BGH Beschluss v. - 4 StR 100/18

Strafzumessung bei Inverkehrbringen von Betäubungsmitteln

Gesetze: § 29 BtMG, § 29a BtMG, § 30a BtMG, § 46 Abs 3 StGB

Instanzenzug: LG Zweibrücken Az: 4152 Js 6021/16 - 1 KLs

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Fall 26) sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 25 Fällen (Fälle 1-25) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und die Einziehung des Wertes des Tatertrages i. H. v. „232.00,00 €“ angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat zum Rechtsfolgenausspruch den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

2Nach den Feststellungen des Landgerichts entschloss sich der Angeklagte, Rauschgift zu erwerben, um dieses gewinnbringend weiterzuveräußern. Aus diesem Grunde kaufte er zwischen Anfang des Jahres 2014 und Juli 2016 in fünfzehn Fällen jeweils ein Kilogramm Haschisch und in zehn Fällen jeweils ein Kilogramm Amphetamin an (Fälle 1 bis 25). Zuletzt - im August 2016 - erwarb er zeitgleich ein Kilogramm Haschisch und ein Kilogramm Amphetamin, das er in der Nähe einer scharfen Schusswaffe in seiner Wohnung aufbewahrte (Fall 26). Feststellungen zum Wirkstoffgehalt der Rauschmittel hat das Landgericht lediglich hinsichtlich des letztgenannten Falles für eine - in Bezug auf den Wirkstoffgehalt den Grenzwert zur nicht geringen Menge bereits überschreitende - Teilmenge getroffen. Im Übrigen hat es die Betäubungsmittel als von überdurchschnittlicher bzw. besonders guter Qualität beschrieben.

II.

31. Die Verfahrensrüge dringt aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen nicht durch.

42. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Unter den hier gegebenen Umständen, insbesondere mit Blick auf die jeweiligen Handelsmengen und die pauschale Qualitätsbeschreibung, tragen die Feststellungen den Schluss, dass der Angeklagte in den Fällen 1 bis 25 mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel trieb, auch wenn es die Strafkammer versäumt hat, den Wirkstoffgehalt und die Wirkstoffmenge der jeweils gehandelten Drogen unter Berücksichtigung anderer sicher feststellbarer Umstände (Herkunft, Preis, Handelsstufe, Begutachtungen in Parallelverfahren etc.), notfalls durch Schätzung unter Anwendung des Zweifelssatzes (vgl. , StV 2017, 293 f.; Beschluss vom - 4 StR 517/11, NStZ 2012, 339 jew. mwN), zu bestimmen.

53. Der Strafausspruch hat hingegen insgesamt keinen Bestand.

6a) Die in den Fällen 1 bis 25 verhängten Einzelstrafen können bereits deshalb nicht bestehen bleiben, weil der Schuldgehalt dieser Taten mangels ausreichender Feststellungen zu den hierfür maßgeblichen Wirkstoffgehalten und Wirkstoffmengen der gehandelten Betäubungsmittel nicht belegt ist (vgl. , NStZ 2012, 339; Beschluss vom - 4 StR 202/00, StV 2000, 613). Die Bezeichnung der gehandelten Betäubungsmittel als von überdurchschnittlicher bzw. besonders guter Qualität ist insoweit nicht hinreichend aussagekräftig, weil sich der erforderliche Bezugsrahmen, der die Ableitung eines bestimmten Mindestwirkstoffanteils zweifelsfrei ermöglichen würde, weder aus den Urteilsgründen noch aus allgemeinem Erfahrungswissen ergibt (vgl. , NStZ 2012, 339).

7b) Die in sämtlichen abgeurteilten Fällen verhängten Einzelstrafen unterliegen aber auch deshalb der Aufhebung, weil das Landgericht sowohl bei Ablehnung der Annahme minder schwerer Fälle im Sinne von § 30a Abs. 3 und § 29a Abs. 2 BtMG als auch bei der anschließenden konkreten Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten Erwägungen in die Abwägung eingestellt hat, die rechtlicher Nachprüfung nicht standhalten.

8Der Senat tritt insoweit dem Generalbundesanwalt bei, der in seiner Antragsschrift vom hierzu u. a. das Folgende ausgeführt hat:

„Bei der Bemessung der Einzelstrafen nach § 29a BtMG und § 30a BtMG wie auch der Gesamtstrafe hat das Landgericht straferschwerend berücksichtigt, der Angeklagte habe nicht ‚unter erheblicher wirtschaftlicher Not‘ gelitten, sondern ‚bewusst‘ Handel mit Betäubungsmitteln betrieben, um sich ‚neben seinem Kleingewerbe eine dauerhafte Einnahmequelle zu schaffen‘ (UA S. 18). Diese Formulierungen lassen besorgen, dass die Kammer entgegen § 46 Abs. 3 StGB mit dem Gewinnstreben einen bereits zum Tatbestand des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gehörenden Umstand verwertet hat (vgl. Senat, Beschluss vom - 4 StR 393/17; Beschluss vom - 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271; , NStZ-RR 2017, 147; Urteil vom - 2 StR 355/15; Beschluss vom - 2 StR 616/13, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 7). Jedenfalls hat das Landgericht hiermit das Fehlen möglicher Strafmilderungsgründe zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt (vgl. Senat, Beschluss vom - 4 StR 532/10, NStZ-RR 2011, 271).

Straferschwerend hat das Landgericht weiter bewertet, es seien erhebliche Mengen von Betäubungsmitteln vollständig in den Verkehr gelangt (UA S. 18). Bei dem Umstand, dass die Betäubungsmittel in den illegalen Verkehr gelangt sind und nicht sichergestellt werden konnten, handelt es sich allerdings um den Normalfall des Handeltreibens. Die Tatsache, dass verkauftes Rauschgift in den Verkehr gelangt, ist deshalb kein Strafschärfungsgrund (vgl. Rn. 8; Beschluss vom - 2 StR 47/93). Auch damit hat das Landgericht das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes rechtsfehlerhaft strafschärfend gewertet.“

9c) Die Aufhebung sämtlicher Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

104. Aus der Erörterung der Einziehungsentscheidung ist zu entnehmen, dass der Wert des einzuziehenden Tatertrages 232.000,00 € beträgt. Soweit dieser Betrag im Tenor des angefochtenen Urteils fälschlich mit „232.00,00 EUR“ angegeben worden ist, handelt es sich um einen Schreibfehler, der sich ohne Weiteres aus den Tatsachen ergibt, die für alle Verfahrensbeteiligten klar zutage liegen und jeden Verdacht einer späteren sachlichen Änderung ausschließen (vgl. , BGHSt 25, 333, 336; Beschluss vom - 4 StR 558/06, NStZ-RR 2007, 236 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl., § 268 Rn. 10 mwN). Der Senat hat die im Tenor des angefochtenen Urteils aufgetretene offensichtliche Unrichtigkeit entsprechend berichtigt.

115. Der neue Tatrichter wird Gelegenheit haben, bei der Erörterung des Strafausspruchs auf die Einhaltung der zutreffenden Prüfungsreihenfolge von minder schwerem Fall und vertyptem Strafmilderungsgrund (vgl. , StV 2015, 549 f.; Fischer, StGB, 65. Aufl., § 50 Rn. 3 f. jew. mwN) Bedacht zu nehmen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2018:220518B4STR100.18.0

Fundstelle(n):
VAAAG-94089