Haftungsbescheid nach § 71 AO gegen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wegen Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung einer
GmbH als Mandantin: keine Nichtigkeit wegen Übernahme der Ermittlungsergebnisse einer anderen Behörde
vollendete Steuerhinterziehung bei Umsatzsteuervoranmeldungen
Beihilfe des Beraters im Hinblick auf eine von einem Mitarbeiter erstellte Voranmeldung
Beihilfe durch bewusste und mit unwahren Angaben erreichte Verzögerung einer Anschluss-Umsatzsteuersonderprüfung
keine Bindung an strafrechtliche Beurteilung der Beihilfe
1. Der Haftungsbescheid, der gegen einen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer wegen Beihilfe zu einer vorsätzlich begangenen
Umsatzsteuerhinterziehung einer Mandantin ergangen ist, ist nicht unter dem Gesichtspunkt nichtig, dass die Finanzbehörde
ihre Entscheidung auf Ermittlungsergebnisse einer anderen Finanzbehörde (z. B. der Steuerfahndung) gestützt hat. Die Ermittlungsergebnisse
der anderen Behörde müssen lediglich in sich nachvollziehbar sein und erkennen lassen, worauf sie im Einzelnen beruhen. Keineswegs
muss eine Finanzbehörde, die die Ermittlungsergebnisse in einem eigenen Bescheid umsetzen will, eine vorangegangene Ermittlung
selbst in allen Einzelheiten wiederholen.
2. Eine Nichtigkeit des Haftungsbescheids lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass die Existenz des Haftungsbescheids
später – sei es auch unter der (unterstellten) Verletzung des Steuergeheimnisses – einem Dritten bekannt gegeben wird.
3. Voraussetzung für eine auf § 71 AO gestützte Haftungsinanspruchnahme des Teilnehmers an einer Steuerstraftat ist die Feststellung,
dass eine vorsätzliche Steuerhinterziehung vorliegt, die tatbestandsmäßig, rechtswidrig und vorsätzlich schuldhaft verwirklicht
worden ist. Das Delikt muss vollendet sein; ein bloßer Versuch begründet mangels eines Haftungsschadens keine Haftung nach
§ 71 AO.
4. Bei sog. Anmeldesteuern wie z. B. Umsatzsteuervoranmeldungen ist eine Steuerhinterziehung durch aktives Tun i. S. v. §
370 Abs. 1 Nr. 1 AO bereits in dem Zeitpunkt vollendet, in dem die betreffende Umsatzsteuervoranmeldung mit unrichtigen Angaben
zu den Besteuerungsgrundlagen beim FA eingereicht wird, es sei denn, dass sich aus der eingereichten Umsatzsteuervoranmeldung
ein Anspruch auf Auszahlung von Umsatzsteuer ergibt und deshalb nach dem Gesetz (§ 168 S. 2 AO) die Gleichsetzung der eingereichten
Umsatzsteuervoranmeldung mit einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung erst in dem Zeitpunkt eintritt, in
dem das Finanzamt der eingereichten Steueranmeldung ausdrücklich zugestimmt hat.
5. Ein professionell Handelnder wie ein Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer darf wegen der „beruflichen Normalität” seines
Handelns auf die Legalität des fremden Tuns seiner Mandanten vertrauen, es sei denn, das von dem Berater erkannte Risiko strafbaren
Verhaltens des von ihm Unterstützten ist derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung „die Förderung eines erkennbar
tatgeneigten Täters angelegen sein lässt” (vgl. , und v. , 5 StR 489/02, sowie
umfangreiche Nachweise aus der BGH-Rspr. zum Begriff der „Beihilfe” i. S. d. § 27 StGB). Insoweit kommt es bei der Erstellung
von Umsatzsteuervoranmeldungen nicht maßgeblich darauf an, ob der Steuerberater/Wirtschaftsprüfer die Voranmeldungen eigenhändig
erstellt und an das FA abgesandt hat oder ob er lediglich den üblichen Ablauf der Erstellung der Voranmeldungen durch einen
ahnungslosen Mitarbeiter hat wissentlich geschehen lassen.
6. Hat ein Wirtschaftsprüfer und Steuerberater mit seiner Kanzlei Umsatzsteuervoranmeldungen für eine GmbH erstellt, deren
Geschäftsführer durch vorsätzliche Angabe zu hoher Vorsteuerbeträge Umsatzsteuer hinterzogen hat, so hat der Steuerberater
vorsätzlich Beihilfe geleistet, wenn er u.a. nach Aufdeckung der Steuerhinterziehung durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung
die sofortige Durchführung einer die Folgezeiträume betreffenden Anschlussprüfung durch bewusst wahrheitswidrige Erklärungen
gegenüber dem FA verhindert und es damit dem Geschäftsführer der GmbH als dem Haupttäter zugleich ermöglicht hat, die zunächst
in der Buchführung erfassten fingierten Eingangsrechnungen eines vermeintlichen Lieferanten durch solche eines anderen Lieferanten
zu ersetzen, und wenn er seinen Mitarbeiter angewiesen hat, die diesem von dem Geschäftsführer übergebenen „Austauschrechnungen”
des „neuen” Lieferanten in die Buchführung der GmbH zu übernehmen und dabei den Austausch nicht durch eine offene Korrektur,
sondern unter Verstoß gegen die Vorschrift des § 146 Abs. 4 AO so vorzunehmen, dass die ursprünglichen Buchungsunterlagen
(Rechnungen des „alten” Lieferanten) später nicht mehr erkennbar waren, und wenn er zu seiner eigenen Entlastung zudem später
noch durch nachweislich nachträglich erstellte und rückdatierte Schreiben den Inhalt der Mandantenakte der GmbH bewusst verfälscht
hat.
7. Das FG darf im Rahmen seiner eigenen Überzeugungsbildung auch dann von einer Beihilfe des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters
zur Steuerhinterziehung ausgehen, wenn die Staatsanwaltschaft das diesbezügliche Strafverfahren eingestellt hat.
8. In § 71 AO sind die haftungsrelevanten Vermögensgegenstände abschließend aufgezählt; Säumniszuschläge gehören unstreitig
nicht dazu (vgl. ).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n): AO-StB 2019 S. 150 Nr. 5 EFG 2018 S. 1765 Nr. 21 GStB 2019 S. 193 Nr. 6 StB 2019 S. 67 Nr. 3 wistra 2019 S. 80 Nr. 2 QAAAG-94351
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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 06.03.2018 - 9 K 9306/12
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