Gründe
I. Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betreibt ein Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG). In diesem Verfahren wird er von Rechtsanwalt W und von einer Steuerberatungsgesellschaft (S) vertreten. Im Verlauf dieses Klageverfahrens stellten die Prozessbevollmächtigten des Antragstellers beim FG den Antrag, in Abweichung von den Aussetzungsverfügungen des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—), die Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ohne Sicherheitsleistung anzuordnen. Das FG forderte S mit Schreiben vom auf, innerhalb von drei Wochen verschiedene Unterlagen vorzulegen. Hierbei verlangte es die Vorlage bestimmter Unterlagen nur für den Fall, dass der Aussetzungsantrag nicht eingeschränkt werde.
Mit Schreiben vom reichte W einen Teil der erbetenen Unterlagen ein. Zugleich kündigte er an, zur Beschränkung des Antrags werde in Kürze Stellung genommen. Auch würden die ggf. vorzulegenden Unterlagen mit eingereicht werden. Auch regte W an, auf die Vorlage von zwei zivilgerichtlichen Urteilen zu verzichten und stattdessen die Gerichtsakten beizuziehen.
In den folgenden Wochen ging kein weiteres Schreiben des Antragstellers ein.
Durch Beschluss vom lehnte das FG den Aussetzungsantrag ab. Gegen diesen Beschluss legte der Antragsteller Beschwerde, hilfsweise jeden anderen zulässigen Rechtsbehelf und wiederum hilfsweise gegen die Nichtzulassung der Beschwerde in dem Beschluss Beschwerde ein.
Mit seinem Rechtsbehelf macht er unter Bezugnahme auf einen beigefügten Schriftsatz nebst Anlagen geltend, das FG habe ihm nicht in hinreichender Weise rechtliches Gehör gewährt. Das FG habe seine Entscheidung getroffen, ohne vorher nachzufragen, ob noch weitere Unterlagen eingereicht würden. Eine solche Nachfrage sei deshalb geboten gewesen, weil in dem Schreiben vom auch Vorgänge aus lange zurückliegender Zeit angefordert worden seien. Die zuständige Richterin habe in einem am geführten Telefonat bekundet, dass die angeforderten Unterlagen auch nachgereicht werden könnten. Auf seine Anregung, Gerichtsakten beizuziehen, habe er keine Antwort erhalten. Auch habe sich das Gericht mit seinem Schreiben vom , entgegen der im Klageverfahren geäußerten Bitte, Schriftverkehr an W zu übersenden, an S gewandt.
Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Es hat in seinem Beschluss vom die Beschwerde zugleich als Antrag auf Änderung des Beschlusses vom und als erneuten Aussetzungsantrag gewertet und diese Anträge abgelehnt. Auch hat das FG die Beschwerde zudem als Gegenvorstellung gewertet und behandelt.
II. Die Beschwerde ist nicht statthaft.
1. Gegen die Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 und 5 der Finanzgerichtsordnung (FGO) steht den Beteiligten die Beschwerde nur zu, wenn sie vom FG zugelassen worden ist.
2. Hat das FG —wie im Streitfall— die Beschwerde nicht zugelassen, dann kann auch eine Zulassung der Beschwerde durch den Bundesfinanzhof (BFH) nicht erreicht werden. Soweit § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO die entsprechende Anwendung von § 115 Abs. 2 FGO anordnet, legt diese Regelung nur fest, unter welchen Voraussetzungen das FG die Beschwerde zuzulassen hat. Wird sie vom FG nicht zugelassen, wird diese Entscheidung vom BFH nicht überprüft (, BFH/NV 2002, 923).
