Vorliegen einer sonstigen Leistung bei Hinnahme der baurechtswidrigen Baumaßnahme durch den Nachbarn gegen Entgelt
Gesetze: EStG § 22 Nr. 3
Gründe
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eigentümer eines Einfamilienhauses, das sie selbst bewohnen. Hinter diesem Haus errichtete eine Nachbarin ein viergeschossiges Mehrfamilienhaus, obschon nach dem Bebauungsplan in die Richtung des klägerischen Hauses nur dreigeschossig gebaut werden durfte. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren schlossen die Kläger mit ihrer Nachbarin vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) einen Vergleich, wonach im vierten Geschoss in Richtung auf das Grundstück der Kläger keine Fenster ausgeführt werden durften.
Die Nachbarin missachtete diesen Vergleich und errichtete Fenster und Balkone auch im vierten Geschoss. Die Kläger betrieben daraufhin mit Erfolg die Vollstreckung aus dem Vergleich. Auf Grund rechtskräftiger Entscheidungen des Verwaltungsgerichts und des OVG waren die Kläger ermächtigt, auf Kosten ihrer Nachbarin sämtliche im vierten Geschoss mit Blickrichtung auf ihr Grundstück ausgebauten Fenster und Balkone zumauern zu lassen. Die Nachbarin bemühte sich anschließend um eine finanzielle Regelung, um das Zumauern der Fenster zu verhindern. In einem im Streitjahr (1996) abgeschlossenen Vertrag (Vergleich) verzichteten die Kläger gegen Zahlung von 125 000 DM auf ihre Rechte aus dem gerichtlichen Vergleich und auf weitere Vollstreckungsmaßnahmen. Der Betrag wurde noch im Streitjahr ausgezahlt.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) unterwarf die Abfindungszahlung der Einkommensteuer. Auch das nach erfolglosem Einspruch angerufene Finanzgericht (FG) bewertete diese Zahlung in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1090 veröffentlichtem Urteil als steuerbare Einkünfte aus Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde beantragen die Kläger, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen einer Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind nicht erfüllt.
1. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).
Die als klärungsbedürftig aufgeworfene Rechtsfrage, ob die durch verwaltungsgerichtlichen Vergleich abgesicherte Nichteinsehbarkeit eines Grundstücks ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut im Sinne einer abtrennbaren Rechtsposition ist, bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, weil sie aufgrund der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu verneinen ist.
Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Unterlassen oder Dulden, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und das um des Entgelts willen erbracht wird; ausgenommen sind Veräußerungsvorgänge oder veräußerungsähnliche Vorgänge im privaten Bereich, bei denen ein Entgelt dafür erbracht wird, dass ein Vermögensgegenstand in seiner Substanz endgültig aufgegeben wird (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFHE 194, 178, BStBl II 2001, 391).
Die Kläger haben nicht gegen Entgelt auf einen selbständig zu beurteilenden Vermögenswert verzichtet. Die ”Nichteinsehbarkeit ihres Grundstücks” ist kein eigenständiges Wirtschaftsgut, sondern Ausfluss der Eigentümerposition, mit der es untrennbar verbunden ist. Sie beruht als subjektives öffentliches Recht auf dem Bebauungsplan, der bei der dem Grundstück der Kläger zugewandten Seite des Mehrfamilienhauses lediglich eine dreigeschossige Bauweise vorsah. Gegenstand des Vertrages ist der freiwillige Verzicht der Kläger auf die Ausübung der ihnen zustehenden Nachbarrechte. In der Hinnahme der (viergeschossigen) Bauausführung des Mehrfamilienhauses gegen Entgelt liegt ein ”Dulden” und damit eine bestimmte Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass das Entgelt der Wertminderung entsprechen sollte, die das Grundstück der Kläger durch die Art der Bebauung des Nachbargrundstücks erfuhr, wurde nicht eine Substanzübertragung des Grundstücks abgegolten, sondern die Wertminderung dieses Grundstücks war die Bemessungsgrundlage für den Wert der Leistung der Kläger (vgl. , BFHE 138, 177, BStBl II 1983, 404).
Dementsprechend wurden auch der entgeltliche Verzicht auf die Einhaltung eines Grenzabstands bei der Bebauung eines angrenzenden Grundstücks (, BFHE 120, 180, BStBl II 1977, 26), der Ausgleich von Beeinträchtigungen durch eine beabsichtigte Bebauung (, nicht veröffentlicht —NV— Juris-Dokument STRE845025960) und der Verzicht auf den Widerspruch gegen Immissionen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen (, NV) als nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar beurteilt (vgl. eingehend dazu auch , BFHE 175, 362, BStBl II 1995, 57).
2. Die Revision ist auch nicht nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Die Vorentscheidung weicht entgegen der Auffassung der Kläger nicht von dem BFH-Urteil in BFHE 194, 178, BStBl II 2001, 391 ab. Denn anders als im Streitfall war dort der Steuerpflichtige als Grundstückseigentümer Inhaber eines dinglichen Rechts an dem Nachbargrundstück.
3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 116 Abs. 5 Satz 2, 2. Halbsatz FGO ab.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 41
BFH/NV 2004 S. 41 Nr. 1
FAAAA-71515