BFH Beschluss v. - VII B 79/02

Widerruf der Bestellung wegen Vermögensverfalls

Gesetze: StBerG § 46 Abs. 2 Nr. 4

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Steuerberater. Er hat seit längerem erhebliche Schulden, und zwar zum Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung fast ... DM Steuerschulden sowie knapp ... DM sonstige Verbindlichkeiten. Ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers ist im Januar 1999 mangels Masse abgewiesen worden. Im Juli 1999 ist der Kläger zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden. Er ist jetzt als angestellter Steuerberater tätig.

Die seinerzeit zuständige Oberfinanzdirektion (OFD) hat 1999 die Bestellung des Klägers als Steuerberater widerrufen. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) urteilte, die Bestellung sei nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) zu widerrufen gewesen, weil der Kläger in Vermögensverfall geraten sei. Dabei könne offen bleiben, ob die in dieser Vorschrift geregelte Vermutungswirkung durch die Eintragung des Klägers in dem Verzeichnis nach § 107 Abs. 2 der Konkursordnung (KO) ausgelöst werde. Unabhängig von dieser Eintragung sei der Senat überzeugt, dass der Kläger nicht in der Lage sei, seine Verbindlichkeiten ”in den Griff zu bekommen”. Die Bestellung könne ihm auch nicht deshalb belassen werden, weil trotz des Vermögensverfalls Mandanteninteressen nicht gefährdet seien. Dies leitet das FG u.a. daraus her, dass der Kläger bei Aufhebung der Widerrufsverfügung die Möglichkeit habe, sich als selbständiger Steuerberater wieder niederzulassen, dass er möglicherweise unbemerkt von seinem Arbeitgeber zum Schaden von dessen Auftraggebern seine eigenen Belange fördere oder dass er aufgrund seiner desolaten Vermögensverhältnisse bei der Steuerberatung nicht ganz ”bei der Sache” sei und die Beratung deshalb fehlerhaft vornehme. Darüber hinaus ergäben sich Gefährdungsfaktoren u.a. aus der strafrechtlichen Verurteilung des Klägers, der Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen der ehemaligen Arbeitnehmer des Klägers und aus der Nichtabgabe von Steuererklärungen in eigener Sache.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil richtet sich die Beschwerde des Klägers, mit der die Zulassungsgründe des § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend gemacht werden.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die geltend gemachten Revisionszulassungsgründe (§ 115 Abs. 2 FGO) liegen nicht vor.

1. Die Beschwerde hält zur Fortbildung des Rechts eine Entscheidung für erforderlich, ob wegen der in § 1 Satz 2 der Insolvenzordnung (InsO) normierten Zielsetzung, dem redlichen Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Schulden zu befreien, § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG dahin auszulegen sei, dass ein Vermögensverfall nur vorliege, wenn der Steuerberater die Befreiung von seinen Schulden durch die InsO nicht erlangen kann.

Diese Frage ist indes eindeutig zu verneinen und rechtfertigt deshalb nicht die Zulassung der Revision, ungeachtet der von der Beklagten und Bewerdegegnerin (Steuerberaterkammer) aufgeworfenen Frage, ob die Vorschriften der InsO im Streitfall überhaupt zu berücksichtigen sind, obwohl ein Konkursantrag gestellt und das Verfahren nach Maßgabe der insoweit fortgeltenden Bestimmungen der KO nicht eröffnet worden ist.

Das In-Kraft-Treten der InsO hat an der gesetzlichen Grundentscheidung nichts geändert, dass den Beruf des Steuerberaters nur ausüben dürfen soll, wer in geordneten Vermögensverhältnissen lebt. Die Voraussetzungen für einen Widerruf der Bestellung als Steuerberater sind in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG, der gerade anlässlich der Ablösung der KO durch die InsO geändert, der neuen (insolvenzrechtlichen) Lage also angepasst worden ist (vgl. Einführungsgesetz zur InsolvenzordnungEGInsO— vom , BGBl I, 2911), klar dahin geregelt, dass Vermögensverfall bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder Eintragung in das Verzeichnis nach § 26 Abs. 2 InsO oder nach § 915 der ZivilprozessordnungZPO— zu vermuten ist. Das lässt für die von der Beschwerde für richtig gehaltene Handhabung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG keinen Raum, welche Vorschrift zu § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO, auf den die Beschwerde hinweist, allenfalls in dem Sinne in Widerspruch steht, dass er eine vorrangige Spezialregelung für Steuerberater enthält, die durch deren besondere berufliche Aufgaben —auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 und des Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes— gerechtfertigt werden kann.

