Außerordentliche Tat- und Verdachtskündigung - Anhörung des Arbeitnehmers - Beweiswürdigung
Gesetze: § 626 Abs 1 BGB, § 241 Abs 2 BGB, § 286 Abs 1 S 2 ZPO, § 1 Abs 1 KredWG, § 1 Abs 20 GwG, § 2 Abs 1 Nr 1 GwG, § 6 Abs 1 S 1 GwG, § 6 Abs 2 Nr 5 GwG, § 43 Abs 1 GwG
Instanzenzug: ArbG Herne Az: 3 Ca 1053/16 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 1540/16 Urteilvorgehend Az: 2 AZN 723/17 Beschlussnachgehend Az: 2 AZN 1332/19 Beschlussnachgehend Landesarbeitsgericht Hamm (Westfalen) Az: 17 Sa 1038/18 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
2Die Klägerin war seit 1991 bei der Beklagten, einer kommunalen Sparkasse, beschäftigt, zuletzt als Kassiererin. Auf das Arbeitsverhältnis fand kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der TVöD-S Anwendung.
3Nach der bei der Beklagten bestehenden „Anweisung 004. Bargeldversorgung“ sind Bargeldbestellungen anhand eines Cash-Management-Systems für den nächsten Geschäftstag zu prüfen und freizugeben. Die von der Bundesbank angelieferten Geldbehälter (P-Behälter) sind im Vier-Augen-Prinzip zu öffnen, der Geldbetrag ist vor seiner Verbuchung zu überprüfen. Die Kassierer sind durch die „Information 000.0950. Bareinzahlung zu Gunsten eines Kontos bei der H Sparkasse“ angewiesen, bei Bareinzahlungen ab 1.000,00 Euro auf ein eigenes oder fremdes Konto eine Kopie für den Geldwäschebeauftragten zu erstellen. Bei - auch mehreren miteinander verbundenen - Bareinzahlungen auf ein fremdes Konto über 1.000,00 Euro ist zudem die Legitimation des Einzahlers zu prüfen und in jedem Fall ein sog. GWG-Identifizierungsbogen sowie ein sog. Geldwäsche-Geko zu erstellen.
4Im Zusammenhang mit einer im Jahr 2008 aufgetretenen Differenz bei der Geldanlieferung von der Deutschen Bundesbank teilte ua. die Klägerin in einer Stellungnahme mit, sie habe sich angewöhnt, die Geldabgabe und -annahme immer mindestens zu zweit zu kontrollieren.
5Am bestellte die Klägerin bei der Deutschen Bundesbank 115.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen. Das Cash-Management-System der Beklagten hatte eine Bestellung iHv. lediglich 48.000,00 Euro, davon 30.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen vorgeschlagen. Nach der durch die Klägerin an diesem Tag durchgeführten Kassenaufnahme befanden sich im Kassenbestand noch 165.000,00 Euro in 50-Euro-Scheinen.
6Am übernahmen zwei Mitarbeiter einer Wachschutzgesellschaft die Geldlieferung von der Filiale der Deutschen Bundesbank in Bochum. Die dort erfolgende Geldsortierung und -verladung ist videoüberwacht, die Fahrtroute der Geldboten wird von einer GPS-Einrichtung aufgezeichnet.
7Gegen 09:41 Uhr am quittierte die Klägerin den Empfang der Lieferung und die Unversehrtheit der Plombe des P-Behälters. Im Gegenzug händigte sie den Geldboten einen P-Behälter mit 60.000,00 Euro aus. Die Klägerin deponierte den angelieferten Behälter im Kassenbereich und öffnete ihn anschließend allein. Etwa 20 Minuten nach der Anlieferung rief sie einen Kollegen herbei und teilte ihm mit, sie habe in dem P-Behälter lediglich Babynahrung und Waschmittel gefunden.
8Die Kriminalpolizei durchsuchte noch am ergebnislos die Wohnungen der beiden Geldboten. Die Geschäftsstelle der Beklagten nahm sie an diesem Tag nur in Augenschein. Im Kassenbereich fand sie einen Einkaufskorb und eine Handtasche der Klägerin vor. Eine gründliche Untersuchung der Geschäftsstelle erfolgte - ohne Ergebnis - erst am Folgetag. An diesem Tag suchte die Kriminalpolizei auch die Wohnung der Klägerin auf. Im Kleiderschrank fand sie 2.900,00 Euro und in einem Schmuckkästchen weitere 200,00 Euro, jeweils in 50-Euro-Scheinen.
