Normenkontrollverfahren betreffend Vergnügungssteuer
Leitsatz
1. Eine Vergnügungssteuer, die als Spielgerätesteuer anhand des Einspielergebnisses erhoben wird, entspricht dem Typus der örtlichen Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a GG (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).
2. Eine nicht diskriminierende Vergnügungssteuer auf Spielgeräte ist nur dann als Hindernis für den durch Art. 56 AEUV gewährleisteten freien Dienstleistungsverkehr anzusehen, wenn sie wegen ihrer Höhe einem Betriebsverbot gleichkommt (im Anschluss an - Rn. 41 und - juris Rn. 82).
3. Der Streitwert (§ 52 Abs. 1 GKG <juris: GKG 2004>) für ein Normenkontrollverfahren gegen eine Vergnügungssteuersatzung entspricht regelmäßig dem Jahresbetrag der strittigen Steuer.
Gesetze: Art 105 Abs 2a GG, Art 12 GG, § 52 Abs 1 GKG 2004, Art 56 AEUV
Instanzenzug: OVG Lüneburg Az: 9 KN 226/16 Urteil
Gründe
I
1Der Antragsteller ist Automatenaufsteller und hat im Satzungsgebiet der Antragsgegnerin bis August 2017 drei und seit September 2017 vier Geldspielgeräte in einem Kiosk aufgestellt. Er wendet sich mit seinem Normenkontrollantrag gegen die Neufassung der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin vom , die am in Kraft trat. Statt des früheren Stückzahlmaßstabs wird darin nun bei Geldspielgeräten das Einspielergebnis des einzelnen Gerätes (elektronisch gezählte Bruttokasse) mit einem Steuersatz von 20 v.H. belegt.
2Der Antragsteller hält die Erhebung der Vergnügungssteuer u.a. wegen fehlender Abwälzbarkeit, erdrosselnder Wirkung sowie Unionsrechtswidrigkeit für unzulässig. Das Oberverwaltungsgericht hat den Normenkontrollantrag abgelehnt.
II
3Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
41. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.
5Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde (vgl. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.
6a) Die Frage,
ob die Gesetzgebungskompetenz des Landesgesetzgebers für die Vergnügungssteuer noch gegeben sein kann, nachdem der herkömmlich verwendete Stückzahlmaßstab für verfassungswidrig erklärt wurde und die Erhebung der Vergnügungssteuer anhand des Einspielergebnisses der Automaten des Betreibers nicht dem Typus einer Aufwandsteuer entspricht,
rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die Erhebung der Vergnügungssteuer anhand des Einspielergebnisses durchaus dem Typus einer Aufwandsteuer entspricht (stRspr, vgl. nur - BVerfGE 123, 1 <16 ff.> sowie insbesondere S. 26 zur Zulässigkeit des Einspielergebnisses als Bemessungsmaßstab; 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 11 und Beschluss vom - 9 BN 2.17 - juris Rn. 3 ff.).
7Die Beschwerde bringt keine neuen Gesichtspunkte vor, die diese Rechtsprechung in Frage stellen könnten. Sie kann sich für ihre gegenteilige Auffassung insbesondere nicht auf den zur Kernbrennstoffsteuer - 2 BvL 6/13 - (BVerwGE 145, 171) stützen. Denn darin wird weder "erstmalig klargestellt, dass die Finanzverfassung einen Steuertypus vorgibt, der ein allgemeines Steuererfindungsrecht ausschließt" (vgl. hierzu bereits - BVerfGE 123, 1 <18> zum Typus der Vergnügungssteuer als Aufwandsteuer), noch stehen die dortigen Aussagen zum Steuererfindungsrecht der Einordnung der Vergnügungssteuer als Aufwandsteuer entgegen, denn ausgeschlossen wird nur ein allgemeines Steuererfindungsrecht. In Abgrenzung hierzu hat das Bundesverfassungsgericht aber ausdrücklich erklärt, dass es dem Gesetzgeber innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen Typusbegriffe offensteht, neue Steuern zu "erfinden" und bestehende Steuergesetze zu verändern ( - BVerfGE 145, 171 Rn. 68). Auch hinsichtlich des Merkmals der Abwälzbarkeit ergeben sich aus dem Beschluss keine neuen Grundsätze. Es genügt vielmehr weiterhin die Möglichkeit einer kalkulatorischen Überwälzung in dem Sinne, dass der Steuerschuldner den von ihm gezahlten Betrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einsetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung, Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - treffen kann. Es reicht aus, wenn die Steuer auf eine Überwälzung der Steuerlast vom Steuerschuldner auf den Steuerträger angelegt ist, auch wenn die Überwälzung nicht in jedem Einzelfall gelingt (stRspr, vgl. nur - BVerfGE 145, 171 Rn. 125 sowie 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 44).