Auch an den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung (dazu Urteil des Senats vom VII R 43/92, BFHE 169, 286, BStBl II 1993, 203), dass bei Vermögensverfall Interessen der Auftraggeber gefährdet sind, hat sich durch die InsO nichts Grundsätzliches geändert. Wesentliche Voraussetzung für eine Bestellung zum Steuerberater ist nach § 40 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StBerG nach wie vor, dass der Betreffende in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen lebt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder gar die bloße Möglichkeit, die wirtschaftliche Situation des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters durch Einleitung eines Insolvenzverfahrens zu bereinigen, haben noch nicht zur Folge, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse des Steuerberaters als geordnet zu betrachten wären. Das Insolvenzverfahren nach der InsO kann zwar das Ziel haben, die Gläubiger unter Erhaltung des Unternehmens des Schuldners zu befriedigen und dem Schuldner Gelegenheit zu geben, sich von seinen Verbindlichkeiten zu befreien (vgl. § 1 InsO). Ob dieses Ziel erreicht wird, ist jedoch zumindest bis zur Annahme und Bestätigung eines Insolvenzplanes (§§ 235 ff. InsO) bzw. —im Verbraucherinsolvenzverfahren nach §§ 304 ff. InsO— bis zur Annahme eines vom Schuldner vorgelegten Schuldenbereinigungsplans oder der Ersetzung der Zustimmung (§§ 308, 309 InsO) völlig ungewiss (vgl. für den Bereich der Bundesrechtsanwaltsordnung AnwZ (B) 28/99, Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht —NJW-RR— 2000, 1228; vgl. auch AnwZ (B) 27/00, BGH-Report 2001, 668 —Leitsatz—).

2. Es bedarf nicht der Klärung in einem Revisionsverfahren, ob ein angestellter Steuerberater durch die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG in seinen Grundrechten beeinträchtigt werden darf und ob ”Auftraggeber” im Sinne dieser Vorschrift bei einem angestellten Steuerberater auch die Auftraggeber seines Arbeitgebers sind.

Denn auch diese Frage ist eindeutig zu bejahen. § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG gilt auch für nicht selbständig tätige Steuerberater (vgl. Senatsbeschluss vom VII B 245/99, BFH/NV 2000, 992). Auch von ihnen verlangt das StBerG persönliche Eignung, die u.a. grundsätzlich voraussetzt, dass sie in geordneten Vermögensverhältnissen leben und nicht in Vermögensverfall. Wegen einer infolge des Vermögensverfalls des Steuerberaters eingetretenen Schädigung des Auftraggebers diesen auf einen Ersatzanspruch gegen den Arbeitgeber zu verweisen würde dem ebenso wenig gerecht wie der selbständig tätige Steuerberater etwa auf bei einem Fehlverhalten gegebene Ansprüche gegen seine Haftpflichtversicherung verweisen könnte.

3. Dass der Entlastungsbeweis, dass durch den Vermögensverfall des Steuerberaters Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind, nicht allein dadurch geführt werden kann, dass der Steuerberater ausschließlich als Angestellter tätig ist und auf Dauer tätig bleiben will, ist entgegen der Ansicht der Beschwerde ebenso wenig klärungsbedürftig. Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Widerlegung der Vermutung, dass solche Interessen gefährdet sind, eine umfassende Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse erforderlich, die in erster Linie dem Tatrichter obliegt und revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüft werden kann (vgl. Urteil des Senats vom VII R 68/99, Höchstricherliche Finanzrechtsprechung 2000, 741). Aus dem Beschluss des Senats in BFH/NV 2000, 992 kann schon deshalb nicht, wie die Beschwerde meint, der (Umkehr-)Schluss gezogen werden, die Vermutung sei widerlegt, wenn ein angestellter Steuerberater nicht alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer Steuerberatungsgesellschaft ist und er kein alleiniges Zugriffs- und Gestaltungsrecht im Rahmen dieser Gesellschaft inne hat.

Damit erledigt sich auch die Rüge der Beschwerde, das Urteil des FG stehe auch in Widerspruch zu dem StB (juris), wonach bei einem angestellten Steuerberater eine Gefährdung verneint werden könne, wenn die konkrete Geschäftsgestaltung auf Dauer angelegt sei und sich der Steuerberater ein ausreichendes Maß an Unabhängigkeit bewahrt habe, ferner, dass eine Divergenz bestehe zu dem (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2001, 556), aus dem im Umkehrschluss der Rechtssatz entnommen werden könne, dass die Vermutung widerlegt sei, wenn der angestellte Steuerberater nicht aufgrund einer Beteiligung an einer Steuerberatungsgesellschaft rechtlich und faktisch in der Lage ist, über diese mitzubestimmen.

4. Deshalb misst die Beschwerde der Rechtssache auch zu Unrecht grundsätzliche Bedeutung im Hinblick auf die Frage bei, ob für die Beurteilung des Ausschlusses einer Gefährdung von Mandanteninteressen das Gesamtverhalten des in Vermögensverfall geratenen Steuerberaters in der Vergangenheit heranzuziehen ist.

Denn auch diese Frage ist ohne weiteres zu bejahen und sinngemäß in der angeführten Senatsrechtsprechung bereits geklärt worden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2004 S. 90
BFH/NV 2004 S. 90 Nr. 1
DStR 2004 S. 974 Nr. 23
DStRE 2004 S. 736 Nr. 12
FAAAA-71113