Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) und ihr 1998 verstorbener Ehemann wurden in den Streitjahren 1992 bis 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Die Eheleute erwarben im Januar 1992 ein bebautes Grundstück zum Preis von 260 000 DM. Der Anteil des 1955 erbauten Wohngebäudes am Kaufpreis betrug unstreitig 222 682 DM. Das Gebäude wurde ab 1992 zur Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung genutzt.
Für das Streitjahr 1992 machten die Eheleute Erhaltungsaufwendungen in Höhe von 38 040 DM für die Erneuerung der Elektroinstallation, der Fußbodenbeläge, der Sanitärinstallation, die Ersetzung einzelner Heizkörper, verschiedene weitere Reparaturarbeiten und Schönheitsreparaturen geltend, die sie auf zwei Jahre verteilen wollen. Für das Streitjahr 1994 machten die Eheleute weitere 24 764 DM für die Erneuerung der einfach verglasten Holzfenster durch isolierverglaste Kunststofffenster, die Ersetzung des Garagentors und einen neuen Außenanstrich sowie Dachreparaturarbeiten und Sanierungsarbeiten an der Fassade als Werbungskosten geltend, die sie ebenfalls auf zwei Jahre verteilen wollen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) bewertete die Aufwendungen der Eheleute als (anschaffungsnahe) Herstellungskosten und berücksichtigte als Werbungskosten nur die anteilige Absetzung für Abnutzung (AfA).
Nach erfolglosem Einspruch erhoben die Eheleute Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab (Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2000, 59).
Nach der Art der Instandsetzungs- und Modernisierungsarbeiten sei das Gebäude nicht wesentlich verbessert worden, sein Gebrauchswert sei nicht deutlich erhöht worden. Die Maßnahmen seien vielmehr als übliche Erhaltungsaufwendungen einzustufen. Sie hätten den durch das Bewohnen des Gebäudes bedingten altersgemäßen Verschleiß beseitigt und an zeitgemäße Erfordernisse angepasst. Eine mit der Erneuerung der Elektro-, Heizungs- und Sanitärinstallation einhergehende Anpassung dieser Bestandteile an den veränderten Zeitgeschmack bzw. gesteigerte Ansprüche an die allgemeinen Wohnbedürfnisse begründe keine deutliche Erhöhung des Gebrauchswerts des Gebäudes. Nichts anderes gelte für die Erneuerung der Fußbodenbeläge, die Schönheitsreparaturen und für die Erneuerung der Fenster, des Garagentors, des Außenanstrichs sowie der Sanierungsarbeiten an Fassade und Dach. Zwar habe eine Verbesserung des Gebäudes insoweit stattgefunden, als durch die doppelverglasten Fenster ein besserer Wärme- und Schallschutz erzielt worden sei, der zu einer höheren Miete berechtige. Gleichwohl liege darin keine wesentliche Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 des Handelsgesetzbuchs (HGB).
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung der § 7 Abs. 4, § 9 Abs. 1 Satz 1 und Satz 3 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB.
Dem FG sei zuzustimmen, dass die streitigen Aufwendungen, wären sie nicht anschaffungsnah, nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) als sofort abzugsfähige Erhaltungsaufwendungen anzusehen wären. Das FG verenge aber seine Sichtweise ausschließlich auf den Herstellungskostenbegriff des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB und lasse die Anschaffungsnähe außer Betracht.
Das FA beantragt, das Urteil des FG Rheinland-Pfalz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der Senat hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) durch Beschluss vom gemäß § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Das BMF hat im Schreiben vom (unter Verweisung auf das Verfahren IX R 39/97) wie folgt Stellung genommen:
Die Beurteilung von Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen bestimme sich nach § 255 Abs. 2 HGB, mithin u.a. danach, ob das Gebäude über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert worden sei. Auch grundlegende Instandsetzungs- und Modernisierungsaufwendungen könnten ein Gebäude wesentlich verbessern. Bei im Vergleich zum Kaufpreis hohen Aufwendungen in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Anschaffung spreche eine ”typisierende Vermutung” dafür, dass das Gebäude über seinen Zustand beim Erwerb hinaus wesentlich verbessert worden sei.