8Hinsichtlich der Frage, ob die Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin konzeptionell auf eine Abwälzung angelegt ist und hinsichtlich der weiteren Frage, ob eine tatsächliche Abwälzbarkeit vorliegt, setzt die Beschwerde lediglich ihre eigene Bewertung an die Stelle derjenigen des Gerichts, zeigt aber keinen weitergehenden grundsätzlichen Klärungsbedarf auf. Soweit sie darauf hinweist, es werde in Wahrheit nicht der Konsum bzw. Aufwand des Spielers, sondern der Rohgewinn bzw. "das Produktionsmittel" des Unternehmers besteuert, lässt sie außer Acht, dass es sich bei der Vergnügungssteuer nach einhelliger Auffassung um eine herkömmliche örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a GG handelt, die indirekt beim Unternehmer erhoben wird. Hiervon ausgehend ist auch die Begriffsverwendung "Vergnügungssteuer" in § 1 der Vergnügungssteuersatzung der Antragsgegnerin (Steuergegenstand) eindeutig und bedarf keiner weiteren Klarstellung. Die grundsätzliche Bedeutung der Frage ergibt sich auch nicht daraus, dass sich die rechtlichen Rahmenbedingungen im Glücksspielrecht in den letzten Jahren erheblich geändert haben. Denn mit diesem Umstand hat sich die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bereits auseinandergesetzt; er ändert nichts am Vorliegen einer Aufwandsteuer (vgl. 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 18 und vom - 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 41).
9b) Die Fragen,
ob ein Verstoß gegen die Ordnungs-, Schutz und Begrenzungsfunktion der Verfassung vorliegt, wenn die Belastung mit Vergnügungssteuer die Ertragsteuerbelastung um ein Mehrfaches übertrifft,
und ob ein Eingriff in die Gesetzgebungskompetenz des Bundes vorliegt, wenn die Vergnügungssteuerbelastung außer Verhältnis zur Ertragsteuerbelastung ist, da es dem Ziel der Spielverordnung entspricht, ein legales Angebot an Glücksspiel sicherzustellen, andererseits die Vergnügungssteuer zweifellos den Aufsteller belastet und bei der Berechnung die Betriebsausgaben nicht berücksichtigt werden,
rechtfertigen ebenfalls nicht die Zulassung der Revision. Denn sie wiederholen lediglich in anderer Einkleidung nochmals die These der Beschwerde, aus dem zur Kernbrennstoffsteuer (s.o. unter a)) ergebe sich, dass die Vergnügungssteuer eine unzulässige und zudem unverhältnismäßige Unternehmenssteuer darstelle. Dies ist nicht der Fall, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen unter a) ergibt. Etwas anderes kann entgegen der Ansicht der Beschwerde auch nicht aus der amtlichen Begründung der Fünften Verordnung zur Änderung der Spielverordnung abgeleitet werden, denn hieraus ergibt sich nichts für die Frage, ob und in welcher Höhe eine örtliche Vergnügungssteuer erhoben werden darf. Die damalige Änderung der Spielverordnung sollte die eindeutige Prüfbarkeit der voll elektronifizierten Geräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt wiederherstellen und zudem die missbräuchliche Entwicklung im Bereich der sogenannten Fun Games stoppen (BR-Drs. 655/05 S. 1 und 10). Insoweit unterscheidet sich die Sachlage von der im Jahre 2012 eingeführten Sportwettensteuer, mit der der Bundesgesetzgeber erklärtermaßen einen niedrigen Steuersatz von 5 v.H. auf den Wetteinsatz vorgesehen hat, um den Wettveranstaltern im europäischen Vergleich eine adäquate Steuerbelastung zu sichern ( 9 C 7.16 - BVerwGE 159, 216 Rn. 30).
10c) Die Fragen,
ob es eine Untergrenze für den Zeitraum gibt, nach dem sich die Bestandsentwicklung seit der Änderung der letzten Erhöhung der Vergnügungssteuer zu richten hat,
und ob der Zeitraum zwischen der Ankündigung der Einführung eines neuen Steuermaßstabs und dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens eine solche Zeitspanne berücksichtigen muss, dass für den Betreiber grundsätzlich die Möglichkeit besteht, Maßnahmen zur Gewährung der kalkulatorischen Abwälzbarkeit zu treffen,
lassen sich nicht allgemein beantworten. Wie breit die Datenbasis sein muss, um repräsentative Aussagen treffen zu können, hängt von den konkreten Gegebenheiten im jeweiligen Satzungsgebiet ab ( 9 C 12.08 - BVerwGE 135, 367 Rn. 45 f.). Fehlt es an Vergleichszahlen, weil es in der betroffenen Gemeinde keine hinreichende Zahl von Spielhallen gibt, kann als Indiz auf die Marktlage in Nachbargemeinden oder in der Region abgestellt werden ( 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 20).
