BFH Beschluss v. - VII S 20/02

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt für die Erhebung einer außerordentlichen Beschwerde gegen den Beschluss des FG, mit dem die Erinnerung gegen den Kostenansatz der rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren als unbegründet zurückgewiesen worden ist, die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung eines Notanwalts.

Zur Begründung der Beschwerde führt die Antragstellerin im Wesentlichen aus, Gerichtskosten seien gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) nicht zu erheben, da die Klagen aus sachfremden Erwägungen abgewiesen worden seien. Bei korrekter und objektiver Sachbehandlung wären die Klagen positiv beschieden worden und keine Gerichtskosten angefallen. Das Finanzamt (FA) und das FG hätten gegen Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) verstoßen, da sie sich nicht Recht und Gesetz unterworfen hätten. Der ablehnende Beschluss über die Erinnerung sei unter Verstoß gegen § 96 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und Art. 101 Abs. 2 GG erwirkt worden. Ein zuvor gegen zwei der mitwirkenden Richter des Senats gestelltes Ablehnungsgesuch wegen Besorgnis der Befangenheit sei nicht beschieden worden. Es liege ein Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG vor, weil das FG einen unanfechtbaren Beschluss gefasst habe, um die Beschreitung des weiteren Rechtswegs unmöglich zu machen. Ihr Vertrauen in die Rechtsprechung sei durch das Vorgehen des FG schwer beschädigt worden. Es lägen zudem Verstöße gegen Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1, Art. 103 Abs. 1 GG vor.

Zur Begründung des Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts trägt die Antragstellerin vor, sechs namentlich genannte Rechtsanwälte bzw. Steuerberater hätten die Bearbeitung ihrer Angelegenheit abgelehnt. Die zuletzt von ihr beauftragte Rechtsanwältin hätte sich wegen Betruges und Beihilfe zur Rechtsbeugung zu verantworten.

II. Sowohl der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts als auch der Antrag auf Gewährung von PKH ist unbegründet.

1. Nach § 155 FGO i.V.m. § 78b der Zivilprozessordnung (ZPO) hat das Prozessgericht einem Beteiligten auf seinen Antrag für den Rechtszug einen Rechtsanwalt zur Wahrnehmung seiner Rechte beizuordnen, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, der Beteiligte einen zu seiner Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint (sog. Notanwalt). Diese Regelung findet für Verfahren vor dem Bundesfinanzhof (BFH) Anwendung, soweit dort Vertretungszwang nach § 62a FGO besteht.

a) Für die Erhebung der von der Antragstellerin beabsichtigten außerordentlichen Beschwerde besteht Vertretungszwang vor dem BFH. Die von der Antragstellerin persönlich erhobene Beschwerde hat der Senat deshalb mit Beschluss vom heutigen Tag als unzulässig verworfen. Das Gesuch auf Beiordnung eines Notanwalts ist daher statthaft.

b) Das Gesuch ist jedoch unbegründet, weil die Rechtsverfolgung aussichtslos erscheint.

Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3 GKG findet eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof —hier den BFH— in Streitigkeiten über Kosten nicht statt.

Die Beschwerde ist im Streitfall auch nicht, wie begehrt, als außerordentliche Beschwerde wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit statthaft. Eine solche Beschwerde ist zwar in der FGO nicht vorgesehen, ist aber in der bisherigen Rechtsprechung des BFH ausnahmsweise in Fällen, in denen ein Beschluss kraft Gesetzes unanfechtbar ist, dann für zulässig erachtet worden, wenn der Beschluss unter schwerwiegender Verletzung von Verfahrensvorschriften zustande gekommen ist oder auf einer Gesetzesauslegung beruht, die offensichtlich dem Wortlaut und dem Zweck des Gesetzes widerspricht und die eine Gesetzesanwendung zur Folge hat, die durch das Gesetz ersichtlich ausgeschlossen werden sollte (vgl. Senatsbeschlüsse vom VII B 144/94, BFH/NV 1995, 791, und vom VII B 301/00, BFH/NV 2001, 425, m.w.N.).

Der erkennende Senat neigt jedoch zu der Auffassung, dass seit der Neuregelung des Beschwerderechts in der ZPO und der Einführung des § 321a ZPO eine außerordentliche Beschwerde an den BFH wegen greifbarer Gesetzeswidrigkeit nicht mehr statthaft ist. Denn der gesetzlichen Neuregelung liegt die Entscheidung des Gesetzgebers zu Grunde, dass nur dasjenige Gericht ggf. für Abhilfe zu sorgen hat, dem ein Rechtsfehler unterlaufen ist (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2002, 1577; Bundesverwaltungsgericht, Beschlüsse vom 6 B 28.02 und 6 B 29.02, NJW 2002, 2657). Auch im finanzgerichtlichen Verfahren dürfte daher durch sinngemäße Anwendung des Rügeverfahrens gemäß § 321a ZPO i.V.m. § 155 FGO bzw. durch den außerordentlichen Rechtsbehelf der Gegenvorstellung beim iudex a quo dem Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers hinreichend Rechnung getragen werden.

Letztlich kann der Senat die grundsätzliche Statthaftigkeit der außerordentlichen Beschwerde im Streitfall dahinstehen lassen, da die Antragstellerin bereits einen außergewöhnlichen und schwerwiegenden Rechtsverstoß im Sinne der bisherigen Rechtsprechung nicht schlüssig vorträgt.

Die von der Antragstellerin gerügte Verletzung des Verfahrensgrundrechts des gesetzlichen Richters liegt nicht vor, da der Befangenheitsantrag vom zurückgewiesen worden ist. Die daneben erhobene Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs eröffnete auch bislang den außerordentlichen Beschwerdeweg nicht (, BFHE 122, 256, BStBl II 1977, 628). Soweit die Antragstellerin im Übrigen die Aufhebung der Kostenfestsetzung wegen unrichtiger Sachbehandlung begehrt, fehlt es bereits an der Darlegung eines offensichtlichen schweren Verfahrensfehlers. Tatsächlich will die Antragstellerin mit ihrem Antrag die Nachprüfung der Sachentscheidung —der FG-Urteile— wegen angeblicher Fehlerhaftigkeit erzwingen. Damit kann sie aber, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, in dem Erinnerungsverfahren nicht gehört werden. Die gegen den Kostenansatz einschließlich des diesem zugrunde liegenden Streitwerts statthafte Erinnerung ist nicht geeignet, die Überprüfung einer rechtskräftigen Entscheidung auf ihre Richtigkeit herbeizuführen. Das gilt sowohl für die Sachentscheidung als auch für die dem Kostenansatz zugrunde liegende Kostenentscheidung (vgl. Senatsbeschluss vom VII E 15/93, BFH/NV 1994, 818, m.w.N.).

2. Nach § 142 Abs. 1 FGO i.V.m. § 114 ZPO erhält ein Prozessbeteiligter bei Vorliegen bestimmter persönlicher Voraussetzungen PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussichten liegen dann vor, wenn bei summarischer Prüfung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt des Erfolges spricht (vgl. z.B. Senatsbeschluss vom VII B 20/87, BFH/NV 1988, 261). Eine derartige Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der beabsichtigten außerordentlichen Beschwerde besteht nach den vorstehenden Ausführungen jedoch nicht. Die sachlichen Voraussetzungen für die Gewährung von PKH sind danach nicht erfüllt.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 332
BFH/NV 2003 S. 332 Nr. 3
EAAAA-71148