Ob sich eine wesentliche Verbesserung ergeben habe, könne nicht für alle Baumaßnahmen einheitlich beurteilt werden, denn § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB fordere eine wesentliche Verbesserung über den ursprünglichen Zustand hinaus. Ursprünglicher Zustand sei beim entgeltlichen Erwerb der Zustand im Zeitpunkt des Erwerbs. Daher könnten Baumaßnahmen, die beim Bauherren nur den Zustand bei Fertigstellung des Gebäudes wiederherstellen und deshalb Erhaltungsaufwendungen seien, beim Erwerber eines unsanierten Gebäudes durchaus zu einer wesentlichen Verbesserung gegenüber dem Zustand bei Erwerb und damit zu Herstellungskosten führen.
Die vom IX. Senat des BFH entwickelten Grundsätze zur Abgrenzung zwischen Erhaltungs- und Herstellungsaufwand seien auf die Instandsetzung nach langjährigem Besitz zugeschnitten; sie ließen sich nicht auf die Sanierung im Anschluss an den Erwerb übertragen. Während der ursprüngliche Zustand bei einem Gebäude im Zeitpunkt der erstmaligen Fertigstellung typisierend als ordnungsgemäß und dem zeitgemäßen Wohnkomfort entsprechend beschrieben werden könne, lasse sich für den Erwerbszustand keine allgemeingültige Aussage treffen.
Nicht zuletzt aus Gründen der Praktikabilität solle daher an der bisherigen Vermutung festgehalten werden, denn es sei eher eine Ausnahme, dass der Steuerpflichtige hohe Aufwendungen z.B. für ein dreißig Jahre altes heruntergekommenes Gebäude mache, um es (nur) in dem Zustand zu erhalten, in dem er es erworben habe. Im Einzelfall könne der Steuerpflichtige die o.a. Vermutung widerlegen. Dazu müsse er den Zustand des Gebäudes bei Erwerb, vor Beginn und nach Abschluss der Baumaßnahmen dokumentieren.
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die streitigen Aufwendungen zu Recht zum Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zugelassen (§ 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 EStG).
1. Aufwendungen, die —wie die hier streitigen— durch die Absicht veranlasst sind, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu erzielen (§ 21 Abs. 1 EStG), sind dann nicht als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) sofort abziehbar, wenn es sich um Anschaffungs- oder Herstellungskosten handelt. Welche Aufwendungen zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zählen, bestimmt sich für die Gewinneinkünfte und Überschusseinkünfte, mithin auch für die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 255 HGB. Allein die Höhe der Aufwendungen und ihre Nähe zur Anschaffung des Gebäudes führen noch nicht zu Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vgl. , BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. b).
2. Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sind die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und ihn in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, ferner die Nebenkosten und nachträglichen Anschaffungskosten.
a) Ein Vermögensgegenstand (Wirtschaftsgut, hier: Wohngebäude) ist betriebsbereit, wenn er entsprechend seiner Zweckbestimmung genutzt werden kann (Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 6. Aufl., § 255 HGB Tz. 13). Zu den Anschaffungskosten zählen daher die Aufwendungen, die erforderlich sind, um den erworbenen Vermögensgegenstand bestimmungsgemäß nutzen zu können. Soll das Gebäude zu Wohnzwecken genutzt werden, dann gehört zur Zweckbestimmung auch die Entscheidung, welchem Standard das Gebäude entsprechen soll (sehr einfach, mittel oder sehr anspruchsvoll). Wird das im Zeitpunkt des Erwerbs noch nicht genutzte Gebäude durch die Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Wohnstandard gehoben, so machen diese Maßnahmen das Gebäude betriebsbereit; die Aufwendungen sind Anschaffungskosten.
Nutzt der Erwerber ein Mietwohngrundstück tatsächlich ab dem Zeitpunkt des Erwerbs, d.h. ab Übergang der Nutzungen und Lasten, dann hat er eine Zweckbestimmung getroffen; das genutzte Wirtschaftsgut befindet sich bereits in einem betriebsbereiten Zustand und kann insoweit nicht mehr in diesen Zustand versetzt werden (vgl. im Einzelnen , BFHE 198, 85, BFH/NV 2002, 966, zu II. 2. b aa). Nach den Feststellungen des FG war das Gebäude zu diesem Zeitpunkt noch nicht vermietet. Die Kosten der 1992 durchgeführten Baumaßnahmen können daher nur sofort abziehbare Werbungskosten oder Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 HGB sein.
