BFH Urteil v. - IX R 18/00

Mietvertrag zwischen Eltern und unterhaltsberechtigtem Kind

Gesetze: EStG § 21; AO § 42

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind im Streitjahr (1991) zusammen veranlagte Eheleute. Sie erwarben 1990 für 115 000 DM eine 54 qm große Eigentumswohnung in X, die sie ihrer dort seit dem Wintersemester 1990/91 studierenden Tochter ab vermieteten. Die monatliche Miete von 296 DM (plus 54 DM Nebenkosten) lag im Rahmen des Mietspiegels. Die Kläger erlaubten ihrer Tochter die Untervermietung. Die Tochter überwies die Miete monatlich bei Fälligkeit von ihrem Konto auf ein Konto der Kläger. Sie erhielt ihrerseits von den Klägern eine Studienbeihilfe in Höhe von 900 DM pro Monat und in einem Monat 1 100 DM. Die Großeltern unterstützten ihre Enkelin mit monatlichen Zahlungen von 400 DM.

Für das Streitjahr ermittelten die Kläger einen Werbungskostenüberschuss bei der Wohnung in Höhe von 10 623 DM. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erkannte das Mietverhältnis mit der Tochter nicht an und kürzte den Werbungskostenüberschuss entsprechend.

Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 433 veröffentlichten Teilurteil die hilfsweise geltend gemachte Steuerbegünstigung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 5 557 DM und wies die Klage im Übrigen als unbegründet zurück. Es bewertete den Mietvertrag als Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977). Überdies fehle den Klägern die Einkünfteerzielungsabsicht. Dies ergebe sich aus den hohen Werbungskostenüberschüssen sowie einer Miete, die nur am unteren Rand des Mietspiegels liege.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf die Verletzung materiellen Rechts stützen. Das FG habe außer Acht gelassen, dass die Tochter über eigene Einkünfte verfügt habe, die sie in die Lage versetzt hätten, ihre Mietverpflichtung aus dem Vertrag zu erfüllen. Die Einkünfteezielungsabsicht der Kläger sei zu bejahen. Es liege bei der hier vorliegenden langfristigen Vermietung kein Fall vor, der eine Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erfordere.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben, den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zu ändern und die Einkommensteuer 1991 unter Berücksichtigung von negativen Einkünften aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von 10 623 DM neu festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Zur Begründung führt es aus, gegen die Einkünfteerzielungsabsicht spreche, dass die Kläger die Wohnung allein aus privater Veranlassung angeschafft und diese unter Marktpreis vermietet hätten. Dabei hätten sie wegen der vollständigen Finanzierung des Kaufpreises und der eingeräumten Untervermietungsmöglichkeit in Kauf genommen, keine positiven Ergebnisse zu erzielen.

Das FG hat am ein Schlussurteil erlassen, gegen das keine Revision eingelegt wurde. Das FA hat daraufhin am einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr erlassen.

II. 1. Die Revision ist statthaft.

Der Senat darf nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen für ein Teilurteil nach § 98 der Finanzgerichtsordnung (FGO) (Teilbarkeit des Streitgegenstandes) überhaupt vorgelegen haben; denn das FG hat am ein Schlussurteil erlassen, das rechtskräftig geworden ist. Mit diesem Urteil, das selbst ein Teilurteil nach § 98 FGO ist (vgl. Jauernig in 50 Jahre Bundesgerichtshof, Festgabe aus der Wissenschaft, Band 3, 2000, S. 311, 327), hat das FG für den Bundesfinanzhof (BFH) bindend den Rechtsstreit in zwei selbständige Verfahren getrennt (vgl. dazu Bundesgerichtshof —, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 1977, 1152; Musielak in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung, 2. Aufl. 2000, § 301 Rz. 14, m.w.N.) und über den ausgeurteilten Teil mit Rechtskraft entschieden. Hieraus folgt, dass sich der BFH mit diesem Teil nicht befassen darf (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 98 Rz. 3 a.E.) und damit nur der noch nicht rechtskräftig gewordene Teil Gegenstand des Revisionsverfahrens sein kann. Weil nach dem Erlass des Teilurteils zwei getrennte Verfahren vorhanden sind, wie wenn von vornherein zwei Klagen erhoben worden wären (vgl. dazu auch , NJW 1996, 1060, 1062, unter II. 4. b), darf der Senat, um einander widersprechende Entscheidungen zu vermeiden, die Frage der Teilbarkeit nach dem rechtskräftigen Schlussurteil nicht mehr prüfen (vgl. dazu auch , NJW 1992, 511, m.w.N.).

2. Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO zur Stattgabe der Klage. Unzutreffend hat das FG den Mietvertrag der Kläger mit ihrer Tochter steuerrechtlich nicht anerkannt.

a) Der Mietvertrag ist nicht deshalb rechtsmissbräuchlich i.S. des § 42 AO 1977, weil Eltern ihrem unterhaltsberechtigten Kind eine ihnen gehörende Wohnung vermieten, und zwar selbst dann nicht, wenn das Kind die Miete durch Verrechnung mit dem Barunterhalt der Eltern zahlt. Die Entscheidung der Eltern für Barunterhalt (§ 1612 Abs. 2 des Bürgerlichen GesetzbuchesBGB—) ist der Besteuerung zugrunde zu legen (vgl. im Einzelnen , BFHE 190, 169, BStBl II 2000, 223, und IX R 39/99, BFHE 190, 173, BStBl II 2000, 224).

b) Die Vorinstanz hat auch unzutreffend die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger verneint.

Nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG ist bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften; die Einkünfteerzielungsabsicht kann insoweit nur in Ausnahmefällen verneint werden (, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771). Eine Vermietungstätigkeit ist auf Dauer angelegt, wenn sie nach den bei Beginn der Vermietung ersichtlichen Umständen keiner Befristung unterliegt (, BFH/NV 2002, 1392). Hat der Steuerpflichtige den Entschluss, auf Dauer zu vermieten, endgültig gefasst, gelten die Grundsätze des BFH-Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771 auch dann, wenn er nach dem Beginn seiner Vermietungstätigkeit die Wohnung auf Grund eines neu gefassten Entschlusses veräußert (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1392).

Nach diesen Grundsätzen musste das FG ohne weitere Prüfung von der Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger ausgehen; denn diese haben die Wohnung unbefristet an ihre Tochter vermietet. Der Verkauf der Wohnung Ende 1994 ist kein Beweisanzeichen, das gegen die Einkünfteerzielungsabsicht spricht. Zwar hat der Senat ein derartiges Indiz angenommen, wenn der Steuerpflichtige die Wohnung innerhalb eines zeitlichen Zusammenhangs von in der Regel bis zu fünf Jahren seit der Anschaffung wieder veräußert (BFH-Urteil in BFH/NV 2002, 1392). Das gilt aber nicht, wenn die Veräußerung —wie hier— auf einem neu gefassten Entschluss beruht. Die Kläger haben die Wohnung nach den gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen auf Grund ihrer Trennung im August 1994 veräußert.

Gegen die Einkünfteerzielungsabsicht spricht entgegen der Auffassung des FG auch nicht die hohe Fremdfinanzierungsquote in Verbindung mit der verbilligten Vermietung. Zwar hat der BFH in seinem Urteil vom (IX R 48/01, BFH/NV 2003, 253) bei einer verbilligten Vermietung im Rahmen des § 21 Abs. 2 Satz 2 EStG unter gewissen Voraussetzungen ein Beweisanzeichen gesehen, das gegen die Absicht spricht, auf Dauer Überschüsse zu erwirtschaften. Das setzt aber zunächst voraus, dass die vereinbarte Miete von der ortsüblichen Marktmiete abweicht. So verhält es sich im Streitfall allerdings nicht; denn nach den Feststellungen des FG, die den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO binden, lag die von den Klägern mit ihrer Tochter vereinbarte Miete noch im Rahmen des Mietspiegels und entsprach damit der ortsüblichen Marktmiete, so dass von einer verbilligten Miete nicht ausgegangen werden kann.

Auch die Untervermietung der Wohnung durch die Tochter ist entgegen der Auffassung der Vorinstanz kein gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechendes Beweisanzeichen. Abgesehen davon, dass die Tochter im Streitjahr von ihrem im Mietvertrag eingeräumten Recht noch gar keinen Gebrauch gemacht hatte, ist allein die Erlaubnis zur Gebrauchsüberlassung an Dritte gemäß § 549 BGB kein Umstand, der gegen die Einkünfteerzielungsabsicht spricht.

3. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Der im Übrigen nicht streitige Werbungskostenüberschuss in Höhe von 10 623 DM ist bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen und die vom FG wie Sonderausgaben abgezogene Steuervergünstigung nach § 10e EStG in Höhe von 5 557 DM wieder hinzuzurechnen. Da die Ermittlung der festzusetzenden Einkommensteuer einen nicht unerheblichen Aufwand erfordert, überträgt der Senat die Errechnung der Steuer auf das FA nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO i.V.m. § 121 FGO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 749
BFH/NV 2003 S. 749 Nr. 6
AAAAA-71547