9Am öffnete die Kriminalpolizei das Bankschließfach der Klägerin in der Hauptstelle der Beklagten. Dort befanden sich in einem mit dem Namen der Tochter der Klägerin beschrifteten Umschlag 14.800,00 Euro, in einem mit „Mamma“ beschrifteten Umschlag 16.000,00 Euro und in einem unbeschrifteten Umschlag weitere 6.200,00 Euro, jeweils unterschiedlich gestückelt. Die Klägerin hatte das Schließfach zuletzt am und dann erst wieder am aufgesucht.
10Mit undatiertem Schreiben aus dem Jahr 2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe wegen des Vorfalls am Strafanzeige gegen unbekannt gestellt. Sie wies darauf hin, dass die Klägerin bei der Öffnung des Geldbehälters entgegen der Organisationsanweisung zur Bargeldversorgung nicht das Vier-Augen-Prinzip eingehalten habe. Die lückenlose Aufklärung des Sachverhalts sei auch in ihrem Interesse. Sie bat die Klägerin, den Sachverhalt aus ihrer Sicht bis zum umfassend schriftlich zu schildern, insbesondere weshalb sie den Behälter allein geöffnet habe. Arbeitsrechtliche Schritte und die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Klägerin behalte sie sich vor.
11Mit anwaltlichem Schreiben vom bestätigte die Klägerin, den Geldbehälter allein geöffnet zu haben. Dies sei die „übliche Verfahrensweise“ gewesen. Über eine Änderung der betreffenden Organisationsanweisung sei sie nicht informiert worden. Nach dem Öffnen des Behälters habe sie festgestellt, dass sich darin lediglich Babynahrung und Waschmittel befunden hätten, und unverzüglich einen Kollegen herbeigerufen.
12Nach einem Gutachten des Landeskriminalamts Nordrhein-Westfalen (LKA) vom konnten an der bei der Geldlieferung verwendeten Plombe keine Spuren festgestellt werden, die auf eine Manipulation hinwiesen. Es bestehe keine Möglichkeit, eine bereits verschlossene Plombe zu öffnen und sie wieder zu verschließen, ohne dass die Plombe zerstört werde oder diese zumindest deutliche Manipulationsspuren und Beeinträchtigungen hinsichtlich ihrer Funktion aufweise.
13Am durchsuchte die Kriminalpolizei erneut das Bankschließfach der Klägerin. Darin befanden sich noch 5.800,00 Euro. Hieran anschließend ordnete die Beklagte eine Sonderprüfung der Vorfälle im Zusammenhang mit der Geldlieferung am durch ihre Interne Revision an.
14Nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft verfügten die Klägerin und ihr Ehemann im Jahr 2015 über ein durchschnittliches Einkommen iHv. etwa 3.900,00 Euro monatlich. Ihnen verblieb nach eigenen Angaben ein freier Betrag iHv. 880,00 Euro pro Monat. Ausweislich des Abschlussberichts der Kriminalpolizei vom ergaben die Konten der Klägerin, ihres Ehemanns und ihrer Mutter, für die sie ebenfalls verfügungsberechtigt war, einen Gesamtschuldenstand von mehr als 100.000,00 Euro.
15Am legte die Interne Revision dem Vorstand der Beklagten ihren Bericht vor. Sie hatte ua. die Konten der Klägerin, ihres Ehemanns, ihrer Tochter und ihrer Mutter überprüft. Es wurde festgestellt, dass sich das Girokonto der Klägerin am bei einem Dispositionsrahmen von 15.900,00 Euro mit gut 15.400,00 Euro im Soll befunden und die Klägerin regelmäßig ab Juli 2015 ihr Bankschließfach aufgesucht habe. Zwischen Juni 2015 und Februar 2016 seien 82 Bareinzahlungen iHv. insgesamt 33.322,03 Euro auf die Konten der Klägerin und ihrer Angehörigen erfolgt, deren Höhe zwischen 20,00 Euro und 4.500,00 Euro variiert hätten. Die beteiligten Kassierer hätten angegeben, die Einzahlungen seien stets von der Klägerin selbst und allein durchgeführt bzw. veranlasst worden. Der Bericht der Internen Revision gelangte zu dem Ergebnis, dass sehr wahrscheinlich die Klägerin die Geldlieferung entwendet habe.
16Am hörte die Beklagte die Klägerin in einem Personalgespräch an, dessen Ablauf und Inhalt zwischen den Parteien streitig geblieben ist.
17Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis der Parteien nach Zustimmung des Personalrats mit Schreiben vom außerordentlich fristlos, hilfsweise außerordentlich mit Auslauffrist zum .
18Dagegen hat sich die Klägerin mit der vorliegenden Klage gewandt. Sie hat gemeint, ein wichtiger Grund iSd. § 626 BGB sei nicht gegeben. Sie habe den Verlust der Geldlieferung nicht zu verantworten. Während die Geldboten durchaus die Zeit gehabt hätten, die Geldlieferung bei sich zu Hause oder in der Nähe zu deponieren, habe sie selbst keine Gelegenheit gehabt, das Geld auszutauschen. Das bei der Durchsuchung ihrer Wohnung sichergestellte Geld stamme nicht aus der Geldlieferung. Die in ihrem Bankschließfach vorgefundenen Beträge habe sie für ihre Tochter angespart bzw. von ihrer Mutter erhalten. Am sei sie nicht ordnungsgemäß angehört worden. Ihr sei nach ihrem Eindruck nicht der Vorwurf unterbreitet worden, die 115.000,00 Euro an sich genommen zu haben. Sie habe das Gespräch lediglich als Aufklärungsgespräch verstanden. Es sei nur über ihre Geldbestellung und die Kontenbewegungen gesprochen worden. Sie habe keine Möglichkeit gehabt, die Verdachtsmomente sachgerecht zu widerlegen. Die Beklagte habe weder die Kündigungserklärungsfrist gewahrt noch den Personalrat ordnungsgemäß beteiligt.
19Die Klägerin hat beantragt
20Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, die Klägerin habe die Veruntreuung von 115.000,00 Euro begangen, jedenfalls sei sie dieser Tat dringend verdächtig. Die Täterschaft anderer Personen könne mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. In dem Gespräch am sei die Klägerin sowohl auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen als auch darauf hingewiesen worden, dass die Interne Revision aufgrund der Durchsuchung ihres Bankschließfachs am mit der Aufarbeitung des Vorfalls vom beauftragt worden sei und nunmehr eine weitere Klärung erfolgen solle. Gegenstand der Anhörung seien die Geldbestellung am sowie die Bareinzahlungen auf die Konten der Klägerin und ihrer Angehörigen zwischen Juni 2015 und Februar 2016 gewesen. Die Klägerin habe überdies ihre Pflichten nach dem Geldwäschegesetz (GwG) gravierend verletzt und sich deshalb als unzuverlässig für eine Tätigkeit als Kassiererin erwiesen.
21Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
22Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht durfte mit der gegebenen Begründung nicht annehmen, für die außerordentliche Kündigung fehle es an einem wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-S, § 626 Abs. 1 BGB.
23I. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, es könne nicht im Sinne einer erwiesenen Tat davon ausgegangen werden, die Klägerin habe am 27. oder 115.000,00 Euro veruntreut, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Revision rügt zu Recht eine Verletzung von § 286 Abs. 1 ZPO.
241. Nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO haben die Tatsacheninstanzen unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer ggf. durchgeführten Beweisaufnahme nach ihrer freien Überzeugung darüber zu befinden, ob sie eine tatsächliche Behauptung für wahr erachten oder nicht. Die Beweiswürdigung muss vollständig, widerspruchsfrei und umfassend sein. Mögliche Zweifel müssen überwunden, aber nicht völlig ausgeschlossen sein. Für die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO ist ausreichend, dass ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit erreicht ist, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig ausschließen zu müssen (st. Rspr., vgl. - Rn. 73; - Rn. 14). Soll ein Vortrag mittels Indizien bewiesen werden, hat das Gericht zu prüfen, ob es die vorgetragenen Hilfstatsachen - deren Richtigkeit unterstellt - von der Wahrheit der Haupttatsache überzeugen. Es hat die insoweit maßgebenden Umstände vollständig und verfahrensrechtlich einwandfrei zu ermitteln und alle Beweisanzeichen erschöpfend zu würdigen. Dabei sind die Tatsacheninstanzen grundsätzlich frei darin, welche Beweiskraft sie den behaupteten Indiztatsachen im Einzelnen und in einer Gesamtschau beimessen. Revisionsrechtlich ist ihre Würdigung allein darauf hin zu überprüfen, ob alle Umstände vollständig berücksichtigt und Denk- und Erfahrungsgrundsätze nicht verletzt wurden. Um diese Überprüfung zu ermöglichen, haben sie nach § 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO die wesentlichen Grundlagen ihrer Überzeugungsbildung nachvollziehbar darzulegen ( - Rn. 38; - 2 AZR 85/15 - Rn. 35). Dies erfordert zwar keine ausdrückliche Auseinandersetzung mit allen denkbaren Gesichtspunkten. Die Urteilsgründe müssen aber erkennen lassen, dass überhaupt eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (vgl. - Rn. 29; - 8 AZR 655/13 - Rn. 40, BAGE 149, 47; - Rn. 18). Es genügt daher nicht, allein durch formelhafte Wendungen ohne Bezug zu den konkreten Fallumständen zum Ausdruck zu bringen, das Gericht sei von der Wahrheit einer Tatsache überzeugt oder nicht überzeugt (vgl. - zu I 4 a der Gründe; - III ZR 295/98 - zu II 2 b aa der Gründe).
