BFH Urteil v. - IX R 40/99

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie erwarben 1988 je zur Hälfte für 385 000 DM eine Eigentumswohnung in X. Den Kaufpreis finanzierten sie durch die Aufnahme eines Darlehens. Die Wohnung umfasst eine Wohnfläche von rd. 58 qm. Zur Wohnung gehören ferner zwei Balkone und ein über eine Ausziehtreppe erreichbarer Dachraum mit einer lichten Höhe von 1,60 m und einer Fläche von 14 qm sowie ein Kellerraum.

Ab Dezember 1988 vermieten die Kläger die Wohnung mit der angegebenen Wohnfläche nebst Balkonen und Kellerraum an die Mutter der Klägerin, die seit Dezember 1988 mit einer Nebenwohnung in X gemeldet ist. Für die Festsetzung des Kurbeitrags gab sie einen Aufenthalt von 80 Tagen im Jahr an. Die monatliche Miete betrug 475 DM; jährlich war eine Betriebskostenpauschale von 1 500 DM zu zahlen. Miete und Betriebskostenpauschale wurden im Streitjahr (1991) wie vereinbart überwiesen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger —wie auch in den Vorjahren— einen erheblichen Werbungskostenüberschuss geltend, und zwar 44 448 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte das Mietverhältnis im Ergebnis nicht an, weil es einem Fremdvergleich nicht standhalte.

Die Klage blieb erfolglos. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) entsprach der Mietvertrag und dessen Durchführung zwar dem unter Fremden Üblichen. Jedoch hätten die Kläger nicht mit der Absicht gehandelt, Einkünfte zu erzielen. Die vereinbarte Miete von 8,19 DM pro qm liege erheblich unter der ortsüblichen Marktmiete, die das FG mit 11,50 DM pro qm annehme. Die vereinbarte Nettomiete decke nicht einmal die lineare Absetzung für Abnutzung für die Eigentumswohnung einschließlich Tiefgaragen-Stellplatz und erst recht nicht den jährlichen Zinsaufwand. Die Kläger könnten das bis 1996 aufgebaute Verlustvolumen von 275 568 DM in der Zeit der weiteren Nutzung nicht mehr in einen positiven Totalüberschuss verwandeln. Aus diesen Erwägungen schließe das FG auf die Absicht der Kläger, die Wohnung nach dem Tod der Mutter, gegebenenfalls nach einer weiteren Vermietung, als Ferienwohnung oder sogar als Altersruhesitz selbst zu nutzen.

Ihre Revision stützten die Kläger auf Verfahrensfehler und Verletzung materiellen Rechts.

Sie beantragen sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer für das Streitjahr unter Berücksichtigung eines Werbungskostenüberschusses von 44 448 DM festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA den angefochtenen Einkommensteuerbescheid geändert. Die Kläger haben beantragt, ihm zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.

II. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Der von den Klägern gerügte Verfahrensverstoß im erstinstanzlichen Verfahren wegen Verletzung der Amtsermittlungspflicht (vgl. § 76 FGO) liegt nicht vor. Der Senat sieht insoweit von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 Satz 1 FGO).

2. Die Vorentscheidung verletzt § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Streitjahres. Das FG hat zwar zutreffend die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger geprüft, aus ihrem Fehlen aber unzutreffende Folgerungen gezogen.

a) Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, und vom IX R 57/00, BFH/NV 2002, 1394).

