anderen Zwecken dienen werden. Die Regelung in Abs. 2 stellt im Vergleich zu der in Abs. 1 hinsichtlich der Zukunftsprognose sowohl in zeitlicher als auch in qualitativer Hinsicht deutlich höhere Anforderungen. Danach muss die Nutzungsänderung konkret (große Wahrscheinlichkeit) und unmittelbar (Zwei-Jahres-Zeitraum) bevorstehen. Mit dieser Regelung soll verhindert werden, dass die Rentabilität eines Hofes durch eine vorzeitige Erfassung von am Stichtag ordnungsgemäß und nachhaltig von einer Hofstelle bewirtschafteten Flächen als Grundvermögen und durch die damit verbundene höhere steuerliche Belastung beeinträchtigt wird (Gesetzesbegründung BTDrucks IV/1488, S. 51).

Flächen, die dem Betriebsinhaber gehören, aber von ihm nicht selbst bewirtschaftet, sondern verpachtet werden, fallen nach der zum streitigen Stichtag maßgeblichen Gesetzeslage nicht unter § 69 Abs. 2 BewG. Die bloße Verpachtung eines Grundstücks stellt keine ”ordnungsgemäße und nachhaltige” Bewirtschaftung im Sinne dieser Vorschrift dar. Denn das Bewirtschaften muss ”von einer Stelle”, d.h. von der Hofstelle des Betriebsinhabers, dem das Grundstück gehört, erfolgen. Dies ist bei verpachteten Flächen nicht der Fall. Vielmehr sind solche Flächen aus ”der Bewirtschaftung von der Hofstelle” des Betriebsinhabers, dem die Flächen gehören, ausgenommen. Die (höhere) steuerliche Belastung von aus der Bewirtschaftung ausgenommenen Flächen kann die Rentabilität eines Hofes nicht mehr beeinträchtigen, sondern allenfalls die Pachteinnahmen schmälern.

Das FG hat auch zutreffend entschieden, dass ein ”Bewirtschaften” i.S. des § 69 Abs. 2 BewG auch dann nicht vorliegt, wenn die Verpachtung insofern im Zusammenhang mit dem Betrieb des Betriebsinhabers steht, als die Nutzung durch den Pächter der nach der Fruchtfolge erforderlichen Bodenregeneration dient. Denn für § 69 Abs. 2 BewG reicht ein bloß wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb desjenigen, dem das Grundstück gehört, nicht aus, vielmehr ist eine ”ordnungsgemäße und nachhaltige” Bewirtschaftung, d.h. eine Bestellung der Fläche durch den Betriebsinhaber erforderlich.

b) Das FG hat auch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise erkannt, dass die streitigen Flächen bereits am Bewertungsstichtag () nach § 69 Abs. 1 BewG dem Grundvermögen zuzurechnen waren, weil nach ihrer Lage, den im Feststellungszeitpunkt bestehenden Verwertungsmöglichkeiten und den sonstigen Umständen anzunehmen war, dass die Grundstücke in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken, insbesondere als Bauland dienen werden. Der BFH ist als Revisionsgericht an die vom FG insoweit getroffenen Feststellungen (Lage des Grundstücks inmitten eines seit längerem bebauten Wohn- und Mischgebiets, Ausweisung als Wohnbaufläche im Flächennutzungsplan seit 1987, Beschluss über Aufstellung eines Bebauungsplans 1991, Abschluss eines Grundstücksverkaufsvertrags 1992, Veränderungssperre und förmliche Festlegung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs 1992, u.a.) und die vom FG daraus gezogenen Schlussfolgerungen tatsächlicher Art (Prognose), dass nämlich das Grundstück der Klägerin in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werde, nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden. Prognoseentscheidungen des FG werden revisionsrechtlich den tatsächlichen Feststellungen i.S. des § 118 Abs. 2 FGO zugeordnet und sind deshalb vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom VIII R 77/97, BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660, 662; vom X B 118/99, BFH/NV 2000, 1333, 1334, und vom VIII R 52/01, BFH/NV 2002, 1148).

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen hat die Klägerin zulässige und begründete Revisionsrügen nicht erhoben (§ 118 Abs. 2 FGO); auch sind die hieraus vom FG gezogenen Schlussfolgerungen nicht mit den Denkgesetzen oder mit allgemeinen Erfahrungssätzen unvereinbar. Soweit die Klägerin eine abweichende Schlussfolgerung zieht und zu dem Ergebnis kommt, mit einer Nutzungsänderung sei auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen, kann dies nicht zum Erfolg der Revision führen. Denn dass auch eine andere als die vom FG gezogene Schlussfolgerung möglich gewesen wäre, reicht revisionsrechtlich nicht aus; vielmehr besteht eine Bindung des Revisionsgerichts an die vom FG gezogene Schlussfolgerung bereits dann, wenn diese nach den Denkgesetzen und allgemeinen Erfahrungssätzen nur möglich ist (BFH-Entscheidungen vom IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726; in BFHE 192, 445, BStBl II 2000, 660, unter A. I. 3. a, und vom IX R 33/99, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 2. a (3), m.w.N.).

Fundstelle(n):
BStBl 2003 II Seite 908
BB 2003 S. 2614 Nr. 49
BFH/NV 2004 S. 112
BFH/NV 2004 S. 112 Nr. 1
DB 2004 S. 50 Nr. 1
DStR 2003 S. 2064 Nr. 48
INF 2004 S. 3 Nr. 1
KÖSDI 2003 S. 13979 Nr. 12
UAAAA-71789