252. Diesen Anforderungen wird die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht gerecht.
26a) Rechtsfehlerfrei ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die von ihm auf Seite 27 bis 30 des amtlichen Umdrucks angeführten Umstände für eine Täterschaft der Klägerin sprechen.
27b) Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, es könne „angesichts der wenn auch nicht nahe liegenden Möglichkeit der Geldentnahme durch die Kurierfahrer“ „nach den objektiven Tatsachen“ allerdings nicht von einer erwiesenen Tat ausgegangen werden. Eine weiter gehende Begründung, weshalb es von der Täterschaft der Klägerin nicht überzeugt ist, enthält die angefochtene Entscheidung nicht.
28c) Dies ist in Bezug auf die der Klägerin vorgeworfene Tat in mehrfacher Weise rechtsfehlerhaft. Es wird weder erkennbar, welche Anforderungen das Landesarbeitsgericht an die volle richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 Abs. 1 ZPO gestellt hat noch welche Indiztatsachen es insoweit in seine Würdigung einbezogen sowie welche Beweiskraft es ihnen im Einzelnen und in der Gesamtschau beigemessen hat. Insbesondere ist nicht nachvollziehbar, weshalb die vom Landesarbeitsgericht selbst als „nicht nahe liegend“ bezeichnete Möglichkeit einer Täterschaft der Geldboten einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit auch angesichts der gegen die Klägerin sprechenden Indiztatsachen ausschließt. Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts und dem LKA-Gutachten dürfte eine Täterschaft der Geldboten in der Tat fernliegen.
293. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine rechtsfehlerfreie Würdigung aller relevanten Umstände die tatrichterliche Überzeugung von der Begehung der Tat erbringt. Die erforderliche Würdigung der Indiztatsachen kann der Senat nicht selbst vornehmen (vgl. - Rn. 40; - 8 AZR 1012/08 - Rn. 83).
30II. Das Landesarbeitsgericht durfte auf der Grundlage seiner bisherigen Feststellungen auch nicht die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten auf den Verdacht einer schweren Pflichtverletzung gestützten Kündigung mit der Begründung verneinen, die Beklagte habe die Klägerin nicht ausreichend angehört und deshalb nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen.
311. Die vorherige Anhörung des Arbeitnehmers ist - anders als bei der sog. Tatkündigung (vgl. - Rn. 38, 71) - Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung. Das folgt aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ( - Rn. 23; - 2 AZR 206/11 - Rn. 32). Die Annahme, das für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört, ist zumindest solange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen hat. Dazu gehört es insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäumt der Arbeitgeber dies, kann er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen; die hierauf gestützte Kündigung ist unwirksam ( - aaO).
322. Die Anhörung des Arbeitnehmers hat im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen ( - Rn. 15; - 2 AZR 424/01 - zu B I 1 b bb der Gründe). Der erforderliche Umfang und damit auch ihre Ausgestaltung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. - Rn. 56, BAGE 151, 1; - 2 AZR 1037/12 - Rn. 24). Dabei ist ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Arbeitnehmers zugrunde zu legen (vgl. - Rn. 57, aaO). Die Anhörung muss einerseits nicht in jeder Hinsicht den Anforderungen genügen, die an eine Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 BetrVG gestellt werden. Andererseits reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer lediglich mit einer allgemein gehaltenen Wertung konfrontiert. Der Arbeitnehmer muss vielmehr erkennen können, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden soll. Er muss die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Um dieser Aufklärung willen wird dem Arbeitgeber die Anhörung abverlangt ( - Rn. 24).