11Gleiches gilt für die Frage einer Übergangsregelung. Dass der Satzungsgeber unter Umständen eine solche vorsehen muss und welche Erwägungen er hierbei anzustellen hat, ist in der Rechtsprechung bereits geklärt ( 9 C 22.14 - BVerwGE 153, 116 Rn. 26 f. m.w.N.). Einen darüber hinausgehenden abstrakten Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde nicht auf.
12d) Auch die Frage,
ob die streitgegenständliche Anhebung des Vergnügungssteuersatzes auf 20 v.H. des Einspielergebnisses, die die Vergnügungssteuer um mehr als das Sechsfache erhöht, eine Beschränkung der mit Art. 56 AEUV gewährleisteten Dienstleistungsfreiheit darstellt, soweit sie geeignet ist, die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit in Gestalt des Betriebs von Geldspielautomaten in Spielhallen zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen,
lässt sich ohne Weiteres beantworten. Zwar ist die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV; früher Art. 49 EGV) auf die Betreiber von Spielhallen anwendbar ( [ECLI:EU:C:2015:386] - Rn. 26 f. m.w.N.). Ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV ist aber zu verneinen, weil die Steuer keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Dienstleistenden darstellt ( - juris Rn. 77 ff.; - juris Rn. 64 ff.). Es handelt sich vielmehr um eine Maßnahme, deren einzige Wirkung es ist, zusätzliche Kosten für die betreffende Leistung zu verursachen; eine solche Maßnahme verletzt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht die Dienstleistungsfreiheit (vgl. - Rn. 36). Da das Oberverwaltungsgericht zudem eine erdrosselnde Wirkung der Steuererhöhung verneint, wird auch unter diesem Gesichtspunkt nicht gegen die Dienstleistungsfreiheit verstoßen (vgl. hierzu - Rn. 41; - juris Rn. 82).
13Die Beschwerde zeigt keinen weiteren Klärungsbedarf auf. Sie setzt der vorgenannten Rechtsprechung lediglich ihre eigene Annahme entgegen, die Vergnügungssteuer verstoße doch gegen die Dienstleistungsfreiheit sowie die Berufsfreiheit nach der Europäischen Grundrechte-Charta und könne sich hierfür nicht auf einen tragfähigen Grund stützen.
142. Die auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
15Eine Abweichung des angefochtenen Urteils von einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, um die es der Beschwerde hier geht, ist nur dann gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem die Bezugsentscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Der Hinweis auf eine vermeintlich fehlerhafte Anwendung der in der höchstrichterlichen Rechtsprechung formulierten Rechtssätze genügt den Darlegungsanforderungen dagegen nicht (stRspr, vgl. 9 B 65.15 - Buchholz 406.254 UmwRG Nr. 20 Rn. 13 m.w.N.).
16Daran gemessen zeigt die Beschwerde die behauptete Divergenz zum zur Kernbrennstoffsteuer - 2 BvL 6/13 - (BVerfGE 145, 171) nicht auf. Zutreffend entnimmt sie dieser Entscheidung (Rn. 116 ff.) zwar grundsätzliche Aussagen zur Abgrenzung solcher Steuern, die wie die Verbrauchsteuern an die Einkommensverwendung anknüpfen, von Unternehmenssteuern, die die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen. Sie benennt aber keinen davon abstrakt abweichenden Rechtssatz, auf dem das angegriffene Normenkontrollurteil beruht. Eine Abweichung im Rechtssatz liegt nach den vorstehenden Ausführungen unter 1. a) auch nicht vor.
173. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 63 Abs. 3 GKG. Der Senat ist, solange das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde schwebt, als Gericht der Hauptsache befugt, die Streitwertfestsetzung der Vorinstanz zu ändern (BFH, Beschlüsse vom - IV B 33/00 - juris Rn. 1 und vom - I B 99/14 - juris Rn. 25). Er geht davon aus, dass bei Normenkontrollverfahren in Bezug auf die Vergnügungssteuer der Jahresbetrag der streitigen Steuer am ehesten dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerseite entspricht (vgl. Beschluss zum Urteil vom - 9 CN 1.09 - juris m.w.N. <in BVerwGE 137, 123 insoweit nicht abgedruckt>). Vorliegend hat der Senat das Einspielergebnis zugrunde gelegt, das auf die Monate Januar bis Dezember 2016 entfiel (48 388,40 €), weil die streitgegenständliche Satzung zum in Kraft getreten ist, und hiervon 20 v.H. als den satzungsgemäßen Steuerbetrag errechnet.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2018:090818B9BN6.18.0
Fundstelle(n):
RAAAG-96069