Eine Steigerung des Wohnstandards setzt voraus, dass die Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung wesentlich verbessert werden; das ist der Fall, wenn bei mindestens drei der Bereiche Heizung, Sanitär- und Elektroinstallation sowie Fenster der Nutzungswert durch die Baumaßnahmen deutlich gesteigert wird. Reparatur oder auch Ersetzung des Vorhandenen durch gleichwertiges zeitgemäßes Neues erweitert den Nutzungswert nicht (vgl. dazu im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die streitigen Aufwendungen keine Anschaffungskosten gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB. Die Baumaßnahmen haben das Gebäude in seinem Standard nicht gehoben. Sie sind zwar in allen Kernbereichen der Wohnungsausstattung vorgenommen worden. Jedoch ist die Heizungsinstallation dadurch in ihrem Nutzungswert nicht deutlich gesteigert worden; der Austausch von Heizkörpern beseitigt Mängel, erweitert aber nicht die Nutzungsmöglichkeiten. Im Übrigen handelte es sich nach den Feststellungen des FG um übliche Erhaltungsaufwendungen, die den Gebrauchswert des Gebäudes nicht erhöht haben; derartige Aufwendungen können nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, keine Anschaffungskosten sein. Der Senat ist an die tatsächliche Würdigung des FG gebunden; in Bezug auf sie sind keine zulässigen und begründeten Revisionsgründe vorgebracht worden (§ 118 Abs. 2 FGO), sie sind vom FA nicht angegriffen worden. Vielmehr ist auch das FA der Auffassung, dass es sich um sofort abziehbare Erhaltungsaufwendungen handle, wenn nicht der Gesichtspunkt der Anschaffungsnähe hier zu einer anderen Beurteilung führen müsste. Entgegen der Ansicht des FA ist dieser Gesichtspunkt aber nicht mehr entscheidungserheblich (BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a dd).
3. Die Baumaßnahmen des Jahres 1994 sind durchgeführt worden, während das Gebäude vermietet war. Diese Aufwendungen können nur entweder Herstellungskosten gemäß § 255 Abs. 2 HGB oder sofort abziehbare Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1, § 21 Abs. 1 EStG sein (BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 2. und 3.). Dabei sind die Baumaßnahmen, die sich zeitlich verbunden über mehrere Jahre erstrecken, im Zusammenhang zu würdigen. Die Baumaßnahmen des Jahres 1994 sind also im Zusammenhang mit den Baumaßnahmen des Jahres 1992 zu werten (s.o. zu II. 2.) und , BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, zu I. 3. b cc).
a) Nach § 255 Abs. 2 HGB sind Herstellungskosten Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Vermögensgegenstandes, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen.
Eine wesentliche Verbesserung ist bei einem Wohngebäude immer dann gegeben, wenn der Gebrauchswert (Nutzungspotential, vgl. BFH-Urteil in BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632, zu I. 3. b bb) des Gebäudes durch die Baumaßnahmen von einem sehr einfachen auf einen mittleren oder von einem mittleren auf einen sehr anspruchsvollen Standard gehoben wird. Dies setzt voraus, dass mindestens drei der Kernbereiche der Ausstattung einer Wohnung, nämlich Heizung, Elektro, Sanitär und Fenster, von Grund auf erneuert werden (vgl. im Einzelnen BFH-Urteil in BFHE 198, 74, BFH/NV 2002, 968, zu II. 3. a cc). Ob Baumaßnahmen an einem Wohngebäude zu einer wesentlichen Verbesserung i.S. des § 255 Abs. 2 Satz 1 HGB geführt haben, ist im Wesentlichen nach den gleichen Maßstäben zu entscheiden, nach denen die Betriebsbereitschaft gemäß § 255 Abs. 1 HGB zu beurteilen ist.
b) Unter Berücksichtigung dessen sind die streitigen Aufwendungen keine Herstellungskosten (vgl. oben zu II. 2. b). Die Baumaßnahmen haben das Wohngebäude nicht wesentlich verbessert, denn sie haben seinen Nutzungswert nicht deutlich gesteigert.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 299
BFH/NV 2003 S. 299 Nr. 3
JAAAA-71612