333. Das verlangt nicht notwendig, dass der Arbeitgeber hinsichtlich eines für aufklärungsbedürftig gehaltenen Sachverhalts bereits einen (dringenden) Verdacht gegen den Arbeitnehmer hegt und dies überdies im Rahmen der Anhörung ausdrücklich erklärt. Erforderlich ist allein, dass der Arbeitnehmer erkennen kann, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hält, dass er jedenfalls auch seine, des Arbeitnehmers, Verantwortung dafür in Betracht zieht und dass ihm, dem Arbeitnehmer, Gelegenheit gegeben werden soll, zu den aufklärungsbedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Dies kann sich hinreichend auch aus den Umständen der Anhörung ergeben.
344. Danach hat das Landesarbeitsgericht zu Unrecht angenommen, die Beklagte habe schon nach ihrem eigenen Vorbringen die Klägerin nicht ausreichend zu dem Verdacht angehört, die am gelieferten 115.000,00 Euro selbst aus dem Geldbehälter entnommen und gegen Babynahrung und Waschmittel ausgetauscht zu haben, da sie die Klägerin nicht ausdrücklich auf das Bestehen eines entsprechenden Verdachts hingewiesen habe. Eines solchen ausdrücklichen Hinweises bedurfte es nicht, wenn nach den konkreten Umständen kein Zweifel daran bestehen konnte, welchen Sachverhalt die Beklagte für aufklärungsbedürftig hielt, dass sie insofern zumindest auch eine Verantwortung der Klägerin in Betracht zog und dass diese Gelegenheit erhalten sollte, zu den der Aufklärung bedürftigen Geschehnissen und Verdachtsmomenten Stellung zu nehmen. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist nach dem Vorbringen der Beklagten naheliegend, bedarf aber einer abschließenden tatrichterlichen Würdigung.
35a) Die Beklagte hat behauptet, die Klägerin in dem Gespräch am auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hingewiesen zu haben. Träfe dies zu, musste der Klägerin schon aufgrund dessen klar sein, dass ein Tatverdacht zumindest auch gegen sie bestand und die Beklagte hierauf Bezug nahm. Die Wohnung der Klägerin war bereits am durchsucht worden. Der zugrunde liegende Durchsuchungsbeschluss war ihr nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts bekannt. Noch am selben Tag war sie außerdem erkennungsdienstlich behandelt worden, wie sie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht selbst zu Protokoll erklärt hat. Die Beschlüsse zur Durchsuchung ihres Bankschließfachs am und waren der Klägerin nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls bekannt. Unerheblich ist, ob sich die Klägerin im Ermittlungsverfahren als Beschuldigte eingelassen hatte. Es kommt auch nicht darauf an, dass Land- bzw. Oberlandesgericht den gegen die Klägerin verhängten dinglichen Arrest erst nach der Kündigung bestätigten.
36b) Zur Verletzung des Vier-Augen-Prinzips beim Öffnen des Geldbehälters hatte die Beklagte die Klägerin bereits mit dem undatierten Schreiben im Jahr 2015 angehört.
37c) Die Beklagte musste der Klägerin auch nicht noch einmal Gelegenheit zur Stellungnahme zu ihrem Verhalten nach dem Öffnen des Behälters geben. Die Klägerin hatte sich dazu bereits mit anwaltlichem Schreiben vom geäußert und mitgeteilt, sie habe nach dem Öffnen des Behälters festgestellt, dass sich darin statt des erwarteten Geldbetrags nur Babynahrung und Waschmittel befunden hätten, und unverzüglich einen Kollegen herbeigerufen.
38d) Nach dem Vortrag der Beklagten ist die Klägerin zu den weiteren Verdachtsmomenten im Gespräch am angehört worden. Die Beklagte hat vorgetragen, sie habe die Klägerin sowohl zur Höhe ihrer Geldbestellung am als auch zu den späteren Bargeldeinzahlungen auf ihr Konto bzw. die Konten ihrer Familienangehörigen befragt. Zum Ergebnis des LKA-Gutachtens, wonach die Plombe an dem Geldbehälter aller Wahrscheinlichkeit nach nicht manipuliert worden sei, brauchte sie der Klägerin dagegen ebenso wenig Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben wie zu den weiteren Umständen, die es aus Sicht der Beklagten ausgeschlossen erscheinen ließen, dass das Geld bereits aus dem Behälter entwendet worden war, bevor er in die Filiale der Beklagten gelangte. All dies lag nicht im Wahrnehmungsbereich der Klägerin, so dass sie dazu keine eigenen Beobachtungen beitragen konnte.