3. Die Beschwerde ist auch nicht als außerordentliche Beschwerde wegen sog. ”greifbarer Gesetzwidrigkeit” statthaft.
a) Die Rechtsprechung hat die Statthaftigkeit einer solchen außerordentlichen Beschwerde bisher in Ausnahmefällen in Erwägung gezogen, nämlich dann, wenn die erstinstanzliche Entscheidung jeglicher Grundlage entbehrt und sie damit eine nicht hinnehmbare Gesetzeswidrigkeit zur Folge hat. Eine solche greifbare Gesetzeswidrigkeit war anzunehmen, wenn die erstinstanzliche Entscheidung unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 923, m.w.N.).
b) Ob der BFH seit dem mit einer solchen außerordentlichen Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit noch befasst werden kann, ist fraglich.
Der Gesetzgeber hat nämlich mit der Einführung von § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) mit Wirkung ab dem Jahr 2002 durch das Zivilprozessreformgesetz vom (BGBl I 2001, 1887) vorgeschrieben, dass die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör dann bei dem Gericht anzubringen ist, das diesen angeblichen Verfahrensmangel begangen hat, wenn gegen dessen Urteil ein Rechtsmittel nicht gegeben ist. Erweist sich die Rüge als begründet, ist nach § 321a Abs. 5 ZPO der Prozess fortzuführen.
Aus dieser Vorschrift wird hergeleitet, dass eine außerordentliche Beschwerde auch gegen unanfechtbare Beschlüsse nicht mehr in Betracht kommt. Auch soll ein solches außerordentliches Rechtsmittel dann nicht gegeben sein, wenn vorgetragen wird, die nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung entbehre jeder gesetzlichen Grundlage und sei inhaltlich dem Gesetz fremd (, BGHZ 150, 133; Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts —BVerwG—vom 6 B 28, 29.02, DVBl 2002, 1055; Müller, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2002, 2743). Aus § 321a ZPO ergebe sich nämlich die Wertung des Gesetzgebers, dass dasjenige Gericht ggf. für Abhilfe zu sorgen habe, dem der Fehler unterlaufen sei.
c) Ob § 321a ZPO gemäß § 155 FGO sinngemäß für das finanzgerichtliche Verfahren anwendbar ist und deshalb auch in diesem Verfahren seit dem Jahr 2002 eine außerordentliche Beschwerde nicht mehr möglich ist (Lange, Der Betrieb —DB— 2002, 2396), kann im Streitfall jedoch offen bleiben (ebenso , juris). Der Antragsteller hat nämlich bereits nicht schlüssig und substantiiert gerügt, die Entscheidung des FG sei mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar.
Die vom Antragsteller erhobene Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör begründet nach der ständigen Rechtsprechung regelmäßig keine ”greifbare Gesetzeswidrigkeit” (, BFH/NV 2002, 926, m.w.N.). In Fällen der Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch das FG fehlt für eine solche außerordentliche Beschwerde überdies das Rechtsschutzbedürfnis. Der Verfahrensfehler der Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nämlich, wenn er tatsächlich vorliegt —was aber im Streitfall ersichtlich nicht der Fall ist—, vom FG auf Grund eines Antrags gemäß § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO geheilt werden (BFH-Beschlüsse vom I B 119/99, BFH/NV 2000, 858, und vom X B 158/01, BFH/NV 2002, 930).
Dementsprechend hat das FG das Vorbringen des Antragstellers in dessen Beschwerdeschrift im Rahmen der Prüfung eines solchen Antrags nach § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO auch gewürdigt.
Die weitere Rüge des Antragstellers, das FG habe sein Schreiben vom an seinen Bevollmächtigten W und nicht an S übersandt, enthält schon deshalb nicht die schlüssige Rüge eines schwerwiegenden Verfahrensmangels, weil S, wenn auch nicht unmittelbar durch das FG, das Schreiben tatsächlich erhalten hat. Auch ist es grundsätzlich ausreichend, gerichtliche Schreiben an einen Prozessbevollmächtigten zu übersenden, wenn mehrere Bevollmächtigte bestellt sind (, BFH/NV 1999, 191; Spindler in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 62 FGO Rz. 131, 134).
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 489
BFH/NV 2003 S. 489 Nr. 4
OAAAA-71204