Keine Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses
Gesetze: FGO §§ 70, 134; GVG § 17a
Gründe
I. Das Finanzgericht (FG) hat mit Urteil vom…die Klage des Klägers gegen den Bescheid des seinerzeit dafür zuständig gewesenen Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen, mit dem es die Bestellung des Klägers als Steuerberater widerrufen hat, als unbegründet zurückgewiesen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hat die dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde mit Beschluss vom…als unbegründet zurückgewiesen.
Die mit Schriftsatz vom beim FG erhobene Wiederaufnahmeklage richtet sich gegen das Urteil des FG. Der Kläger macht damit außer den mit Beschluss des FG vom…abgetrennten Wiederaufnahmegründen (§ 134 der Finanzgerichtsordnung —FGO— i.V.m. § 580 Nrn. 2 und 3 der Zivilprozessordnung —ZPO—) Nichtigkeitsgründe nach § 134 FGO i.V.m. § 579 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 ZPO sowie einen Wiederaufnahmegrund nach § 134 FGO i.V.m. § 580 Nr. 5 ZPO geltend. Hinsichtlich dieser Gründe hat das das Verfahren analog § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) an den nach seiner Meinung für die Entscheidung instanziell zuständigen BFH verwiesen. Anlässlich der zuvor vom FG veranlassten Anhörung des Klägers hatte dieser sich gegen die Verweisung ausgesprochen, weil er die Voraussetzungen dafür nicht für gegeben hielt.
II. Die Bindungswirkung des finanzgerichtlichen Verweisungsbeschlusses nach § 70 FGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG steht der Aufhebung dieses Beschlusses und der Zurückverweisung der Sache an das instanziell zuständige FG nicht entgegen, weil der Beschluss offensichtlich rechtsfehlerhaft ist. Durch eine etwa bindende Wirkung des FG-Beschlusses würde dem Kläger der nach Art. 101 des Grundgesetzes garantierte gesetzliche Richter entzogen und ihm gleichzeitig eine Instanz genommen. Die grundgesetzliche Garantie des gesetzlichen Richters geht der allenfalls im Wege der Analogie anwendbaren Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses vor (vgl. BFH, Beschlüsse vom I S 1/00, BFH/NV 2000, 1350, und vom I S 4/93, BFH/NV 1993, 676).
Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass er mit seinem Beschluss vom…eine Entscheidung in der Sache getroffen haben soll, über die das FG mit seinem Urteil vom…entschieden hat. Vielmehr hat er entsprechend der Funktion der Nichtzulassungsbeschwerde im Revisionsverfahren, ohne über die Sache selbst zu entscheiden, lediglich darüber befunden, ob die vom Kläger mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe die Zulassung der Revision gegen das Urteil des FG rechtfertigen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 115 Rz. 13). Etwas anderes ergibt sich auch aus den vom FG zur Unterstützung seiner Auffassung genannten BFH-Entscheidungen (vom I K 1/98, BFH/NV 2000, 730, und vom XI K 3-4/97, XI S 30-31/97, BFH/NV 1998, 1239) nicht. Wie der BFH nämlich in seinem Beschluss in BFH/NV 2000, 730 ausgeführt hat, ist das Revisionsgericht —und entsprechend hier das Beschwerdegericht— nach § 134 FGO i.V.m. § 584 ZPO grundsätzlich nur zuständig, wenn ein von ihm erlassener Beschluss auf Grund der §§ 579, 580 Nrn. 4 und 5 ZPO angefochten wird. Wird dagegen —wie im Streitfall— ein vom FG erlassenes Urteil gestützt auf diese Vorschriften angefochten, so ist das Beschwerdegericht abweichend vom Wortlaut des § 584 ZPO nur ausnahmsweise zuständig, wenn die Nichtigkeits- bzw. Wiederaufnahmegründe etwaige Tatsachenfeststellungen des Beschwerdegerichts betreffen oder Rechtsfehler der vom Beschwerdegericht erlassenen Entscheidung geltend gemacht werden. Diese Voraussetzungen sind jedoch im Streitfall ersichtlich nicht erfüllt. Die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe richten sich vielmehr ausschließlich gegen das vom FG erlassene Urteil. Gleiches gilt auch für den geltend gemachten Wiederaufnahmegrund des § 580 Nr. 5 ZPO. Soweit der Kläger seinen Restitutionsantrag gegen den im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren ergangenen Senatsbeschluss vom…auf diesen Grund gestützt hat, hat der Senat darüber bereits durch Beschluss vom…befunden.
Für die weitere Behandlung der Sache weist der Senat auf das (BFHE 188, 1, BStBl II 1999, 412) hin, in dem der BFH ausgeführt hat, dass die Ausgrenzung des § 579 Abs. 1 Nr. 2 Halbsatz 2 ZPO nicht nur für den in dieser Vorschrift genannten Nichtigkeitsgrund, sondern sinngemäß für sämtliche in § 579 Abs. 1 ZPO genannten Nichtigkeitsgründe gelte, weil er Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes sei, wonach das Rechtsschutzbegehren der Nichtigkeitsklage nur zulässig sei, wenn der in Frage stehende Nichtigkeitsgrund übersehen, nicht aber wenn er im Vorprozess schon geprüft und verneint worden sei. Bezogen auf den Streitfall wird das FG diese Auffassung in Bezug auf die geltend gemachten Nichtigkeitsgründe nach § 579 Abs. 1 Nrn. 1, 2 und 4 ZPO zu berücksichtigen haben. In diesem Zusammenhang ist weiter von Bedeutung, dass der Senat in seinem Beschluss vom…über alle vom Kläger in dem Verfahren geltend gemachten Zulassungsgründe entschieden hat, obwohl er —gestützt auf § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO— die Gründe, die zu seiner Entscheidung geführt haben, nur zum Teil mitgeteilt hat.
Entsprechend § 70 FGO i.V.m. § 17b Abs. 2 GVG wird das FG auch über die beim BFH entstandenen Kosten mitzuentscheiden haben.
Fundstelle(n):
BFH/NV 2003 S. 1337
BFH/NV 2003 S. 1337 Nr. 10
RAAAA-71135