395. Der Senat kann schon wegen des streitig gebliebenen Verlaufs des Gesprächs am nicht selbst entscheiden, ob der für eine Verdachtskündigung erforderliche dringende Verdacht einer gegen das Vermögen der Beklagten gerichteten Straftat der Klägerin gegeben ist. Daneben liegt diese Beurteilung im Wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet und bedarf daher der tatrichterlichen (Beweis-)Würdigung nach § 286 Abs. 1 ZPO (vgl. - Rn. 47, BAGE 151, 1; - 2 AZR 546/12 - Rn. 16, BAGE 145, 278). Erforderlich ist eine Prüfung, ob die bestehenden Indiztatsachen einen ausreichend dringenden Verdacht begründen. Daran fehlt es bislang. Das Landesarbeitsgericht hat zwar unter Darstellung der dafür sprechenden Verdachtsmomente zugunsten der Beklagten unterstellt, es bestehe der dringende Verdacht, dass die Klägerin am 27. oder aus den Geldmitteln der Beklagten 115.000,00 Euro veruntreut habe. Es hat diesbezüglich aber keine abschließende Würdigung vorgenommen.
40III. Mit der bisher gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht auch einen wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-S, § 626 Abs. 1 BGB für die fristlose bzw. hilfsweise außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist mit Blick auf die der Klägerin vorgeworfenen Verstöße gegen das Geldwäschegesetz oder eine daraus ggf. folgende Unzuverlässigkeit nicht verneinen.
411. Es ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen ist, die Klägerin habe nicht gegen ihre arbeitsvertraglichen Pflichten als Kassiererin nach der im ORG-Handbuch der Beklagten hinterlegten „Information 000.0950.“ verstoßen. Nach den nicht angegriffenen und damit für den Senat gem. § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts haben andere Beschäftigte der Beklagten und damit nicht die Klägerin selbst die behaupteten Einzahlungs- und Überweisungsvorgänge vorgenommen.
422. Dagegen hält die Annahme des Landesarbeitsgerichts, die von der Beklagten behaupteten wiederholten Bareinzahlungen der Klägerin iHv. mehr als 1.000,00 Euro auf die Konten ihrer Mutter bzw. Tochter seien „an sich“ nicht geeignet, einen wichtigen Grund iSd. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-S, § 626 Abs. 1 BGB darzustellen, einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
43a) Die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann „an sich“ einen wichtigen Grund iSv. § 34 Abs. 2 Satz 1 TVöD-S, § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Das betrifft sowohl auf die Hauptleistungspflicht bezogene Nebenleistungspflichten, die der Vorbereitung, der ordnungsgemäßen Durchführung und der Sicherung der Hauptleistung dienen und diese ergänzen, als auch sonstige, aus dem Gebot der Rücksichtnahme (§ 241 Abs. 2 BGB) erwachsende Nebenpflichten ( - Rn. 18, BAGE 157, 84; - 2 AZR 449/15 - Rn. 29).
44aa) Nach § 241 Abs. 2 BGB ist jede Partei eines Arbeitsvertrags zur Rücksichtnahme auf Rechte, Rechtsgüter und Interessen ihres Vertragspartners verpflichtet. Der Arbeitnehmer hat seine Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis so zu erfüllen und die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Interessen des Arbeitgebers so zu wahren, wie dies von ihm unter Berücksichtigung seiner Stellung und Tätigkeit im Betrieb, seiner eigenen Interessen und der Interessen der anderen Arbeitnehmer des Betriebs nach Treu und Glauben billigerweise verlangt werden kann. Er ist danach auch außerhalb der Arbeitszeit verpflichtet, auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers Rücksicht zu nehmen. Durch ein rechtswidriges außerdienstliches Verhalten des Arbeitnehmers werden berechtigte Interessen des Arbeitgebers beeinträchtigt, wenn es negative Auswirkungen auf den Betrieb oder einen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat. Der Arbeitnehmer verstößt mit einem solchen Verhalten gegen seine schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB, wenn es einen Bezug zu seinen arbeitsvertraglichen Verpflichtungen oder zu seiner Tätigkeit hat und dadurch berechtigte Interessen des Arbeitgebers oder anderer Arbeitnehmer verletzt werden ( - Rn. 14; - 2 AZR 583/12 - Rn. 26).