b) Diese Grundsätze gelten auch bei einer verbilligten Vermietung, wenn sie in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufgeteilt wurde (so das BFH-Urteil vom heutigen Tag IX R 48/01). Beträgt die Vertragsmiete indes —wie hier— mindestens 50 v.H. der ortsüblichen Marktmiete, so ist die Vermietungstätigkeit nach § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht aufzuteilen und es kommt zu keiner Kürzung der Werbungskosten. Dann kann es als ein Beweisanzeichen gegen die Einkünfteerzielungsabsicht gewertet werden, wenn eine Wohnung zu einem erheblich unter der ortsüblichen Marktmiete liegenden Preis vermietet wird (, BFHE 190, 125, BStBl II 1999, 826). Ist die sich anschließende Prognose, die den vom BFH aufgestellten Anforderungen (vgl. , BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) genügen muss, allerdings negativ, führt das nicht dazu, die Vermietungstätigkeit in vollem Umfang als nicht steuerbar anzusehen und den Werbungskostenabzug insgesamt zu versagen. Aus den Gründen, die der Senat in seinem Grundsatzurteil vom heutigen Tag dargelegt hat (IX R 48/01) und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen verweist, ist § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG insoweit in seinem Anwendungsbereich einzuschränken: Die Vermietungstätigkeit ist bei negativer Ertragsprognose in einen entgeltlichen und in einen unentgeltlichen Teil aufzuteilen. Werbungskosten sind abziehbar, soweit sie auf den entgeltlichen Teil entfallen.

c) Nach diesen Grundsätzen hat das FG zwar im Ansatz zutreffend die Einkünfteerzielungsabsicht geprüft. Nach seinen Feststellungen betrug die ortsübliche Marktmiete im Streitjahr 11,50 DM pro qm, so dass die vereinbarte Miete mit 8,19 DM pro qm nur etwa 71,2 v.H. der erzielbaren Miete ausmachte. Der Verzicht auf die erzielbare Miete ist ein Beweisanzeichen, das gegen die Absicht der Kläger spricht, einen Totalüberschuss zu erzielen. Indes entspricht die vom FG angestellte Prognose nicht den vom BFH dazu aufgestellten Grundsätzen. Überdies ist es rechtsfehlerhaft, die Vermietungstätigkeit der Kläger bei einer negativen Ertragsprognose insgesamt aus der Besteuerung herauszunehmen. Die negative Überschussprognose hat vielmehr lediglich zur Folge, dass Werbungskosten in Höhe des entgeltlichen Teils der Vermietungstätigkeit, also in Höhe von 71,2 v.H. abziehbar sind.

d) Das Urteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Das FG hat als Beweisanzeichen gegen die Einkünfteerzielungsabsicht die verbilligte Vermietung gewürdigt. Weitere Beweisanzeichen gegen die Einkünfteerzielungsabsicht, die zur Folge hätten, dass die gesamte Vermietungstätigkeit nicht steuerbar wäre, hat es aber nicht festgestellt. Zwar schließt das FG aus der verbilligten Vermietung trotz hoher Werbungskostenüberschüsse auf die Absicht der Kläger, die Wohnung nach dem Tod der Mutter gegebenenfalls nach einer weiteren Vermietung selbst zu nutzen. Zukünftige Faktoren sind in die Beurteilung aber nur dann einzubeziehen, wenn sie bei objektiver Betrachtung vorhersehbar waren (vgl. BFH-Urteil in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, unter II. 1. e). Vorhersehbar waren die vom FG genannten Bedingungen für eine eventuelle Selbstnutzung jedoch nicht.

3. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG wird in einer neuen Verhandlung und Entscheidung seine Prognose anhand der Grundsätze des BFH nachvollziehen müssen. Ist die Ertragsprognose negativ, wird es die Vermietungstätigkeit aufteilen und die Werbungskosten, die mit dem entgeltlichen Teil zusammenhängen, ermitteln müssen. Zwar hat das FG den entgeltlichen Anteil der Vermietung dadurch festgestellt, dass es sowohl die ortsübliche Marktmiete wie auch die Vertragsmiete ermittelt hat. Indessen fehlen Feststellungen des FG über die Höhe der anzusetzenden Werbungskosten. Das FA hatte im Veranlagungsverfahren die ursprünglich von den Klägern abgesetzten Werbungskosten gekürzt. Damit musste sich das FG —von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig— nicht auseinandersetzen. Das wird es in einem neuen Verfahren nachzuholen haben.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 316
BFH/NV 2003 S. 316 Nr. 3
BAAAA-71577