45bb) Mitarbeiter von Kreditinstituten iSv. § 1 Abs. 1 KWG sind nach § 241 Abs. 2 BGB verpflichtet, die im Geldwäschegesetz geregelten Pflichten, sonstige geldwäscherechtliche Pflichten und die bei ihrem Arbeitgeber eingeführten Strategien, Kontrollen und Verfahren zur Verhinderung von Geldwäsche sorgfältig zu beachten, Tatsachen nach § 43 Abs. 1 GwG ihrem Vorgesetzten oder - sofern ein solcher bestellt ist - dem Geldwäschebeauftragten zu melden, und sich weder aktiv noch passiv an zweifelhaften Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen zu beteiligen. Dies folgt aus der Pflicht der Kreditinstitute iSd. § 1 Abs. 1 KWG als Verpflichtete iSv. § 2 Abs. 1 Nr. 1 GwG gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 5 GwG (§ 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 GwG aF) die Mitarbeiter auf ihre Zuverlässigkeit iSv. § 1 Abs. 20 GwG (§ 9 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 GwG aF) zu überprüfen (vgl. BT-Drs. 17/6804 S. 34; - zu B I 2 b aa der Gründe). Ob sich diese Pflicht auf Mitarbeiter beschränkt, die befugt sind, bare oder unbare Transaktionen auszuführen, die mit der Anbahnung und Begründung von Geschäftsbeziehungen befasst sind oder die im Rahmen ihrer arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit sonst der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung Vorschub leisten können (so Schimansky/Bunte/Lwowski BankR-HdB/Walther 5. Aufl. § 42 Rn. 486; Warius in Herzog GwG 2. Aufl. § 9 Rn. 104), oder ob sie darüber hinausgehend alle Mitarbeiter betrifft (so Häberle in Erbs/Kohlhaas Strafrechtliche Nebengesetze Stand April 2018 § 6 GwG Rn. 5), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung. Sie erfasst jedenfalls Mitarbeiter, die - wie die Klägerin - als Kassiererin beschäftigt sind.
46cc) Als „zweifelhaft“ iSv. § 1 Abs. 20 Nr. 3 GwG sind Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen anzusehen, bei denen für den zuständigen Mitarbeiter eines Kreditinstituts iSv. § 1 Abs. 1 KWG aufgrund seines bankgeschäftlichen Verständnisses oder seines Erfahrungswissens ohne Weiteres, dh. ohne weitere Aufbereitung, Abklärung oder Anreicherung des Sachverhalts erkennbar ist, dass Abweichungen vom üblichen Geschäftsmuster oder Verhalten der am Vorgang Beteiligten (Kunden oder Dritte) vorliegen, ohne dass insoweit das Vorliegen eines strafprozessualen Anfangsverdachts erforderlich ist (vgl. zu § 25h Abs. 2 Satz 1 KWG aF Zeile 86d der Auslegungs- und Anwendungshinweise der Deutschen Kreditwirtschaft zur Verhinderung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung und „sonstigen strafbaren Handlungen“ Stand ; BFS-KWG/Achtelik 5. Aufl. § 25h Rn. 16).
47b) Danach ist nicht ausgeschlossen, dass die Klägerin durch wiederholte Bareinzahlungen iHv. mehr als 1.000,00 Euro auf die Konten ihrer Mutter und ihrer Tochter gegen ihre Pflicht nach § 241 Abs. 2 BGB verstoßen hat, sich weder aktiv noch passiv an zweifelhaften Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen zu beteiligen. Gleiches gölte, wenn sie die Einzahlungen bewusst in Teilbeträgen vorgenommen hätte, um die Meldepflicht zu vermeiden. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts setzt ein solcher Verstoß nicht den gegen die Klägerin gerichteten Verdacht einer Straftat voraus. Eine schwerwiegende Pflichtverletzung der Klägerin scheidet auch nicht allein deshalb aus, weil die Einzahlungen letztlich erst dadurch ermöglicht wurden, dass andere Beschäftigte der Beklagten ihrerseits aus Kollegialität oder Nachlässigkeit arbeitsvertragliche Pflichten verletzt haben. Sollte die Klägerin dies für ihr eigenes Vorgehen ausgenutzt haben, kann es sich im Gegenteil um ein das Gewicht ihrer Pflichtverletzung erschwerendes Moment handeln. Auch für diese Beurteilung bedarf es jedoch weiterer tatrichterlicher Feststellungen.
48IV. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stellt sich nicht iSd. § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig dar. Sie unterliegt daher der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann nach den vorstehenden Ausführungen auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen und der fehlenden tatrichterlichen Würdigung nicht beurteilen, ob die außerordentliche fristlose Kündigung oder die hilfsweise erklärte außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist das Arbeitsverhältnis der Parteien aufgelöst haben. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
491. Nach den bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dürfte die Beklagte die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt haben.
50a) Nach § 626 Abs. 2 BGB kann die außerordentliche Kündigung nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen. Die Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Dies ist der Fall, sobald er eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis der einschlägigen Tatsachen hat, die ihm die Entscheidung darüber ermöglicht, ob er das Arbeitsverhältnis fortsetzen soll oder nicht. Auch grob fahrlässige Unkenntnis setzt die Frist nicht in Gang. Zu den maßgebenden Tatsachen gehören sowohl die für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände ( - Rn. 43).
51aa) Der Kündigungsberechtigte, der gewisse Anhaltspunkte für einen Sachverhalt hat, der zur außerordentlichen Kündigung berechtigen könnte, kann nach pflichtgemäßem Ermessen weitere Ermittlungen anstellen und dazu auch den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen begänne. Dies gilt allerdings nur solange, wie er aus verständigen Gründen und mit der gebotenen Eile Ermittlungen durchführt, die ihm eine umfassende und zuverlässige Kenntnis des Kündigungssachverhalts verschaffen sollen. Soll der Kündigungsgegner angehört werden, muss dies innerhalb einer kurzen Frist erfolgen. Sie darf im Allgemeinen nicht mehr als eine Woche betragen und nur bei Vorliegen besonderer Umstände überschritten werden. Für die übrigen Ermittlungen gilt keine Regelfrist. Bei ihnen ist fallbezogen zu beurteilen, ob sie hinreichend zügig betrieben wurden ( - Rn. 54).
52bb) Steht im Raum, dass sich der Arbeitnehmer strafbar gemacht hat, darf der Arbeitgeber den Fort- und Ausgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und abhängig davon in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen ( - Rn. 44). Für die Wahl des Zeitpunkts bedarf es eines sachlichen Grundes. Wenn der Kündigungsberechtigte neue Tatsachen erfahren oder neue Beweismittel erlangt hat und nunmehr ausreichend Erkenntnisse für eine Kündigung zu haben glaubt, kann er dies zum Anlass für den Ausspruch einer Kündigung nehmen ( - Rn. 31).
53b) Danach spricht im Streitfall viel dafür, dass die Kündigungserklärungsfrist des § 626 Abs. 2 BGB gewahrt ist.
54aa) Die Beklagte durfte den Fortgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens abwarten. Sie musste den Sachverhalt - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht innerhalb von zwei Wochen nach dem selbst aufklären. Der Arbeitgeber ist in der Wahl seiner Mittel zur Aufklärung nicht beschränkt. Es steht ihm frei, eigene Ermittlungen anzustellen und/oder den Fort- oder Ausgang eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens abzuwarten (vgl. - Rn. 59).
55bb) Es ist nach den bisherigen Feststellungen nicht ausgeschlossen, dass sich die Beklagte im Verlauf des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung entschlossen hat. Nach ihrem Vorbringen hat sie die weitere Durchsuchung des Bankschließfachs der Klägerin am zum Anlass genommen, ihre Interne Revision mit einer Sonderprüfung zu beauftragen, in deren Rahmen die Konten der Klägerin und ihrer Angehörigen untersucht wurden. Der aufgrund dieser Sonderprüfung gefertigte Bericht gelangte zu dem Ergebnis, dass sehr wahrscheinlich die Klägerin die Geldlieferung entwendet habe. Er wurde dem Vorstand der Beklagten am vorgelegt. Die Beklagte lud die Klägerin daraufhin zur Anhörung am ein. Die Anhörung durfte sie nach dem Fortgang des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens und dem Bericht ihrer Internen Revision für erforderlich halten (vgl. - Rn. 45). Die Beklagte hat überdies vorgetragen, ihre Prozessbevollmächtigten hätten auf Antrag vom erst am Einsicht in die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft erhalten.
56cc) Hätte danach die Frist des § 626 Abs. 2 BGB nicht vor der Anhörung der Klägerin am zu laufen begonnen, wäre sie mit der der Klägerin am zugegangenen Kündigung gewahrt.
572. Nach den bislang getroffenen Feststellungen dürfte die Beklagte auch den bei ihr gebildeten Personalrat ordnungsgemäß nach § 74 Abs. 2 LPVG NRW angehört haben. Sie hat das Gremium mit Schreiben vom über die Gründe für die beabsichtigte Kündigung informiert und die Kündigung erst nach dessen Zustimmung ausgesprochen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2018:250418.U.2AZR611.17.0
Fundstelle(n):
BB 2018 S. 2355 Nr. 40
DB 2018 S. 2440 Nr. 40
DAAAG-95135